Das beliebte Motiv der Hosenrolle sorgt auch in diesem „Dramma sentimentale in einem Akt“ aus dem Jahr 1805 für Konfusion – und treibt zugleich die Handlung voran. Diese lässt sich allerdings nur einigermaßen umständlich erklären, will man sie tatsächlich erfassen.

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Schauplatz ist ein polnisches Zuchthaus, in dem der Gefängniswärter Peters das Sagen hat. Er engagiert den jungen Malvino als Hilfskraft, der in Wirklichkeit die junge Zeliska ist, die, als Mann verkleidet, ihren inhaftierten Gatten Amorveno, der wiederum vom grausamen Gouverneur Moroski zum Tode verurteilt wurde, zu retten wünscht. Peters Tochter Floreska verliebt sich in Malvino und möchte ihn heiraten, was dieser aus naheliegenden Gründen taktvoll ablehnen muss. Lieber möchte er gemeinsam mit Peters den Gefangenen Amorveno aufsuchen, wogegen nun wiederum Peters etwas einzuwenden hat, da Todgeweihte keine Besuche empfangen dürfen.

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Gouverneur Moroski hat den armen Amorveno übrigens nur deshalb in den Kerker werfen lassen, weil er selber in Zeliska verliebt ist. Schließlich wird auch noch ruchbar, dass sich Prinz Ardelao auf den Weg gemacht hat, um Amorveno zu befreien, weshalb Moroski nun umgehend des Nebenbuhlers Tod befiehlt. Ausführen soll die Tat Peters. Gemeinsam mit Malvino sucht er Amorveno in dessen Zelle auf, wo auch Moroski erscheint, um die Ausführung seines Plans zu überwachen. Als Peters sich weigert, Amorveno zu töten, versucht es Moroski selbst, wird jedoch von Malvino vulgo Zeliska, die sich nun als Ehefrau des Delinquenten zu erkennen gibt, daran gehindert. Nun trifft endlich auch Prinz Ardelao im Gefängnis ein und ordnet die sofortige Haftentlassung Amorvenos sowie die Hinrichtung Moroskis an. Zeliska und Amorveno vergeben jedoch reinen Herzens ihrem Peiniger und plädieren erfolgreich für ein milderes Strafmaß. Alle gemeinsam preisen nun die Gattenliebe – eben „L‘amor coniugale.“

Beispielloser Triumph

Der gebürtige Bayer Johann Simon Mayr, Sohn eines Organisten und selbst studierter Theologe, Jurist und Philosoph, komponierte mehr als 60 Opern und wird heute als eine Art Bindeglied zwischen den Komponisten des 18. und jenen des 19. Jahrhunderts gesehen. „L’amor coniugale“ – am 26. Juli 1805 am Teatro Nuovo in Padua uraufgeführt – wurde für ihn ein außergewöhnlicher Erfolg und mehrte seinen Ruhm. Napoleon Bonaparte wollte ihn zum Musikdirektor der Oper in Paris machen, Constanze Mozart bat ihn, ihren Sohn musikalisch auszubilden – beides lehnte er ab –, und Giuseppe Verdi reiste 1845 extra zu seinem Begräbnis an. Dennoch geriet Johann Simon Mayr noch im 19. Jahrhundert in Vergessenheit und wurde erst 2010 durch Hans Neuenfels‘ Inszenierung von „Medea in Corinto“ an der Bayerischen Staatsoper wiederentdeckt.

Konzertantes Erlebnis

Im MusikTheater an der Wien – Außenstelle Halle E / MuseumsQuartier – gelangt „L’amor coniugale“ am 24. September nichtszenisch zur Aufführung. Die musikalische Leitung übernimmt David Stern, Sohn des 2001 verstorbenen Violinvirtuosen Isaac Stern, der als Orchesterdirigent in jüngster Vergangenheit u.a. mit den Wiener Symphonikern, dem Kammerorchester Basel und den Lübecker Philharmonikern auftrat und als Chefdirigent der Palm Beach Opera fungiert. Er entwickelte zwei wichtige Akademien: 1998 im Rahmen des Festivals in Aix-en-Provence die Académie International d’Art Lyrique und 2003 die Opera Fuoco für Sänger*innen und Musiker*innen, die sich dem Spiel auf Originalinstrumenten widmen. Das Opera Fuoco Orchester wird auch „L’amor coniugale“ musikalisch gestalten.

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Gesanglich übernehmen Chantal Santon-Jeffery (Zeliska/Malvino), Olivier Gourdy (Peters), Andrés Agudelo (Amorveno), Natalie Pérez (Floreska), Bastien Rimondi (Ardelao) und Adrien Fournaison (Moroski) die Hauptrollen.

„L'amor coniugale“: 24.09.2023, Halle E / MuseumsQuartier. Tickets: theater-wien.at