In „Apokalypse Miau“ wird sie zur Diva im besten Sinne, in „Malina“ hält sie das Publikum mit Ingeborg Bachmanns poetischen Textflüssen in Atem, und in „humanistää!“ zaubert sie gemeinsam mit Samouil Stoyanov Tanzschritte auf die Bühne, bei denen selbst Elmayer-geschulte Maturant*innen vor Neid erblassen würden.

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Bettina Lieder, seit 2020/21 im Ensemble des Wiener Volkstheaters, kann alles. Auch wenn das die nach eigenen Angaben perfektionistisch veranlagte Schauspielerin selbst nicht ganz so sieht. „Ich hatte in der Vergangenheit oft das Gefühl, dass ich mich mit meinem Perfektionismus vor Versagen schützen kann. Das versuche ich gerade ein wenig loszulassen“, sagt Bettina Lieder, die wir an einem Montagmorgen zum Interview treffen. Hinter ihr liegt ein Jandl-Marathon – zwei Vorstellungen des theatralen Hochgeschwindigkeitszugs „humanistää!“ an zwei Tagen.

Seit ihren Anfängen vor mehr als zehn Jahren am Schauspiel Dortmund höre sie schon wesentlich mehr auf ihren Bauch, fügt sie hinzu. Eine Arbeit, die für sie auf sehr intuitive Weise funktioniert, ist die Ingmar-Bergman-Bearbeitung „Szenen einer Ehe“ des Nestroy-Preisträgers Markus Öhrn, der in diesem Jahr erneut in der Kategorie „Beste Regie“ für ebendieses Stück nominiert ist. „Seine Arbeitsweise hat etwas sehr Erlaubendes. Das ist ein Regisseur, der seine Spieler*innen liebevoll bestärkt“, sagt Bettina Lieder.

Wärme und Klarheit

2014 ist sie schon einmal in den Stoff eingetaucht. Claudia Bauer führte damals Regie. „Der Flashback, den ich erwartet hatte, blieb aber total aus, weil die beiden so unterschiedlich arbeiten und ich mich auch in meiner Arbeitsweise sehr geändert habe“, sagt die Schauspielerin, deren Stimme auch abseits der Bühne unglaublich einprägsam und sanft zugleich ist. „Malina“, nach „humanistää!“ die zweite Wiener Produktion von Claudia Bauer, fühlt sich auch nach einer Handvoll Vorstellungen für sie immer noch sehr roh an.

„Ich habe noch nie mit einem Stoff gearbeitet, den ich so wenig greifen konnte. Das ist aber auch spannend, weil ich mich an nichts festhalten kann und die Kontrolle ein Stück weit loslassen muss. Ich weiß aber mittlerweile, dass ich mich auf diesen großartigen Text verlassen kann.“ Wie auch auf Claudia Bauers Regiehandwerk. „Ich bin immer wieder stolz, dass sie mich besetzt“, sagt sie mit jener Mischung aus Wärme und Klarheit, die unser gesamtes Gespräch begleitet.

Bachmann Volkstheater Claudia Bauer Matthias Seier

Im Bann der Bachmann: „Malina“ im Volkstheater

Nach Ernst Jandl widmen sich Claudia Bauer und Matthias Seier erneut einer Säulenheiligen der österreichischen Literatur. Wenn es jemanden gelingt, Ingeborg Bachmann und ihrem Roman „Malina“ ein Denkmal zu setzen, das gar keines sein möchte, dann den beiden. Weiterlesen...

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Die Entscheidung, mit Kay Voges nach Wien zu wechseln, fiel ihr nicht schwer. „Ich war damals relativ frisch schwanger, aber als ich mit Kay ausgekaspert hatte, wie wir das machen können, war es eigentlich keine Frage mehr.“ Das Wiener Publikum nimmt die 1987 in der ehemaligen DDR geborene Schauspielerin als unglaublich wach wahr. „Man merkt, dass es hier niemandem egal ist, was am Theater passiert. Und man muss zu keiner Zeit darüber diskutieren, ob es eine Daseinsberechtigung hat oder nicht. Das genieße ich sehr“, hält sie fest.

Zum Theater kam Bettina Lieder über die Theater-AG in der Schule. Seither kann sie sich nichts anderes mehr vorstellen. „Auf der Bühne ist das Gefühl, lebendig zu sein, so da wie sonst nie. Das möchte ich nie wieder loslassen.“

Zur Person: Bettina Lieder

Die gebürtige Görlitzerin studierte Schauspiel an der Theaterakademie August Everding in München. 2010 bis 2020 war sie festes Ensemblemitglied am Schauspiel Dortmund, danach wechselte sie mit Kay Voges nach Wien. Mit Claudia Bauer hat sie bereits mehrfach zusammengearbeitet, u. a. in der Erfolgsproduktion „huma­nis­tää!“. Aktuell ist sie auch in Markus Öhrns „Szenen einer Ehe“ zu sehen