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Billi Thanner: „Die Reise, auf der wir alle sind, sollte auch Spaß machen.“

Billi Thanner: „Die Reise, auf der wir alle sind, sollte auch Spaß machen.“
Foto: Katharina Schiffl

Billi Thanner: Es werde Licht

Porträt

Künstlerin Billi Thanner hat bereits erfolgreich die Himmelsleiter erklommen. Nun strebt sie auf den Türmen der Votivkirche nach Unendlichkeit.

Freiheit ist ein zentraler Begriff im Leben sein von Vorurteilen gegenüber anderen Menschen, deren Wert sich nicht an ihrer Herkunft, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung bemisst. „Das schubladisierte Gehirn“ heißt nicht umsonst eines ihrer älteren Werke, das den Wunsch nach einer offenen, vielfältigen, geografische und kulturelle Grenzen überwindenden Gesellschaft symbolisiert.

Sie selbst ist eine Weltenbürgerin, aufgewachsen in Kroatien, den USA und Österreich. Tätig in Wien, präsent überall dort, wo man sich für ihre Kunst interessiert. Billi Thanner studierte Malerei an der Akademie der bildenden Künste, stellt aber den Inhalt vor die Wahl des jeweiligen Kommunikationsmittels. Sie ist Konzeptkünstlerin, Vertreterin des zeitgenössischen Aktionismus und arbeitet mit Rauminstallationen genauso wie mit plastischen Interventionen, Skulpturen – oder eben auch mit Malerei. „Als ich 27 Jahre alt geworden bin, habe ich beschlossen, voll und ganz Künstlerin zu sein. Der Weg war ganz bestimmt nicht leicht, aber alternativlos.“

Schutzmasken für Bäume

2007 gründete sie via Social Media eine spartenoffene Armee. „Ich verstand mich als Kunst-Kriegerin – eine Pazifistin, die für Harmonie und unterschiedliche Ausdrucksformen einsteht. Ich habe dafür ein Manifest geschrieben, es gepostet und innerhalb kürzester Zeit 3000 Mitglieder gewonnen. Zwei Jahre später wurde daraus offiziell eine bis heute bestehende Art Army, weil die Privatperson Billi Thanner laut Facebook-AGB keine Privatarmee haben darf.“

Zur ersten Performance, für die sie den Schauspieler Harald Jokesch als Sprecher engagierte, kamen zehn Personen. „Ich selbst war eine tote Diva. Inspiriert hat mich der Besuch einer Kunstmesse, wo die meisten Künstler*innen auch schon tot sind. Natürlich war das Ganze ein Protest gegen das System, bei dem Einzelne von bereits Verstorbenen, um die sie sich zu Lebzeiten nicht gekümmert haben, profitieren.“

Folgerichtig thematisierte ihre zweite Performance das Verhältnis zwischen Künstlerin und Galerist. Letzterer war dabei, ohne es zu wissen, der Zuhälter. Billi Thanner lacht oft und gern. Auch das unterscheidet sie von manchen Kolleg*innen. „Man muss Humor haben, sonst wird man gar nicht verstanden. Mir ist es wichtig, mich nicht zu ernst zu nehmen, die Reise, auf der wir alle sind, sollte auch Spaß machen.“ Ihr stetig steigender Bekanntheitsgrad speiste sich aus ungewöhnlichen Ideen. 2016 baute sie riesige Schutzmasken für Bäume in Peking und nannte die smogkritische Ausstellung im Museum of Contemporary Art Beijing „No Air, No Art“.

„Infinity“: das neue Kunstwerk von Billi Thanner auf den Türmen der Votivkirche.
Foto: Katharina Schiffl
„Infinity“: das neue Kunstwerk von Billi Thanner auf den Türmen der Votivkirche.

Kirchliche Interaktionen

In Österreich selbst nicht Kunstinteressierten bekannt wurde Billi Thanner durch die 2021 am Südturm des Stephansdoms applizierte 36 Meter hohe „Himmelsleiter“, deren 33 Stufen für ebenso viele Tugenden stehen und die heute an der St.-Lamberti-Kirche in Münster strahlt.

Der große Erfolg dieser Installation liegt, und da sind wir wieder beim Anfang, in der Interpretationsfreiheit, die sie jedem Betrachter bietet. Selbiges gilt auch für Billi Thanners neuestes spektakuläres Projekt: „Infinity“ – das leuchtende und verbindende Symbol der Unendlichkeit zwischen den Türmen der Votivkirche. „Ich habe größte Hochachtung vor historischer Bausubstanz, allein das Statikergutachten umfasst 130 Seiten. Die eigentlichen Türme werden allerdings gar nicht beansprucht“, so die Künstlerin. Man habe vielmehr ein nicht sichtbares Turm-im-Turm-System erdacht, das die Last des Kunstwerks auch bei Regen und Sturm zu tragen vermöge. Wie schon bei der „Himmelsleiter“ nimmt Billi Thanner dafür kein Honorar. „Dafür ist mir diese Arbeit zu wertvoll. Ich möchte nicht, dass das Thema Geld im Meinungsbildungsprozess darüber eine Rolle spielt.“ Außerdem gebe es „Wiederholungstäter“, die ihre Kunst kauften, sodass ihr Lebensunterhalt gesichert sei.

2026 dürfte für sie ein weiteres produktives Jahr werden. „Am 2. März eröffnet die Galerie Schloss Parz in Oberösterreich eine Sonderausstellung von mir. Und am 22. März darf ich nach Triest reisen, um Teil der Internationalen Frauenbiennale zu sein.“ Ihr Thema? „Die westeuropäische Frau in Balance.“

Erschienen in
Bühne 01/2026

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Klaus Peter Vollmann
Klaus Peter Vollmann
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