„Metamorphosen“ lautet das Motto, das sich der neue Leiter Julian Rachlin gestellt hat, wenn er erstmals dem Herbstgold-Festival im Schloss Esterházy im Burgenland vorsteht. Und zahlreiche Veränderungen möchte der Dirigent und Violinist auch einbringen, wenn er von 15. bis 26. September Konzerte hochkarätiger Kollegen wie Daniele Gatti am Pult der Wiener Symphoniker, der Pianistin Yuja Wang, der Sopranistin Aida Garifullina, der Cellisten Mischa Maisky sowie Nicolas Altstaedt und viele mehr bringt. Auch Schauspiel – mit einem Gastspiel des Pygmalion Theaters Wien – sowie Jazz mit dem Janoska Ensemble und Saxophonist Tony Lakatos stehen auf dem Programm. Zudem wird Klaus Maria Brandauer aus Beethovens „Heiligenstädter Testament“- verbunden mit dessen Streichquartett „Große Fuge“ – lesen. Und eine ganz persönliche „Metamorphose“ hat ORF-Kulturchef Martin Traxl vor. Er inszeniert mit Joseph Haydns Dramma giocoso „Lo Speziale“ erstmals eine Oper. 

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Wenn der Funke überspringt

BÜHNE: Wie ist der Seitenwechsel für Sie und warum wollten Sie diesen gerne machen?

Martin Traxl: Aufregend. Ich gehe eigentlich aus reiner Neugierde dran. Es geht mir überhaupt nicht darum, etwas zu beweisen nach dem Motto, ich wisse es besser. Ich weiß gar nichts besser. Ja, ich habe viel gesehen und verdanke den Abenden in der Oper unzählige schöne Stunden. Es hat mich gereizt, die Arbeit, die dahintersteckt, noch genauer kennenzulernen.

Auch, wenn wir als Journalisten immer wieder Einblicke bekommen, ist es doch etwas anderes, einmal ein paar Stunden hinter die Kulissen zu schauen, als 14 Stunden am Stück durchzuproben. Trotz der harten Arbeit ist es extrem beglückend, wenn plötzlich der Funke überspringt und man merkt, etwas, das man mehrfach geprobt hat, geht auf. Aber nochmals: Nicht ich weiß, wie es geht, sondern ich habe von Anfang an allen Beteiligten gesagt, sie mögen mir gerne Dinge anbieten. Ich sehe, was wir hier tun, als Teamwork.

Kompaktes Stück

Wer hat Sie dafür gewonnen, bei „Lo Speziale“ von Haydn erstmals Regie zu führen?

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Martin Traxl: Julian Rachlin selbst. Wir kennen uns schon lange und als wir einmal mehr oder weniger privat zusammensaßen, meinte er: „Du machst so viel Verschiedenes, gibt es etwas, von dem du träumst?´" Und tatsächlich hege ich schon länger den Wunsch - wie vielleicht viele Menschen  insgeheim - einmal eine Oper zu inszenieren. Er sagte: „Weißt du was, mach´s bei mir."

Haben Sie das Stück mit ausgewählt oder stand es schon fest?

Martin Traxl: Der Titel war schon festgelegt, Julian hat ihn gemeinsam mit Daniel Serafin ausgewählt. Nachdem er sich für heuer das Motto „Metamorphosen“ gesetzt hat – wohlgemerkt noch vor der Pandemie – passt die Geschichte rund um einen Apotheker mit dem Verwandlungsthema und dem Wechsel von Zuständen gut. Ich habe es mir angehört und rasch „Ja" gesagt, weil es einerseits eine große Ehre und Chance ist und andererseits mit einer Stunde 20 Minuten ein kompaktes Stück. Das ist für ein Greenhorn wie mich schon lang genug.

Inwiefern hilft Ihnen die Erfahrung als Kulturjournalist?

Martin Traxl: Dadurch, dass ich so viel gesehen habe, weiß ich, welche Fehler man machen kann, in welche Fallen man tappen kann. Ich merke schnell, wenn etwas zu bemüht und zu steif daherkommt. Gerade ein Werk wie dieses muss man fein und subtil machen, damit es nicht peinlich wird.

Ich arbeite natürlich auch mit Überzeichnung, da es nun mal ein Commedia dell´Arte-Stoff ist, eigentlich eine Petitesse. Aber es ist ein Unterschied, ob man die große historische Geste sucht oder die Gestik des modernen, jungen, italienischen Menschen. Ich versuche meine Sänger zu ermuntern, so zu agieren, wie sie es im Alltag tun. Auch beim Bühnenbild arbeiten wir mit den Mitteln der Überzeichnung, alles ist ein wenig zu groß.

