Für Roland Geyer ist Thomas Guggeis der „vielleicht international größte Erfolg des Theaters an der Wien“. Zum Finale seiner Intendanz zeigt er „Peter Grimes“ daher noch einmal. Regisseur Christof Loy hat die mit einem „Inter­national Opera Award“ prämierte Produktion 2015 inszeniert. Tenor Eric Cutler trifft dafür als neuer Peter Grimes auf alte, gefeierte Bekannte wie Andrew Foster-­Williams und Agneta Eichenholz. 

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Thomas Guggeis, der im Theater an der Wien bereits Webers „Oberon“ geleitet hat, steht diesmal statt Cornelius Meister im Graben. Das bürgt für Kontinuität. ­Guggeis begann 2016 als Assistent von Daniel Baren­boim an der Berliner Staatsoper. Der Maes­tro riet dem Anfänger, sein Dirigierglück besser woanders zu versuchen. „Es hat sich dann perfekt ergeben, dass ein Angebot aus Stuttgart von Cornelius Meister kam, als Kapellmeister zu arbeiten.“ 

Davor gelang in Berlin noch das sensationelle Einspringen für Christoph von Dohnányi in einer neuen „Salome“. Guggeis trat 2018/19 an der Staatsoper Stuttgart ­daher nicht mehr an, um seine ersten Schritte zu machen, aber dennoch viel von Cornelius Meister zu lernen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. 

So gerüstet ging es als „Staatskapell­meister“ zurück nach Berlin, wo „ich vor der Pandemie noch ein halbes Jahr sehr schöne Aufgaben wahrnehmen durfte“.

Das Schlagzeug war auch für mich früh ein Thema. Aber nicht die große Liebe."

Thomas Guggeis

Pauke gegen Physik

Eine „dezidierte Musikneigung“ gab es in seiner Familie nicht. Nur ein Onkel war „Pauker, Profimusiker. Das Schlagzeug war daher auch für mich früh ein Thema. Aber nicht die große Liebe“. Die wurde das Klavier. Guggeis studierte schließlich Dirigieren – und Quantenphysik. „Ich habe beides mit dem Bachelor abgeschlossen, aber entschieden, weil mich die Musik fasziniert hat, es als Dirigent zu versuchen.“ Er gab sich fünf Jahre. „Die sind jetzt ziemlich herum. Ich bin 28 und sehr glücklich mit der Entscheidung.“ „Peter Grimes“ dirigiert Guggeis zum ersten Mal. Benjamin Britten und sein Partner, Tenor Peter Pears, waren 1939 vor dem Krieg in die USA geflüchtet, auch in der Hoffnung, ihre schwule Beziehung dort offener leben zu können. Doch das Paar kehrte bereits 1942 wieder zurück. Davor war Britten auf George Crabbes Roman „The Borough“ gestoßen. Darin wird das Leben in einem Fischerdorf in Suffolk geschildert, woher auch Britten stammte. 1944/45 komponierte er „Peter Grimes“, der dann in London zum Triumph geriet.

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Biografie im Fokus

So wie in vielen seiner Opern lässt Britten auch im „Grimes“ vieles unausgesprochen und offen. Christof Loy hat sich für eine konkretere Gangart entschieden. Er zeigt das Drama eines Homosexuellen, der an den Umständen und der Gesellschaft zerbricht. Für Guggeis ist es „eine schlüssige Sicht. Gerade mit Blick auf Britten und Peter Pears, dem ersten Grimes, ist das sinnvoll. Man kann sich schon vorstellen, wie schwierig es für einen solchen Menschen ist, in einer Dorfgesellschaft zu leben, die einen konstant beobachtet und schnell zum Außenseiter machen kann. Diese biografische Perspektive hat Loy stark und überzeugend, aber mit großer Feinheit herausgearbeitet.“ 

Wie schwierig ist es eigentlich für einen 28-jährigen Dirigenten, vor ein ausgewachsenes Orchester zu treten? „Unproblematisch“, so Guggeis, der im Februar mit der ­„Toten Stadt“ auch an der Wiener Staatsoper de­bütieren wird. Er berichtet: „Natürlich schauen die Musiker die ersten fünf Minuten ganz genau, was man tut: Was sind die ersten Worte, was korrigiert man als Erstes. Ganz selten gibt es eine kritische Nachfrage. Dann muss man die richtige Antwort parat haben. Es gab immer sehr junge Dirigenten. Karajan oder Celibidache haben früh sehr große Orchester dirigiert. Es geht letztlich um künstlerische Qualität. Wenn man die – egal in welchem Alter – liefern kann, dann funktioniert es.“

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