Der Weg war nicht der gleiche. Das Ziel haben beide erreicht. Ketevan Papava, Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts, hatte gar keine andere Wahl. „Drei der fünf Schwestern meiner Mama waren Balletttänzerinnen, ich habe schon als Kind Vorstellungen besucht, alte Spitzenschuhe geschenkt bekommen und bald selbst getanzt“, erklärt die gebürtige Georgierin. „Ich könnte mir gar nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Als ich meine erste Gage bekommen habe, dachte ich, okay, ich verdiene mit etwas, das ich so sehr liebe, auch noch Geld. Der Tanz war bei mir also immer da.“ 

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Ganz anders bei Robert Weithas. In Innsbruck aufgewachsen, war er zunächst Kunstturner, ging mit 14 Jahren aber nach Wien, um an der Ballettakademie der Staatsoper zu studieren. „Hundertprozen­tig sicher, dass ich Tanzen als Beruf ausüben möchte, war ich erst, als ich in der Kompagnie begonnen habe. Die Schule war klarerweise sehr strikt, es wird hauptsächlich Technik vermittelt. Erst als ich zum Staatsballett gekommen bin, habe ich das, was Tanzen ausmacht – die Kunstform, das Gemeinschaftsgefühl –, kennengelernt. Erst dann wurde mir klar, dass meine Entscheidung richtig war.“

Robert Weithas. Im Ensemble des Wiener Staatsballetts beeindruckte er u. a. als Schatten in „Peter Pan“ und als Junger Mann in „Carmina Burana“. Zudem ist er passionierter Autor, verfasst Kurzgeschichten und ­arbeitet ­gerade an seinem ersten Roman.

Foto: Andreas Jakwerth

Barfuß – mit Chor und Orchester 

Ende September feiern die beiden nun Premiere mit „Ein Deutsches Requiem“ von Johannes Brahms – in der Choreo­grafie von Wiener-Staatsballett-Direktor Martin Schläpfer. An der Volksoper Wien steht aber nicht nur das Ballett auf der Bühne, sondern auch eine Sopranistin (Athanasia Zöhrer alternierend mit Rebecca Nelson), ein Bariton (Alexandre Beuchat alternierend mit Günter Haumer) sowie Chor und Zusatz­chor der Volksoper Wien, dessen Orchester unter der musikalischen Leitung von Christoph Altstaedt die Totenmesse intoniert. „Die Energie ist eine andere, stärkere“, erklärt Ketevan Papava.„Man ist nicht allein auf der Bühne, sondern umgeben von Menschen.“ Robert Weithas, der auch schon in „Carmina Burana“ mit einem Chor aufgetreten ist, ergänzt: „Zuerst trifft die Kraft des Chors, der hinter uns steht, auf uns Tänzerinnen und Tänzer; unsere Aufgabe ist es dann, diese Kraft zu verstärken und ans Publikum weiterzugeben.“ 

Und genau dieses Publikum ist von der Arbeit des Staatsballetts dermaßen angetan, dass es, als wieder aufgetreten werden durfte, die Vorstellungen regelrecht gestürmt hat. Martin Schläpfer lässt „Ein Deutsches Requiem“ beinahe durchgehend barfuß tanzen. „Das hat, metaphorisch gesprochen, eine größere Spiritualität, es schleift diese harmonischen Fugenwellen von Brahms ab, man hat eine stärkere Verbindung zum Boden und arbeitet kantiger“, präzisiert er. „Es hat überhaupt nichts Religiöses, Brahms selber war es auch nicht wirklich. Aber der Tanz in sich ist religiös, der Akt des täglichen Einstimmens des körperlichen Instruments, das Schwitzen. Insofern ist Tanz prädestiniert für solche Werke, ohne dass man eine Jesusfigur kreiert oder einen religiösen Kontext vermittelt.“ 

Das sehen auch seine Tänzer:innen ähnlich. „Es ist zwar eine Toten­messe, aber schön und leicht, es hat eine Kraft, die treibend ist“, so Robert Weithas. Kollegin Ketevan Papava empfindet Dynamik, Stärke und vor allem Liebe. 

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Ballett, so meinte Martin Schläpfer in der Progammpräsentation der Volksoper, sei eine Gattung, die den Menschen nicht immer einfach zu vermitteln sei. „Das stimmt“, pflichtet ihm Robert Weithas bei. „Wenn ich Musik höre, habe ich sofort etwas, das ich damit verbinden kann. Beim Tanz ist das schwieriger, dafür aber oft auch viel tiefer. Tanz ist Unterhaltung und Bildung. Die Menschen müssen mehr denken, um darin etwas zu sehen.“ Lassen sie sich darauf ein, werden alle Sinne angesprochen. „Bei Vorstellungen wie ‚Carmen‘, ‚Onegin‘ oder ‚Anna Karenina‘ sieht man oft Menschen, die vollkommen leer in den Saal kommen und am Ende weinen. Und wir erzeugen diese Emotion“, ergänzt Ketevan Papava. 

Physische Präsenz

„Wir erzählen beim Ballett Geschichten mit unserem Körper. Deswegen ist es auch nicht Sport, sondern Kunst“, so Ketevan Papava. Dass dieser Körper dafür nahezu täglich trainiert werden muss, ist ein Fakt. „Ballett ist komplett gegen die Natur, alleine die Art, wie wir gehen“, sagt sie und lacht. „Bei einer schwierigen Rolle ist es tatsächlich so, dass man schon nach zwei Tagen Pause nicht mehr in Form ist.“ 

Für Robert Weithas ist die richtige Arbeitseinstellung das Um und Auf. „Deinen Körper über die Grenzen hinaus zu pushen, bis es wehtut und er dir klar signalisiert, dass er das nicht will, geschieht ja im Kopf. Natürlich ist beim Ballett auch die Form der Gliedmaßen relevant, aber das Wichtigste ist die Bereitschaft, immer wieder noch einen Schritt weiter zu gehen.“ 

Sollte das einmal nicht mehr in der Form möglich sein, möchte sich Robert Weithas „auf jeden Fall“ der Choreografie zuwenden, mit der er sich schon jetzt intensiv beschäftigt. Ketevan Papava möchte das „auf gar keinen Fall“. Eher könnte sich die Mode-Ambitionierte schon eine Zukunft als Kostümbildnerin vorstellen. Aber bis dahin bleibt zum Glück noch sehr viel Zeit. 

Alle Infos „Ein Deutsches Requiem"

ab 30. September

Wiener Volksoper

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