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Ein Haus wird zuerst aufgebaut und dann abgebaut und abgefackelt – ein Bild für den Zustand der Familie ...

Ein Haus wird zuerst aufgebaut und dann abgebaut und abgefackelt – ein Bild für den Zustand der Familie ...
FOTOS: JAN VERSWEYVELD

Simon Stones „Ferienhaus“: Er hat a Haus baut, er hat ...

Burgtheater

Simon Stone lässt in seinem neuesten Stück ein Ferienhaus bauen und fackelt es dann wieder ab. Der Weg zum Finale ist ein einziges großes Missverständnis – Familie genannt.

Er hat wieder mal ein Haus gebaut. Und einmal mehr lässt Simon Stone seine Akteure vom Paradies über die Hölle ins Inferno hetzen. Endlich ist er wieder da – einer der Regisseur-Lieblinge des Wiener Publikums. Ausgehend von seiner Produktion „Ibsen Huis“, die aus dem Jahr 2016 stammt und in Amsterdam uraufgeführt wurde, hat Simon Stone für die BURG eine Wiener Version mit dem Titel „Das Ferienhaus“ entwickelt.

Den Text hat Simon Stone –selbst geschrieben. Wie in Amsterdam, steht ein Ferienhaus im Mittelpunkt der Inszenierung, das Simon Stone in der Wiener Version seines Stücks in Vorarlberg verortet. „Die Räume in diesem Haus sind Orte des Traumas und der Konfrontation, aber auch der freudigen Erinnerung“, erklärt Stone das Gebäude. Über mehrere Generationen wird sich hier eine Familientragödie abspielen, eine Geschichte voller Lebenslügen, Abgründe und Oberflächlichkeiten. Es gibt rasend schnelle Zeitsprünge. Übervater Carl treibt den Hausbau besessen voran. Am Ende bleibt ein sabbernder Greis, der die Frauen in seiner Familie missbraucht. Das Haus ist der Überbau, die Metapher. Und – nicht ganz unähnlich zu Ibsen – reißt Simon Stone das fragile Baukonstrukt der Familie am Ende mit der Abrissbirne ein.

Eigentlich jagt er das Haus oder das, was davon noch über ist, mit einem Feuer in die Luft. Es wird das spektakuläre Schlussbild des Abends sein.

Das Burgtheater schöpft bei der Besetzung aus den Vollen: Roland Koch, Michi Maertens, Birgit Minichmayr, Caroline Peters, um nur ein paar Namen zu nennen, werden sich durch die Familienhölle spielen. Und Michael Wächter, jenen Mann, den wir vorab zum Gespräch trafen.

Warum bloß sind Familien so kompliziert, Herr Wächter?

Es ist wie in der Schule: Man ist verdammt dazu, mit Menschen umzugehen, die man sich nicht ausgesucht hat und mit denen man mehrere Stunden am Tag verbringen muss. Und dann ist es so: Wunsch und Bedürfnis sind nicht synchron mit allen Leuten, die im Raum sind. Wenn alles funktional wäre und eh passt, dann braucht man auch keine Kunst mehr machen ...

Wieso trennen sich die Menschen nicht früher?

Weil die Einsamkeit der schlimmstmögliche menschliche Zustand ist – dann noch lieber ein Nervenzusammenbruch. Und man darf nicht vergessen: Man hat ja auch eine Beschäftigung, wenn man sich an Vater oder Mutter reibt. Geht der Tag auch rum ...

Was ist eigentlich das Geheimnis von Simon Stone? Hat er den Film auf die Bühne gebracht?

Es ist nicht das Gefilmte, es ist die Art und Weise, wie er es macht – sein Style. Es ist in erster Line sein Bekenntnis zum Realismus oder zur Realität. Seine Szenen – so ist meine Behauptung – sind Gespräche. Und wirkliche Gespräche sind es dann, wenn Leute sich unterbrechen, wenn Leute gleichzeitig reden, wenn Leute Sachen missverstehen. All das, was wir sonst in den Proben nie machen, es sind all diese Zutaten, die seine Stücke irgendwie ausmachen. Die Dinge, wo man sagt: Der wichtigste Satz des Autors, da haue ich noch mal den Hammer drauf und den verkacke ich insofern, dass ich drei Pausen mache und sechs Kommas – und dann kann man es wirklich poetisch nennen. Er hat auch eine unglaubliche Freude am Umbau: wenn das Licht angeht und die Bühne völlig anders aussieht.

Plötzlich ist es Winter, es schneit und ein Weihnachtsbaum steht da und die Leute haben Weihnachtsklamotten an und man fragt sich: Wie geht das? Das alles hat nichts mit Film zu tun, sondern mit purer Verwandlungsfreude. Aber Simon Stone ist auch ein knallharter Realist und ein Zeitgenosse, der Sachen glauben will, die in dem Moment stattfinden.

Fotos der Aufführung aus Amsterdam: So wird der neue Simon Stone.
Foto: JAN VERSWEYVELD
Fotos der Aufführung aus Amsterdam: So wird der neue Simon Stone.

Was ist das Besondere an seine Texten?

Es ist die Sichtbarmachung von Zuständen – etwa wie Männer mit Frauen umgehen –, all das Schreckliche, dass sie ihnen antun.

Was soll das Publikum von dem Abend mit nach Hause nehmen?

Ich glaube nicht, dass man irgendetwas soll. Erst einmal ist es eine Geschichte, die aufgeführt wird. Zu was diese führt, hat man, glaube ich, nicht in der Hand. Man wird vielleicht ermächtigt, über Sachen nachzudenken, Sachen anzusprechen. Man soll gar nichts. Pädagogik ist das Letzte, das stattfinden soll.

Was macht Ibsen so einzigartig?

Die Beschäftigung mit dem Abgrund und wie Menschen miteinander umgehen. Wie Ibsen hinter den alltäglichen Dingen das Wahre ausgräbt. Er ist ein ganz großer Storyteller. Würde Ibsen heute leben, dann würde er lauter achtteilige Serien schreiben und am Ende jeder Folge würde man sich denken: Wie bloß geht es weiter? Ich glaube, seine Beobachtungsgabe und die Gabe, das Gesehene zu Papier zu bringen, waren einzigartig.

Danke für das Gespräch.

„Familie heißt: Man ist verdammt
dazu, mit Menschen auszukommen,
die man sich nicht ausgesucht hat.“
Michael Wächter
Foto: Christoph Liebentritt
„Familie heißt: Man ist verdammt dazu, mit Menschen auszukommen, die man sich nicht ausgesucht hat.“ Michael Wächter

Zu den Spielterminen von "Das Ferienhaus" im Burgtheater!

Universitätsring 2
1010 Wien
Österreich
Foto beigestellt

Erschienen in
Bühne 10/2025

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Atha Athanasiadis
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