Rund ein Jahr gehörte die damals Anfang-20-jährige Regina Fritsch zum Ensemble des Wiener Burgtheaters, als Thomas Bernhards „Ritter, Dene, Voss“ von den Salzburger Festspielen ins Repertoire des Akademietheaters wanderte, wo es über viele Spielzeiten hinweg für Furore und bis auf den letzten Platz gefüllte Sitzreihen sorgen sollte. Im Rahmen einer szenischen Lesung bei den Salzkammergut Festwochen Gmunden steht die Trägerin des Alma-Seidler-Rings nun selbst in Bernhards „Schauspielerfest“ rund um die Abgründe der Geschwister Worringer auf der Bühne. Am 30. Juli ist das Stück, eingerichtet von Hermann Beil, mit Mavie Hörbiger, Philipp Hochmair und Regina Fritsch im Stadttheater Gmunden zu sehen.

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„Ich habe damals viel von der Aufregung rund um Thomas Bernhard mitbekommen. Sowohl Bernhard als auch Peymann haben mich als junge Schauspielerin sehr geprägt, wie auch meine Kolleg*innen Kirsten Dene und Gert Voss, die zu dieser Zeit zum Ensemble des Burgtheaters gehörten“, erzählt Regina Fritsch, die seit der Spielzeit 1985/86 Ensemblemitglied ist, im Interview. Dadurch fühle sie sich dieser Zeit und ihren Texten sehr verbunden. „Als Thomas Bernhard-Fan hat es mich natürlich gereizt, mich mit diesem Stück auseinanderzusetzen“, begründet sie ihre Motivation, bei der szenischen Lesung in Gmunden dabei zu sein.

Handwerk als Ausgleich

Die Frage nach dem Anreiz kommt nicht von ungefähr, denn die sogenannten „Theaterferien“ seien ihr in den vergangenen Jahren als kurze Auszeit vom Theater immer wichtiger geworden. Lesungen, wie vor etwa zwei Wochen in Reichenau oder nun in Gmunden, seien Ausnahmen, betont Fritsch. Den Sommer schätze sie mittlerweile vor allem als Möglichkeit, sich wieder mit neuer Theaterlust aufzuladen, wie auch als Chance, in der Natur zu sein und sich handwerklichen Dingen zu widmen. „Wenn ich hier, rund um mein kleines Häuschen, im Garten und im Wald arbeite, dauert es nicht lange, bis ich runterkomme und aus ganz anderen Richtungen Inspiration erhalte“, so die Kammerschauspielerin, die wir – aufgrund der an ihrem derzeitigen Urlaubs- und Wohnort alles andere als lückenlosen Netzabdeckung – nur über WhatsApp erreichen. Fehlende Glasfaser hält die Schauspielerin jedoch nicht davon ab, glasklare Antworten abzufeuern.

Auch bei unserem ersten Interview mit der Kammerschauspielerin – im Winter 2021 – war das schon so. Damals merkte sie an, dass ihr die Arbeit mit den Händen während des laufenden Spielbetriebs immer wieder abgeht. Die damit verbundene innere Zerrissenheit brachte sie folgendermaßen auf den Punkt: „Ich bin mit beiden Beinen fest in der Erde verankert, aber mein Kopf ist auch sehr weit oben in den Wolken, und dazwischen zerreißt es mich immer. Diese Synthese zu schaffen, darum bemühe ich mich schon mein ganzes Leben.“ 

Mir gefällt der Gedanke, eine ewige Anfängerin zu bleiben. Nicht das Gefühl zu haben, ich kann das jetzt, sondern immer wieder neue Wege einzuschlagen.

Regina Fritsch
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Distanz für neue Ansatzpunkte

Das sei immer noch so, sagt die Schauspielerin während unseres Telefonats. Sie lacht ihr herzliches Lachen und setzt fort: „Es ist ein Beruf, in dem man ständig sowohl mit Bergen als auch mit Tälern konfrontiert ist. Manchmal hat man das Gefühl, man kann es, dann durchstreift man wieder ein Tal und es beschleicht einen das Gefühl, dass man es überhaupt nicht kann. Wenn ich eine gewisse Distanz dazu habe, so wie jetzt im Urlaub, kommt es sogar vor, dass ich mich frage, warum ich überhaupt Schauspielerin bin. Diese Distanz lässt mich den Beruf immer wieder neu sehen, wofür ich sehr dankbar bin, weil man dadurch immer wieder neue Ansatzpunkte entdeckt.“

Routine sei als Quelle von Sicherheit zwar schön, stünde dem künstlerischen Prozess aber oft eher im Weg, so Fritsch. „Pausen sind wichtig, um wieder neue Ideen zu bekommen. Ich bin froh, dass mir das mittlerweile gelingt. Mir gefällt der Gedanke, eine ewige Anfängerin zu bleiben. Nicht das Gefühl zu haben, ich kann das jetzt, sondern immer wieder neue Wege einzuschlagen, um wieder mit kindlicher Neugierde an die Sache herangehen zu können.“

Regina Fritsch
Mit Dörte Lyssewski in Sartres „Geschlossene Gesellschaft“.

