Mit dem Theatertourbus durch Wien
Mit dieser Spielzeit haben Anja Sczilinski und Julia Engelmayer das Volkstheater Bezirke und damit den wohl kulturell wertvollsten Lieferservice der Stadt übernommen. Eines ist sicher: Die beiden haben viel vor.
„Open House“ wird im Volkstheater großgeschrieben, erzählt Anja Sczilinski, die seit dieser Spielzeit gemeinsam mit der Dramaturgin Julia Engelmayer das Programm des Volkstheaters Bezirke kuratiert. Damit meint die erfahrene Theatermacherin jedoch nicht nur die neuen partizipativen Formate des Volkstheaters, sondern die grundsätzliche Haltung ihrer neuen Arbeitsstätte. Offenheit als offensichtliches Leitprinzip. Das bedeutet auch: Jeder Tag sollte sich so anfühlen, als wäre gerade Tag der offenen Tür.
Für Anja Sczilinski und Julia Engelmayer geht damit auch das Bestreben einher, sich stets mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt zu bewegen. Bei jeder Vorstellung des Volkstheaters Bezirke sind sie abwechselnd oder zu zweit vor Ort, sprechen mit Abonnent*innen, tauschen sich mit den Gewerken und Künstler*innen aus und hosten Nachgespräche. Die 1954 aus der Taufe gehobene Theatertour durch die Wiener Bezirke sei ohnehin ein Format, dem wie keinem anderen inhärent ist, woran viele Stadttheater zwar intensiv arbeiten, was aber aufgrund starrer Strukturen meist nur schwer umsetzbar ist: in die Stadt zu gehen, sich möglichst der gesamten Stadtgesellschaft zu öffnen. „Es ist ein Geschenk und ein wertvolles Erbe, das wir übernommen haben“, hält Anja Sczilinski fest
Begegnungsräume
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs sind bereits zwei Produktionen durch die Wiener Bezirke unterwegs: „Halbe Leben“ und das Familienstück „Die total verjüngte Oma“. Außerdem fand bereits das erste der frisch ins Leben gerufenen Grätzlfeste statt. Auf den Neustart angesprochen, zeigen sich die beiden Theatermacherinnen und Bezirke-Chefinnen nicht nur erleichtert, sondern sichtlich erfreut. Zu Recht, denn „Halbe Leben“ sorgte nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Kritiker*innen für Begeisterungsstürme. Das Stück, eine Bühnenfassung des gleichnamigen Romans von Susanne Gregor, setzt sich mit dem Thema Care-Arbeit auseinander und bietet eine Fülle an Anknüpfungspunkten für intergenerationalen Austausch. Diesen möchte sie ohnehin noch viel stärker fördern – unter anderem mit partizipativen Projekten wie etwa dem Format „Stadt-Stimmen“, ergänzt Anja Sczilinski.
„Dadurch, dass wir in Räumen spielen, die dafür geschaffen und gebaut wurden, Begegnung zu ermöglichen, beginnt der Diskurs nicht erst auf der Bühne, sondern bereits im Foyer“, fügt Julia Engelmayer hinzu. Inhaltlich sei der Bezirke-Spielplan von einem klaren Bekenntnis zum Erzählen geprägt, so die Dramaturgin und Kuratorin. „Aber auch davon, dass wir gern zugängliche und zugleich sehr relevante Texte auf die Bühne bringen möchten wie auch gleichermaßen packende wie heutige Regiehandschriften.“
Zudem ergebe sich durch die Tatsache, dass Theatermittel nur in eingeschränkter Form zur Verfügung stehen, ein sehr schauspieler*innenzentriertes Theater.
wurde in Wien geboren und studierte deutsche Literaturwissenschaft, Soziologie und Philosophie in Berlin. Von 2007 bis 2013 war sie Dramaturgin und Pressereferentin am Theater Phönix Linz, danach wechselte sie als Dramaturgin und ab 2016 als Leitende Dramaturgin ans Landestheater Niederösterreich. Mit Anja Sczilinski kuratiert sie nun das Volkstheater Bezirke und arbeitet ebendort auch als Dramaturgin.
Das sei auch einer der Gründe, warum Sczilinski und Engelmayer die Zusammenarbeit mit dem Theater Bronski & Grünberg unbedingt fortsetzen wollten.
„Auch ihre Art zu arbeiten, ist sehr auf die Spieler*innen und ihre Spielfreude fokussiert“, bringt es Julia Engelmayer auf den Punkt und beginnt daran anknüpfend gleich von der nächsten Arbeit der „Bronskis“ in den Bezirken zu erzählen. „Sie haben Schillers Stück ‚Die Räuber‘ in die 70er-Jahre und in die Welt der Musikindustrie verlegt. Entlang des dramaturgischen Bogens des Klassikers arbeitet sich die Fassung an Themen wie Rivalität innerhalb der Familie, Recht und Unrecht ab. Die Sprache ist heutig, diskursinformiert und voller Witz. Gleichzeitig geht es aber immer ums Eingemachte.“
leitete das JUNGE RESI, die Kinder- und Jugendtheaterschiene des Münchener Residenztheaters, die sie auch mit aufgebaut hat. Danach wechselte sie als Leiterin des Burgtheaterstudios ans Burgtheater, wo sie auch als Regisseurin für Kinder und Jugendliche in Erscheinung trat. Sie ist Kuratorin des Volkstheaters Bezirke und leitet die Outreach-Abteilung des Hauses.
Gelebte Offenheit
Neu ist, dass das Ensemble künftig wie- der viel mehr in den Bezirken spielen wird, betont Anja Sczilinski. So wird beispielsweise Jan Philipp Gloger ein Stück mit Johanna Wokalek und Tjark Bernau inszenieren. Mitglieder des Ensembles werden auch eine Auswahl jener Texte lesen, die im Rahmen des Formats „Stadt-Stimmen“ entstehen, so Sczilinski. In Workshops, die von den Dramatiker*innen Thomas Perle, Susanne Gregor und Leo Lorena Wyss begleitet werden, erkunden Senior*innen und Schüler*innen gemeinsam die Stadt und bringen ihre Beobachtungen und Gedanken anschließend zu Papier.
In wechselnden Spielstätten wird das Volkstheater Bezirke außerdem mit mehrsprachigen Lesungen für Kinder und Erwachsene zu Gast sein. „Im besten Fall entsteht durch all diese unterschiedlichen Formate und Theaterstücke ein von Diversität geprägtes Netzwerk“, legt Anja Sczilinski ihre Wünsche offen. Sicher ist: Im Volkstheater Bezirke ist Offenheit kein Schlagwort, sondern gelebtes Prinzip. Was das konkret bedeutet, wird sich in den kommenden Monaten auf vielfältige Weise offenbaren
Hier geht es zu den Spielterminen von "Die Räuber" im Volkstheater Bezirke!