Sardous Vorlage „La Tosca“ war 2019 im Burgtheater in der Regie von Kornél Mundruczó geplant, musste aber verschoben werden. Was fasziniert an diesem Drama, das im Grunde an einen grandiosen Gro-schenroman erinnert? Würden Sie auch das Sprechstück inszenieren?

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Was reizt Sie an Puccinis Oper?

Martin Kušej: Puccinis Oper verbindet grandiose Musik unfassbar direkt mit einer brutalen Geschichte, das macht sie so aufregend. Ich glaube nicht, dass das ein Widerspruch sein muss, und das will ich erzählen. Dazu kommt, dass ich ein Interesse an diesem singulären Werk des klassischen Repertoires auch des- halb habe, weil ich gewisse Grenzüberschreitungen in der Opern-Rezeption für unabdingbar halte. Wir müssen direkt an die Musik ran, an die Texte und an die Schauplätze. Ich glaube schon, dass ich vor über zwanzig Jahren Maßstäbe gesetzt habe, die jetzt in jedem Stadt- theater etabliert sind, z.B. Chorszenen neu zu erarbeiten, Szenen, Figuren völlig gegen den Strich zu lesen u.s.w. Jetzt muss wieder etwas anderes, Neues gewagt werden. Und: Ich mache wenig Unterschied zwischen Schauspiel und Oper. Von daher erübrigt sich die Frage.

Sind für Sie die historischen Schauplätze Sant’Andrea della Valle, Palazzo Farnese, Engelsburg relevant?

NULL. Der Bühnenbildentwurf von Annette Murschetz und mir ist auch nicht ohne Weiteres als „Tosca“ zu identifizieren.

Scarpia und Cavaradossi, der Fiesling und der Frauenversteher? Wie würden Sie die beiden Herren aus Ihrer Sicht kurz umreißen?

Scarpia ist für mich die eigentlich faszinierende Figur: ein absoluter Macht- mensch mit vielen Facetten. Er ist der Mittelpunkt des Ganzen, gegen den, noch besser: um den herum die anderen sich drehen und wenden müssen. Auf keinen Fall möchte ich ihn als den klassischen „Bösewicht“ verstanden wissen. Spätestens seit „Schweigen der Lämmer“ wissen wir, wie interessant und komplex diese sadistischen Charaktere auf der Bühne sein können. Cavaradossi gerät als ohnmächtig Mitspielender in die Fänge eines brutalen Machtapparats. Er verfügt über gar keine Fähigkeiten, im politischen Kalkül des Systems bestehen oder überleben zu können. Alle großen Gefühle, die Puccinis Musik evoziert, werden sofort wieder gestört, auch Cavaradossis berühmte „Arien“ fallen darunter ...

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Toscas wahre Identität

Wer ist Tosca? Eine Diva, ein Opfer der Umstände, eine Brennende, pure Leidenschaft, eine Affektmörderin oder gar ein Monster – so wie sie Kristīne Opolais, falsch verstanden, meist dargestellt sieht? Was verstellt unseren Blick auf die wahre Tosca?

Tosca ist eine schöne Frau. Aber auch identitätsgestört und egozentrisch. Sie hat wunderbare Musik und geht durch eine extreme Story. Sie hat schon vieles durchgemacht, ist eine so beschädigte, verletzte wie vergeblich agierende Person. Ich glaube nicht, dass es die wahre Tosca gibt. Mir geht es um Glaubwürdigkeit in einer unmenschlichen Welt, in der sich nichts mehr zum Guten wenden lässt.

Lassen Sie Ihre Tosca springen?

Das wäre ein Ausweg ... Aber wer mich kennt, weiß, dass es nicht die Herausforderung sein kann, Kristīne Opolais ohne Knöchelbruch irgendwohin springen zu lassen ... Sie werden es also erst im Jänner erleben!

Hier geht es zum aktuellen Spielplan!