Foto: Matthias Horn

Keine Berufung, sondern ein ständiger Prozess

Mehr als 30 Jahre Erfahrung stecken mittlerweile im Theaterrucksack der Kammerschauspielerin. Das sei jedoch kein Grund, es sich darauf gemütlich zu machen. Ganz im Gegenteil. „Man lebt in diesem Beruf ja vom Staunen und von der Unmittelbarkeit. Würde ich künstlerisch nur noch einen Weg gehen, würde es nicht lange dauern, bis ich beginne, mich mit mir selbst zu langweilen. Deshalb ist es mir wichtig, mich immer wieder selbst herauszufordern. Wenn es langweilig wird, ist alles verloren“, bringt es die Schauspielerin auf den Punkt. Ebenso klar kommuniziert sie, dass die Schauspielerei für sie immer mehr Beruf als Berufung gewesen sei – oder auch „ein ständiger Prozess“, wie sie in einem Interview mit der Tageszeitung Kurier betonte.

Ob ihr diese Sicht auf ihren Beruf jemals negative Kommentare eingebracht hätte? Regina Fritsch verneint. „Ich stoße eher auf Staunen und Ungläubigkeit, wenn ich sage, dass ich von heute auf morgen aufhören könnte. Ich weiß aber, dass das stimmt“, hält sie lachend fest. Sie ergänzt: „Ich bin mir nichts schuldig geblieben – nicht im Suchen, im mich-Aussetzen und -Hergeben, im Geben, im Leiden und im Scheitern. Es gibt nichts, wo ich mir rückblickend denke, dass ich es mir in irgendeiner Weise bequem gemacht hätte.“

Paradigmenwechsel

Mit der Frage, ob sich der Beruf bzw. die Anforderungen an den Beruf seit ihrer Anfangszeit als Schauspielerin verändert hätten, schlägt sich Regina Fritsch – auch als Lehrende am Max Reinhardt Seminar – selbst gerade herum. „Ich merke, dass es einen Paradigmenwechsel gibt, den ich aber gar nicht umfassend erklären kann, weil ich da noch mittendrin stecke.“ Glücklicherweise sei es auf jeden Fall so, dass die großen Patriarchen und Regieberserker immer weniger werden. #MeToo wäre in dieser Hinsicht sehr wichtig gewesen, auch was die Bezahlung von Schauspielerinnen angeht, sagt Fritsch.

„Die männliche Macht reduziert sich, dadurch wird auch der Umgang miteinander ein anderer. Wenn ich heute sehe, wie die Studierenden miteinander umgehen, wenn sie beispielsweise eine Liebesszene spielen, wie korrekt das abläuft, merke ich ganz deutlich, dass das zu meiner Zeit noch ganz anders war. Da war man – auch wenn das jetzt vielleicht brutal klingt – viel mehr Material. Man hat sich selbst ein Stückweit vergessen und dadurch auch Grenzen nicht so krass gezogen. Dass sich da vieles geändert hat, empfinde ich als sehr positiv. Allerdings ist es auch so, dass junge Spielerinnen keine Rollen mehr spielen wollen, die schwach und naiv sind. Das bedauere ich auch ein wenig, weil es diese Figuren nun mal gibt. Ich verstehe das Bedürfnis, sich anders positionieren zu wollen, gleichzeitig ist es aber auch so, dass man, wenn man als Schauspielerin oder Schauspieler in eine Figur schlüpft, damit auch in ihre Nöte und Schwächen schlüpft. Die gehören ja nach wie vor zum Menschsein dazu.“

Drei Winter
Regina Fritsch in „Drei Winter“ im Burgtheater.

Foto: Matthias Horn

Den Ensemblegedanken stets hochhalten

Ein Stück, dessen Handlung von Anfang bis zum Schluss von starken Frauen vorangetrieben wird, ist Tena Štivičićs Stück „Drei Winter“, in dem Regina Fritsch ab September wieder auf der Burgtheater-Bühne zu sehen sein wird. Es sei eine von Anfang bis zum Ende schöne und harmonische Arbeit gewesen, so die Schauspielerin. Eine Inszenierung, über die sie das auch mehr als 15 Jahre nach der Premiere immer noch sagt, ist „Verbrennungen“ in der Regie von Stefan Bachmann, auf dessen Intendanz sich Regina Fritsch schon sehr freut. „Mit ihm zu arbeiten, fühlt sich immer ein bisschen wie Heimkommen an“, resümiert sie.

Drei Winter Burgtheater

Drei Winter: Ein ganz großes Familien-Epos

„Doktor Schiwago“ trifft „Kirschgarten“ trifft die turbulente Geschichte Kroatiens. Das ist „Drei Winter“, das weltweit erfolgreiche Stück von Tena Štivičić. Martin Kušej verspricht für sein Burgtheater eine universelle Familiengeschichte voll des puren Lebens. Ein Stück, das „uns beseelt und nachdenklich“ macht. Weiterlesen...

Wenn es eine Sache gibt, die sie sich nicht nur für das Burgtheater, sondern für das Theater als solches wünscht, dann ist das, dass der Zusammenhalt im Ensemble stets hochgehalten wird. „Wenn man sich gemeinsam, auf Augenhöhe, auf die Suche begibt, dann ist das immer ein wundervoller Prozess. Wenn alle an einem Strang ziehen, bleibt die Konzentration immer auf der gemeinsamen Suche und es geht nicht um Befindlichkeiten. So ein Ensemble ist eine empfindliche Masse, die man als Theaterleiter auch verstehen muss. Man muss einen Raum schaffen, der es ermöglicht, dass ein Ensemble gut funktioniert. Das wünsche ich mir – dass uns nichts zu spalten vermag.“