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Julya Rabinowich ist eine österreichische Schriftstellerin, Dramatikerin, Kolumnistin, Malerin, Übersetzerin.

Julya Rabinowich ist eine österreichische Schriftstellerin, Dramatikerin, Kolumnistin, Malerin, Übersetzerin.
Foto: Michael Mazohl

Freibrief von Julya Rabinowich: Vom Budget & von Brettern im Kopf

Kolumne

Das Budget ist natürlich leider exakt das, was es ist: eine Katastrophe für alle. Und: Wir sind natürlich nicht dort, wo bereits Diktatur herrscht.

Gern schnallen wir den Gürtel enger, aber ... Die Bretter, die die Welt bedeuten, und jene, die man vor dem Kopf trägt, haben viel miteinander zu tun. Fast zu viel, mehr, als es einem lieb sein könnte. Genau genommen sind sie Antipoden: das eine das exakte Gegenteil des anderen und dennoch in vielerlei Arten verbunden. Und genau deswegen ist es ein fatales Zeichen, in Zeiten diverser Krisen an genau jenen Orten zu sparen, die Reflexion und die Besinnung auf das Urinnerste und das Begreifen von politischen Entwicklungen ermöglichen und, sehr grob umfasst, auf die gesamte Erfahrung der Menschheit, seit es Theater, Musik und Musiktheater gibt, zurückgreifen und sie für alle kommenden Generationen neu erlebbar machen.

Eine offene Gesellschaft braucht offene Bühnen. Offene Bühnen sorgen für gute Durchlüftung der Hirne und Herzen, für das Brennen der Seelen, sie sind der Biss in den Apfel der Erkenntnis, nur mit dem Unterschied, dass diese Erkenntnis nicht zu der Vertreibung aus dem Paradies führt, kein Paradise lost, sondern – ganz im Gegenteil – eine Myriade von Paradiesen found.

Paradiese, Parallelwelten, paradoxe Interventionen: eine Galaxis, sich ausdehnend von einem einzigen dunklen Raum mit einer erleuchteten Bühne. Und nun zu etwas ganz anderem, nämlich den Brettern, die nicht die Welt, sondern die Verbarrikadierung vor einer solchen bedeuten. Diese Bretter sind von unterschiedlicher Breite und Morschheit beschaffen, manche rauben den Blick zur Gänze, andere sind schmäler, kürzer und erfüllen die Aufgabe von Scheuklappen. Sie behindern Entwicklung und die Reifung der Persönlichkeit, sie machen empfänglicher für einfache Parolen, die einfache Lösungen versprechen. Mit den Parolen erscheinen nur allzu oft die dargebotenen Sündenböcke.

Es gibt Gründe, warum jedes autoritäre System die Kunst unterwerfen möchte. So weit, so sattsam bekannt, aus Geschichtsbüchern, Funk und Fernsehen. Schon in dem prophetischen Buch „Die Stadt ohne Juden“ von Hugo Bettauer wird vermerkt, wie eine Hauptstadt verdorft, sobald sie ihrer kulturellen Identität beraubt wird – und das weit vor der Machtergreifung Hitlers. Die angepeilte geistige Selbstverzwergung inklusive. Und jetzt sind wir endlich dort, wohin die Nennung der Antipoden-Bretter uns führen sollte: In Zeiten von Krisen wäre es fatal, gerade dort massiv zu sparen, wo das Gegenprogramm zum Verzwergen gespielt wird.

Ja sicher, werden jetzt viele sagen, verständlich. Aber: Wir müssen eben den Gürtel enger schnallen. Aber bitte nicht so, dass der Kopf dabei luftleer wird! Das Budget ist natürlich leider exakt das, was es ist: eine Katastrophe für alle. Und: Wir sind natürlich nicht dort, wo bereits Diktatur herrscht. Wir sind aber da, wo demnächst ein paar Weggabelungen erreicht werden, die einen guten oder einen weniger guten Ausgang bieten. Diese Weggabelungen liegen in keiner allzu fernen Zukunft. Da darf man sich nichts vormachen. Nein, wir müssen uns dessen sehr bewusst sein: Die Demokratie ist nichts, das in Felsen gemeißelt ist. Sie ist etwas Volatiles, mittlerweile etwas Zerbrechliches. Jedes Begreifen, was Unfreiheit bedeutet, jedes Bewusstwerden, was kritisches Denken ausmacht, könnte das Zünglein an einer zukünftigen Waage sein. Ja, das Budget ist bedrohlich knapp und verlangt Opfer. Jetzt geht es um ein Augenmaß. Ein Abgleiten in Autokratie wird noch wesentlich mehr Opfer verlangen.

Erschienen in
Bühne 10/2025

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