Generell modernisieren wir nicht krampfhaft, es wird niemand mit dem Handy anstatt mit einem Rezept herumlaufen, aber um historisch zu sein, stimmen wieder andere Details nicht. Es ist irgendwo zwischen Haydn und heute verortet.

ORF-Kulturchef Martin Traxl wechselt erstmals die Seiten und gibt sein Debüt als Opernregisseur beim Herbstgold-Festival mit Joseph Haydns „Lo Speziale - Der Apotheker Hob. XXVIII:3".

Foto: ORF

Haydn selbst tritt auf

Inwiefern haben Sie die Handlung abgewandelt?

Martin Traxl: Ich habe eine zusätzliche Figur eingeführt und auch selbst den Text für sie geschrieben. Und während der Proben sogar noch nachgeschärft und zugespitzt. Haydn selbst wird mitwirken, aber das ist nicht einfach als Gag gedacht, sondern es ging darum, damit umzugehen, dass die Musik des 3. Akts leider nur sehr fragmentarisch erhalten ist.

Ich wollte nicht, dass die Sänger in diesem nur sprechen. Der Dirigent wollte nichts Nachkomponiertes, sondern wollte beim Original bleiben. Also überbrückt Schauspieler Thomas Kamper in der Rolle des Joseph Haydn diese Lücke, indem er darüber spricht, dass er nicht fertig geworden ist. Er führt wie eine Art Zeremonienmeister durch diesen dritten Akt. So wird das temporeich und wir können im Anschluss die folgenden Musiksequenzen schön präsentieren.

Man hat mir ganz freie Hand gelassen, wie ich mit dem dritten Akt umgehe. Durch die Idee, einen Schauspieler einzubringen, ist es fast ein wenig modern geworden. Es gab ja zuletzt mehrere Operninszenierungen, in denen auch Schauspieler auf der Bühne standen, aber ich mache es nicht aus der Mode heraus, sondern weil es der Situation enorm hilft. Und – verrate ich jetzt schon zu viel? – Haydn wird auch am Beginn der Oper zu sehen sein, wenn ich mit dem Begriff der Apotheke spiele und ihn seine Figuren auf der Bühne erschaffen lasse – und zeige, wie er von der Realität eingeholt wird, dass die Zuschauer nun schon da sind, obwohl er die Komposition noch gar nicht abgeschlossen hat.

Eine Oper über eine starke junge Frau

Und dann geht’s los mit der eigentlichen Handlung – was gefällt Ihnen an dieser?

Martin Traxl: Man möchte meinen, dass es ein Macho-Stück ist, wenn drei Männer auf dieselbe Frau spitzen. Aber in Wirklichkeit ist sie die Hauptfigur, die genau weiß, was sie will – den Apotheker sicher nicht. Es ist eine Oper über eine starke junge Frau, die weiß, wo es lang geht – und ein Werk über männliche Eitelkeit und den Irrglauben, dass sie von ihnen abhängig ist.

Dieser gesellschaftskritische Aspekt kommt sehr witzig daher, ohne erhobenen Zeigefinger. Der Text enthält eine gewisse Frechheit und zahlreiche Andeutungen, um nicht zu sagen, Anzüglichkeiten. Man muss vorsichtig damit umgehen, damit es nicht billig wird. Ich habe diese Oper mit allen Bezügen zum Alltag der einfachen Menschen sofort ins Herz geschlossen.

Was ist für Sie die größte Herausforderung?

Martin Traxl: Ich bin Team-Arbeit von Filmen gewohnt, aber trotzdem ist man dabei in der Dramaturgie und dem Tempo relativ frei. Hier jedoch ist die Musik Stütze, aber auch Korsett, sie gibt Rhythmus und Tempo vor, man muss die Akzente dort setzen, wo die Komposition sie erfordert. Das ist für mich der größte Unterschied zu dem, was ich bisher gemacht habe – und die größte Herausforderung.

Ich war ja selbst in jungen Jahren aktiver Musiker in einem Orchester und einer Band. Eigentlich ist die Musik sogar die Basis meiner gesamten Kunstliebe – und es ist schön, zu den Wurzeln zurückzukehren und noch besser zu verstehen, wie Musik Emotionen transportiert.

Können Sie sich die Opernregie als weiteres Standbein vorstellen?

Martin Traxl: So weit sind wir noch nicht. Ich bin wahnsinnig froh, wenn ich diese erste Arbeit hinter mir habe. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass ich wieder einmal eine Oper inszeniere, vielleicht ergibt sich ja erneut etwas. Die Freude und der Eifer sind da. Aber ein Berufswechsel ist definitiv nicht geplant.

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