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Tief unter der Erde der Volksoper, da steht es, das Bühnenbild zur „Nacht in Venedig“. Darauf Platz genommen haben Lauren Urquhart und Lucian Krasznec.

Tief unter der Erde der Volksoper, da steht es, das Bühnenbild zur „Nacht in Venedig“. Darauf Platz genommen haben Lauren Urquhart und Lucian Krasznec.
Foto: Hilde van Mas

Johann Strauss: Im 3/4 Takt durch Venedig

Volksoper

Johann Strauß komponierte schwebende Melodien und verzaubert damit noch immer die Welt. Unsere Frage: Wie singt man den Strauß’schen 3/4-Takt? Und was bedeutet es für die Neuinszenierung seiner „Nacht in Venedig“? Ein Gespräch.

Es wird ein Fest. Ein großes Johann-Strauß-Fest. Sein Melodien durchflutetes Meisterwerk „Eine Nacht in Venedig“ wird gerade in der Volksoper neu gedacht und trotzdem muss sich davor nicht einmal der eingefleischte Strauß-Puritaner fürchten. „Meine Intention ist die klassische Opernwelt – aber ich lasse sie mit Referenzen der Populärkultur verschmelzen“, sagte Regisseurin Nina Spijkers in der vergangenen BÜHNE.

Und: „Ich möchte den Menschen einen möglichst unterhaltsamen Abend bieten. Dieses Stück ist so voller schöner Melodien – manche sind amüsant und fröhlich und setzen sich im Kopf fest wie Ohrwürmer.“

Die Sänger. Die Handlung.

Heute sind wir in der Volksoper, um mit zwei der Hauptdarsteller*innen zu sprechen: Lauren Urquhart (sie singt die Fischerstochter Annina) und Lucian Krasznec (er singt Guido, den Herzog von Urbino).

Falls Sie die Handlung nicht kennen, dann sei Ihnen ganz unter uns gesagt: Es ist nicht so wichtig. Denn das Stück ist eine klassische Verwechslungs- und Verkleidungskomödie um einen Herzog, der bei einem Maskenfest auf dem Markusplatz die Frauen der Senatoren mit seinen Geliebten verwechselt, was zu Verwirrungen führt, bis die richtigen Paare am Ende des Abends wieder zusammenfinden. Musikalisch gehört es zu dem Wichtigsten, was Strauß geschrieben hat. Es ist ein Werk, das daherkommt wie die legendäre „Wall of Sound“ – also mit sattem, monumental-harmonischem Popklang.

Darüber und über ein paar andere Dinge werden wir gleich mit Lauren Urquhart und Lucian Krasznec sprechen.

Volksoper Wien

Währinger Straße 78
1090 Wien
Österreich
© Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Man darf diese Werke nicht zu sehr verändern, sonst verlieren sie ihren Charme.

Lucian Krasznec, Sänger

Lassen Sie mich mit einer möglicherweise absurden, aber unter Walzerfans immer wieder heftig diskutierten Frage beginnen: Wie singt man eigentlich 3/4-Takt? Gezogen oder auf Schlag?

Lauren Urquhart (lacht): Die Frage ist gar nicht so absurd. Das habe ich als gebürtige Amerikanerin erst lernen müssen, dass man das 1, 2, 3 nicht marschiert.

Lucian Krasznec: Johann Strauß hat es geschafft, dass sich ein Dreivierteltakt nicht wie ein solcher anhört. Das ist eine Kunst für sich. Jeder denkt nur: 1, 2, 3. Bei Strauß klingt es oft nach einem Vierer, nach einem Sechser. Wie auch immer. Er schafft es zu modulieren, zu integrieren und abzuwechseln, und zwar so, dass man diesen Dreier irgendwann einmal vergisst und sich einfach nur mehr von der Melodie mitreißen lässt und dieser folgt. Dieses Fliegende in der Musik kann und konnte nicht jeder. Eine Professorin hat einmal zu mir gesagt: „Es braucht ein bisschen Schlamperei im Dreivierteltakt.“ Das muss einen mitnehmen, so, wie wenn man von einer Rampe springt: kurz schweben und weitergehen. Wie wir letztendlich den Dreivierteltakt umsetzen, hängt aber vor allem vom Dirigenten ab. Er bestimmt den Takt.

Muss man eigentlich Operette neu denken, wenn man sie im Jetzt spielen möchte?

Lucian Krasznec: Operette ist in eine besondere Zeit hineingeschrieben worden, in eine besondere Umgebung und ist tief verwurzelt in Österreich. Man darf diese Stücke nicht zu stark verändern wollen, denn dann verlieren sie ihren Charme. Würde man alles zu sehr ummodeln wollen, dann nimmt man der Operette sehr viel weg. Ich denke, wir haben hier einen sehr guten, wenn nicht den besten (lacht) Zugang gefunden, damit umzugehen.

Lauren Urquhart: Der Beweis, dass er noch immer der Größte in dieser Kunst ist, zeigt sich zu Silvester: Da tanzt die ganze Welt Strauß. Die Musik schwebt. Das spürt man in jedem Takt.

Lauren Urquhart ist Fischerin Annina. Die gebürtige Amerikanerin singt diese Saison unter
anderem im „Figaro“ und die Adele in „Die Fledermaus“.
Foto: Hilde van Mas
Lauren Urquhart ist Fischerin Annina. Die gebürtige Amerikanerin singt diese Saison unter anderem im „Figaro“ und die Adele in „Die Fledermaus“.

