Die Sache mit dem grünen Fächer. „Ich habe vor zwanzig Jahren zum ersten Mal von Fritzi Massary gehört, als ich mit Regisseur Helmut Baumann in Bremen gearbeitet habe. Er meinte, ich schaue aus wie sie und müsse sie unbedingt spielen“, erklärt Ruth Brauer-Kvam die Anfänge ihrer Massary-Mania.

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Sie habe sich dann die einzige verfügbare Biografie besorgt und mit Staunen erfahren, dass Fritzi Massary, eine kleine jüdische Schauspielerin und Sängerin aus Wien, es im Berlin der 1920er- und frühen 1930er-Jahre zur wahren Berühmtheit geschafft hatte, für sie wurden sogar Operetten geschrieben.„Sie hat das Genre geprägt.“ Später überbrachte Arik Brauer seiner Tochter Ruth ein Kuvert von Theaterprinzipalin Topsy Küppers, in dem sich ein grüner Fächer, der früher Fritzi Massary gehört hatte, befand. „Damals dachte ich, jetzt muss es sein, und habe 2013 in den Kammerspielen einen kleinen Operettenabend gemacht, in dem auch sie vorkam.“

2024 ist es indes Zeit für die große Volksopernbühne, denn auch Massarys berühmter Ehemann Max Pallenberg, ebenfalls Wiener und als Schauspieler und Komiker nicht nur von Max Reinhardt geschätzt, ist ein Quell theatralischer Fülle. „Ich habe sofort gesagt, Max Pallenberg kann nur einer spielen: Robert Palfrader.“

Schlummernder Nestroy

„Ich hatte weder von Fritzi Massary noch von Max Pallenberg je etwas gehört“, bekennt der vor allem aus Kino- und TV-Filmen sowie als „Staatskünstler“ bekannte Schauspieler. „Ruth hat mich angerufen und gemeint, sie mache da so einen Abend, ob ich dabei sein wolle. Ich habe sofort Ja gesagt. Man musste mich nicht lange überreden, meine Entscheidungsgrundlage war Ruth Brauer-Kvam. Wir kennen einander seit Jahrzehnten und sind eng befreundet, haben aber noch nie miteinander gearbeitet. Ich durfte einmal bei einer privaten Gelegenheit ein paar Minuten ihrer Kunst erleben und war monatelang angetan davon. Auch wenn ich mich auf dünnes Eis begebe, wollte ich dieses Risiko unbedingt eingehen.“

Welche gesanglichen Geheimnisse schlummern in ihm? „Dunkle. Ich bin ein einziges Mal mit den Sportfreunden Stiller beim Donauinselfest aufgetreten.“ Das will nun wiederum Ruth Brauer-Kvam nicht unkommentiert lassen und betont, wie fasziniert der musikalische Leiter des Projekts, Adam Benzwi, nach nur drei Probetagen von Palfraders Coupletkünsten gewesen sei. „Ich träume ja davon, mit Robert Nestroy zu spielen. Es ist einfach zu schade, dass das nicht längst passiert ist.“

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Am Anfang der eher intim gehaltenen Show mit 18-köpfigem Salonorchester tritt Ruth (also Fritzi) als Huhn auf. „Und dann kommt dieser schräge Vogel dazu“, weist sie auf Robert alias Max. „Sie flirten, sie verlieben sich ineinander, und dann riecht man auch schon die Nazis.“ Es folgt die Flucht nach Österreich, wo Max Pallenberg 1933 bei den Salzburger Festspielen den Mephisto gibt. Ein Jahr später kommt er auf dem Weg nach Prag bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Fritzi Massary gelingt es, in die USA zu emigrieren, wo sie allerdings nie wieder an ihre Berliner Erfolge anknüpfen kann. Die dennoch heitere und mit flirrenden Liedern randvolle Geschichte ist Teil jenes Schwerpunkts, mit dem die Volksoper aktuell ihre eigene Vergangenheit während der NS-Zeit beleuchtet.

Ruth Brauer-Kvam
Ruth Brauer-Kvam ist als Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin erfolgreich.

Foto: Lukas Gansterer

Zur Person: Ruth Brauer-Kvam

ist als Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin erfolgreich. Sie spielte u. a. im Theater des Westens und am Landestheater Salzburg, war im Theater in der Josefstadt engagiert und ist aktuell vor allem an der Volksoper Wien und im Rabenhof Theater aktiv. Zudem verkörperte sie zahlreiche Film- und TV- Rollen – etwa in „Braunschlag“, „Tatort“ und „Vorstadtweiber“.

Russische Pipelines

Braucht es heute bereits wieder Mut, so etwas zu spielen? „Nein!“, antworten Ruth Brauer-Kvam und Robert Palfrader unisono. „Keinen Millimeter dem Antisemitismus, dem Rassismus und dem Faschismus, egal in welcher Verkleidung diese Phänomene gerade daherkommen. Angst, ein solches Thema aufzugreifen, habe ich nicht“, unterstreicht Robert Palfrader. „Wenn früher einer den Vorschlag gemacht hätte, eine Molkerei auf dem Mond zu errichten, hätte man ihm gesagt, dass sein Beitrag zu den Problemen der Welt wenig konstruktiv sei und er tunlichst den Mund halten sollte. Wenn sich heute ein paar Idioten in Potsdam treffen, um Schwachsinn zu besprechen, sind alle empört. Nicht, dass man das unkommentiert lassen sollte, aber es ist schon so, dass uns über die sozialen Medien via Pipelines aus Russland ins Hirn geschissen wird. Mit perfidesten Desinformationsmethoden, was furchtbar ist. Da muss man dagegenhalten. Dass die sozialen Medien noch keinen Weg gefunden haben, das zu unterbinden, liegt daran, dass sie es nicht wollen.“ Er selber habe die gängigen Reaktionen erlebt, als er sich als Vermittler für die Letzte Generation eingesetzt habe: „Tod und Hass.“

Und weil man es gar nicht oft genug sagen kann, musste dieser kleine Exkurs unbedingt sein! Welche Erwartungen setzen die beiden in „Ein bisschen trallalala"? „Große, weil ich mit Ruth arbeiten darf", so Robert Palfrader. „Mein Traum war immer, Schauspiel und Musiktheater zusammenzuführen, und ich finde es schön, dass sich die Operette nun langsam öffnet und dass es gelingt, dieser wahnsinnig verstaubten Gattung durch Wegbereiter wie Barrie Kosky neue Luft zuzuführen. So kann man sie auch für jüngeres Publikum interessant machen“, erläutert Ruth Brauer-Kvam.

Der grüne Fächer, so viel sei verraten, wird übrigens auch mitspielen.

Robert Palfrader
Robert Palfrader ist einer der erfolgreichsten Film- und Fernsehschauspieler Österreichs. Bekannt wurde er mit der ORF-Satire „Wir sind Kaiser“.

Foto: Lukas Gansterer

Zur Person: Robert Palfrader

ist einer der erfolgreichsten Film- und Fernsehschauspieler Österreichs. Bekannt wurde er mit der ORF-Satire „Wir sind Kaiser“ und – gemeinsam mit Florian Scheuba und Thomas Maurer – als „Staatskünstler“. Er spielte u. a. Hauptrollen in „Braunschlag“, „BÖsterreich“, „Altes Geld“ und „Totenfrau“. Am 15. Februar kam sein Buch „Ein paar Leben später“ über seine väterlicherseits ladinische Familie auf den Markt.

Hier zu den Spielterminen von „Ein bisschen trallalala"!