Als eine Art „Zufluchtsort und eine Andockstation, in die man mit seinen Sorgen und Gefühlen gehen kann“ möchte Burgtheater-Direktor Martin Kušej sein Haus in der kommenden Spielzeit positionieren. Oder auch: Das Theater als Ort, der einem das Gefühl vermittelt, mit seinen Sorgen nicht alleine zu sein. Dabei spiele, so der Direktor, die Gastfreundschaft als Einstellung zum Leben eine zentrale Rolle. „Sie ist universell und unbedingt, über Ländergrenzen hinweg“, erklärt Kušej.

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Martin Kušej

Visuell findet dieser Gedanke auch im Spielzeitbuch seinen Ausdruck. In einer fortlaufenden Bildstrecke, fotografiert vom spanischen Fotografen Sergi Pons, spüren und berühren die Ensemblemitglieder einander. Sie geben einander Halt und laden das Publikum dazu ein, sich dieser Gemeinschaft zugehörig zu fühlen. Ebenfalls Teil davon: die Geister – die lebenden, die toten und die fiktiven. Auch ihnen soll das Theater als Zufluchtsort dienen, schließlich bewege sich dieses „immer an der Grenze zwischen Leben und Tod“, so Kušej.

5 Fragen an Martin Kušej

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Die große Gereiztheit

Die Unruhe der Geister in Krisenzeiten ist in vielen Stücken, die das Burgtheater in der kommenden Spielzeit zeigen wird, spürbar. Unter anderem in Thomas Manns „Der Zauberberg“, jenem großen Roman, in dem, so Vizedirektorin Alexandra Althoff, von einer „großen Gereiztheit“ die Rede ist. Am Burgtheater wird Bastian Kraft den Roman für die Theaterbühne adaptieren. Insgesamt wurden 25 Produktionen angekündigt, darunter Uraufführungen von Peter Handke, Yasmina Reza und Daniel Kehlmann. Elf der Produktionen sind Ur- oder Erstaufführungen, es inszenieren mehr Frauen als Männer. Obwohl auch viele Romanadaptionen auf dem Spielplan stehen, sieht sich das Burgtheater weiterhin als „Haus der Dramatik“, wie der Leitende Dramaturg Andreas Karlaganis betont.

Eröffnet wird die Spielzeit am 2. September im Akademietheater mit „Das weite Land“ von Arthur Schnitzler. Die Koproduktion mit der Ruhrtriennale wird von Barbara Frey inszeniert. Im Burgtheater ist ab 4. September „Ingolstadt“ in einer Inszenierung von Ivo van Hove zu sehen. Die Koproduktion mit den Salzburger Festspielen verbindet die beiden Stücke „Fegefeuer in Ingolstadt“ und „Pioniere in Ingolstadt“ der 1974 verstorbenen Autorin Marieluise Fleißer zu einem Theaterabend. Mit dieser Produktion möchte das Burgtheater, nach Anna Gmeyner, Maria Lazar (auch von ihr wird mit „Die Eingeborenen von Maria Blut“ wieder ein Text auf die Bühne gebracht) und Marianne Fritz, erneut eine in Vergessenheit geratene Autorin in den Kanon holen.

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Du bist nicht allein: Das Burgtheater stellt das Programm 2022/23 vor

Foto: Susanne Hassler-Smith

Randgebiete

Mit „Zwiegespräch“ zeigt das Burgtheater die Uraufführung des erst kürzlich herausgebrachten Buches von Peter Handke. Der Autor hätte ihm, erzählt Martin Kušej, das Manuskript während seines Wien-Aufenthalts im Zuge der Premiere von „Zdeněk Adamec“ gezeigt. Der Text ist den verstorbenen Schauspielern Otto Sander und Bruno Ganz gewidmet. Regisseurin Rieke Süßkow werde ihn bei der Uraufführung aber nicht von zwei älteren Darstellern, sondern von mehreren Schauspielerinnen und Schauspielern umsetzen lassen, verriet Kušej.

Martin Kušej selbst inszeniert zweimal: „Drei Winter“ von Tena Štivicic sei ähnlich wie Miroslav Krlezas „Agonie“ (das er 2013 inszenierte) „ein großes Geschichtsepos, eine Art Familiengeschichte über drei Generationen einer Zagreber Familie. Mich interessieren Randgebiete, Landschaften, Städte, die zunächst einmal weit weg erscheinen“, sagt der Direktor. Im Burgtheater wird er im Oktober auch Daniel Kehlmanns „Nebenan“ auf die Bühne bringen. Er habe den gleichnamigen Film von Kehlmann und Daniel Brühl gesehen und den Autor sofort angerufen: „Du musst diesen Film fürs Theater adaptieren“. Auch Johan Simons („Dämonen“), Mateja Koležnik („Kasimir und Karoline“), Daniel Kramer („Angels in America“) und Tina Lanik („Wie es euch gefällt“) werden wieder am Burgtheater inszenieren. Sehr viel Spaß und ein bisschen Anarchie darf man sich außerdem bei Herbert Fritschs Inszenierung von Raimunds „Die gefesselte Phantasie“ erwarten.

Und noch etwas anderes steht fest: Bei der für September erwarteten Neu-Ausschreibung des Burgtheater-Direktor-Postens werde sich Martin Kušej wieder bewerben: „Ich bin noch längst nicht fertig hier!“ Alexandra Althoff, bislang Vizedirektorin, wird sich in der kommenden Spielzeit neuen Aufgaben zuwenden.  

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