Viele Dialoge sind auf das Wienerische hingeschrieben. Sie sind beide nicht aus Wien – ist das ein Thema?

Lucian Krasznec: Ja, weil man viel genauer schauen muss: Welche Operette passt überhaupt zu mir als Sänger? Vom „Vogelhändler“ lasse ich meine Finger, weil ich diesen Dialekt nie rüberbringen kann. Man darf das Publikum nicht täuschen oder noch schlimmer: Man darf das Publikum niemals schlecht täuschen. (lacht)

Lauren Urquhart: Das ist eine enorme Herausforderung und ich habe stundenlang mit meinem Sprachcoach gearbeitet. Wenn ich dann manche Worte im Dialekt nicht gut hinbekomme, wechsle ich ins Hochdeutsche und mache dann wieder im Dialekt weiter. Das kann – vor allem bei Witzen – auch ein extremer Vorteil sein, weil man auch damit spielen kann.

Das Stück in wenigen Sätzen

„Eine Nacht in Venedig“ ist eine Verwechslungs- und Verkleidungskomödie um den als Frauenheld verrufenen Herzog von Urbino, der die Karnevalszeit dazu nutzen möchte, die charismatische Barbara Delaqua wiederzufinden, welcher er im bunten Maskentreiben des Vorjahres geradezu verfallen ist ... Der Plan ihres Gatten, dies zu vereiteln, setzt ein fintenreiches Versteckspiel in Gang – und so steht der Herzog schließlich gar vor drei Barbaras! Die bekanntesten Melodien: der Walzer „Alle maskiert“, Anninas Lied „Frutti di Mare“, das legendäre „Schwipslied“, der schwelgerische „Lagunenwalzer“, das Auftrittslied des Herzogs – „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia!“ – u. v. a.

Bei der Nummer vom Makkaronikoch sind dann plötzlich Batman, Super Mario und auch ein Spiegelei auf der Bühne und tanzen. Warum passt das?

Lucian Krasznec: Das ist jetzt leicht zu beantworten (lacht): weil Karneval ist. Früher hat eine Augenmaske oder diese venezianische Maske gereicht und die Menschen haben gesagt: Der ist verkleidet. Wir gehen einfach einen Schritt weiter und das ist gut so, weil es auch ein jüngeres Publikum optisch anspricht. Es wird aber im ersten Teil mit sehr klassischen Kostümen begonnen. Es macht aber das Stück ein wenig frischer - finde ich.

Lauren Urquhart: Wir müssen den Kern des Stücks behalten, aber wenn der Inhalt bleibt, kann man die Verpackung verändern, ein wenig neu gestalten. Hier in Wien hat man die Operette in der DNA. Das muss man wissen, respektieren und sollte kein unnötiges Risiko eingehen. Aber – wie schon gesagt: keine Sorge. Was ist der grundlegendste Unterschied beim Singen von Oper und Operette?

Lucian Krasznec: Man sollte keinen Unterschied machen. Es gibt sowohl Spielopern mit Dialogen als auch schwer zu singende Operetten, die ursprünglich als Opern gedacht waren, wie Lehars „Das Land des Lächelns“. Es geht in erster Linie darum, souverän zu singen. Denn wenn ich gut singe, überträgt sich das auf die Musik, und wenn es mir dann auch noch gelingt, über die Dialoge und meine Körpersprache das Publikum zu überzeugen, dann hat die Operette oder die Oper gewonnen.

Lauren Urquhart: Es gibt ein Handwerk und wenn man dieses Handwerk gut und richtig einsetzt, kann man sowohl das eine als auch das andere machen.

Lucian Krasznec singt
Herzog Guido. Vom Alfredo über Rodolfo
und die großen
Mozartpartien hat der im
Banat geborene Tenor fast alles in seinem Repertoire.
Foto: Hilde van Mas
Lucian Krasznec singt Herzog Guido. Vom Alfredo über Rodolfo und die großen Mozartpartien hat der im Banat geborene Tenor fast alles in seinem Repertoire.

Letztens wurde die Operette in einer Tageszeitung als „Schwester des Musicals“ bezeichnet. Gibt es Unterschiede?

Lucian Krasznec: Also, ich klinge, egal, wie sehr ich mich bemühe, immer wie ein Opernsänger, mir fehlt die Musicaltechnik. Ich kann das nicht. Musicaldarsteller können mit viel weniger Volumen singen – weil am Ende entscheidet der Tonmeister, wie laut die Stimme aufgezogen wird. Und wir müssen darauf vertrauen, dass das, was wir stimmlich produzieren, über den Orchestergraben geht.

Lauren Urquhart: Ich habe Erfahrung mit beiden Genres. Ich mag es manchmal, mit dem Mikro zu singen, vor allem bei Dialogen. Da kann man viel mehr Farben in der Stimme benutzen und auch ganz leise flüstern. Aber Oper und Operette singe ich am liebsten ohne Mikro.

Meine letzte Frage: Was mögen Sie am meisten an Ihren Rollen?

Lauren Urquhart: Annina nimmt und lebt den Moment, ist pragmatisch und sehr klug und sie tut alles, um das zu kriegen, was sie will.

Lucian Krasznec: Nach außen ist Guido der große Liebhaber, aber innerlich ist er verklemmt und begibt sich auf eine lange Reise, um das zu lösen ...

Hier zu den Spielterminen von "Eine Nacht in Venedig" in der Volksoper!

Erschienen in
Bühne 09/2025

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Atha Athanasiadis
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