Auf der Probebühne der Wiener Kammerspiele wartet ein Sesselturm auf Johanna Mahaffy. Nicht etwa, um damit die Schwindelfreiheit der Schauspielerin auf die Probe zu stellen, sondern als mögliches Motiv für unser Fotoshooting. Weil es keine 60 Sekunden dauert, bis die 22-Jährige den obersten Sessel erklommen hat, könnte die Konstruktion durchaus als „One Minute Sculpture“ bezeichnet werden. Obwohl diese Interpretation des Begriffs nicht ganz der gängigen Definition entspricht, wäre der mit diesem Ausdruck in Verbindung gebrachte Künstler gewiss damit einverstanden. Wenn nicht, dann überzeugt Johanna Mahaffy ihn bestimmt davon. Und braucht dafür garantiert weniger als eine Minute. Diese Überzeugungskraft strahlt die junge Schauspielerin auch auf der Bühne aus. Wie auch ihre Liebe für das Theater, die sie im Gespräch immer wieder durch die Begriffe „Leidenschaft“ und „Hingabe“ ersetzt.

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Weil sie mit ihrer Energie und ihrem selbstbewussten Auftreten auch das Theater in der Josefstadt für sich gewinnen konnte, wurde Johanna Mahaffy direkt nach Abschluss des Max Reinhardt Seminars ans Haus geholt. Für die frischgebackene Absolventin ging damit ein Wunsch in Erfüllung, den sie schon während des Studiums mit sich herumgetragen hatte. „Auch deshalb, weil ich direkt nach der Schauspielschule spielen und mich in einem Ensemble ausprobieren wollte.“ Die Möglichkeit, genau das zu tun, findet sie in dieser Spielzeit unter anderem in Claus Peymanns Inszenierung von Ionescos „Der König stirbt“, die am 25. September in den Kammerspielen Premiere feiert. An ihrer Rolle – sie spielt ein Hausmädchen namens Julchen – reizt sie unter anderem, dass sie in ihrer eigenen Welt lebt und dabei einem ganz eigenen Rhythmus folgt, der sie manchmal sogar ein wenig clownesk erscheinen lässt. 

Johanna Mahaffy in den Proberäumlichkeiten der Kammerspiele.

Foto: Marko Mestrovic

Gemeinsames Ausprobieren

Die Arbeit mit Claus Peymann, der zum ersten Mal in den Kammerspielen inszeniert, empfand die im Wienerwald aufgewachsene Schauspielerin als sehr intensiv. „Es ist eine unglaublich genaue und sehr detaillierte Arbeit“, erklärt sie. „Außerdem ist er nicht daran interessiert, die Spieler:innen nach seinen Vorstellungen zu inszenieren, sondern schaut sich zuerst an, was sie anbieten.“ Dieses gemeinsame Entwickeln einer Figur, dem eine große Freiheit innewohnt, passt gut zu Johanna Mahaffys Wunsch, möglichst viele Facetten ihrer eigenen Persönlichkeit zu erforschen. Geht es nach ihr, sollte man sich diesen inneren Drang, sich auszuprobieren und neu zu entdecken, unbedingt bewahren. „Im Idealfall ist es dabei egal, an welchem Haus man gerade spielt und mit wem man zusammenarbeitet“, fügt sie hinzu. 

Auch wenn sie in dieser Spielzeit „die Neue“ im Ensemble der Josefstadt ist, kennt sie das Haus bereits ein bisschen. 2019 – Johanna Mahaffy war damals im zweiten Studienjahr – spielte sie im Stück „Eine Frau – Mary Page Marlowe“ die junge Version der Hauptfigur. „Ich hatte schon damals das Gefühl, genug Freiraum für eigene Interpretationen und Ansätze zu haben. Außerdem bin ich total herzlich im Ensemble aufgenommen worden". Auch jetzt – als jüngstes festes Ensemblemitglied – fühlt sie sich im Josefstadt-Ensemble gut aufgehoben. Für sie sei der Prozess, den eigenen Platz am Haus zu finden, eher motivierend als einschüchternd, ergänzt sie mit entschlossenem Gesichtsausdruck. „Jedes Ensemblemitglied bringt eine andere Kraft mit sich. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Und ich glaube, dass jede und jeder voneinander lernen und sich gegenseitig in den Prozessen bereichern kann.“

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Traumjob Schauspielerin

Über all dem steht die Liebe für die Schauspielerei, die im Fall Johanna Mahaffys sofort in Spielfreude übersetzt wird. Das war auch am Max Reinhardt Seminar bald allen klar, weshalb sie sich in vielen verschiedenen Rollen ausprobieren durfte.Ihr ausgeprägter Spieltrieb könnte auch der Grund dafür sein, dass sie hin und wieder auch im Schlaf noch weiterprobt.

„Das hat manchmal auch Vorteile“, ergänzt sie lachend, „weil ich im Traum oft Dinge herausfinde, die ich dann auf der Probe verwenden kann.“ Entzündet wurde Johanna Mahaffys Theaterfieber bei den „Geschichten aus dem Wiener Wald“. „Nachdem ich dieses Stück gesehen hatte, war mir klar, dass das mein Weg sein wird. Plan B gab es für mich keinen“, so die Schauspielerin. Von 2012 bis 2015 war sie Mitglied der Jungen Burg und ab 2014 Teil des Jungen Ensembles Hörbiger. 2017 begann sie am Max Reinhardt Seminar zu studieren – „fast schon in diesem Haus zu leben“, wie sie voller Liebe für diese Zeit hinzufügt.

Wenn man sie auf der Bühne sieht oder beim Fotoshooting beobachtet, fällt es schwer zu glauben, dass Johanna Mahaffy als Jugendliche eher schüchtern war. „Dann habe ich mit dem Theater begonnen und es geliebt, mit dieser Scham zu spielen“, erinnert sie sich. „Auf der Bühne war ich plötzlich total selbstbewusst – also mir selbst bewusst. Was eigentlich paradox ist, weil man sich auf der Bühne ja ständig verwandelt". Durch das Spielen habe sie, wie sie erklärt, Seiten an sich kennengelernt, die vorher irgendwo tief in ihr vergraben waren. „Plötzlich hatte ich Zugang zu diesen Emotionen“, bemerkt sie abschließend. Und eine aussichtsreiche Zukunft vor sich – mit oder ohne Sesselturm. 

Licht- und Schattenspiele. Für das BÜHNE-Fotoshooting in den Kammerspielen wurde ein gelbes Leintuch zerrissen.

Foto: Marko Mestrovic

Zur Person: Johanna Mahaffy

Studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar. Davor sammelte sie im Jungen Ensemble Hörbiger und bei Produktionen der Jungen Burg schon erste Schau­spiel­erfahrungen. Seit dieser ­Saison gehört sie zum Josefstadt-Ensemble.

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