Ganz ohne Geier geht es bei La Wally nicht. Der Greifvogel hat Walburga „Geierwally“ Stromminger im Heimatroman der Wilhelmine von Hillern berühmt gemacht. In der Oper ist er eliminiert, schwebt aber dennoch mit, wenn Barbora Horá­ková inszeniert, als „wichtiges Symbol für die Stärke Wallys, für diese Wildnis in Wally selbst“. 

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Berühmte Interpretinnen

Die Münchnerin von Hillern stieß auf ihr Role-Model, als sie in Innsbruck ein Selbstporträt der Malerin Anna Stainer-­Knittel sah. 1858 hatte diese mutig einen Adlerhorst ausgehoben, um die Schafe vor den Vögeln zu schützen. Denn nach einem Unglück im Jahr davor fand sich kein Freiwilliger, worauf sich die 17-Jährige in den Horst abseilen ließ. Im Roman räumt Walburga einen Geierhorst aus und behält ein Junges. 

Catalanis Oper zählt zu den bekannteren Verismo-Raritäten, besitzt mit Wallys Arie „Ebben? Ne andrò lontana“ einen Schlager, den Maria Callas, Renata Tebaldi oder Anna Netrebko gesungen haben, der auch dank dem Film „Diva“ (1981) populär wurde. 

Stolz, Versöhnung, Tod

Wally ist die einzige Tochter des reichsten Bauern im fiktiven Dorf Hochstoff, die in der patriarchal geprägten Dorfgemeinschaft aneckt. Statt den vom Vater bestimmten Gellner zu heiraten, zieht sie in die Berge. Als reiche Erbin kehrt sie zurück.

Giuseppe Hagenbach aus Sölden, den sie heimlich liebt, raubt ihr aufgrund einer Wette beim Tanz einen Kuss. Gedemütigt stiftet Wally Gellner zum Mord an Hagenbach an, der sich längst in sie verliebt hat. Er überlebt, sie vermacht ihm reuig ihr Vermögen, zieht wieder in die Berge. Im Winter steigt er zu ihr hinauf, will sie heimholen. Endlich sind sie vereint. Wally gesteht ihre Tat, er verzeiht. Beim Abstieg gerät er unter eine Lawine. Sie stürzt sich ihm nach. 

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Die polnische Sopranistin Izabela Matula ist in der Titelpartie in „La Wally" im Theater an der Wien zu hören.

Foto: Peter M. Mayr

La Wally: Tiroler Emanzipation

Regisseurin Barbora Horáková sieht dabei nicht nur die Liebesgeschichte, sondern „es geht auch um Emanzipation. Diese Wally ist eine außergewöhnliche Frau mit enormer Stärke, die nicht ins Schema einer Dorffrau passt. Dann gibt es noch die Natur und die Berge.“ 

Die werden auch im Bühnenraum präsent sein, mit Elementen, die die Kälte, die Weiten und Höhen zeigen, samt Wasserfall und Projektionen. Auch lässt Horáková offen, ob am Ende ein Selbstmord oder das Delirium, der Wahn einer Sterbenden steht, die sich die Seele vor dem Tod zu befreien sucht. 

Heimat finden

Der Stoff wirft auch die Frage nach Heimat auf. „Diese Dorfgesellschaft ist sehr düster dargestellt. Wally findet ihre Heimat womöglich in den Bergen, weil das ihrer Natur entspricht“, sagt Horá­ková, die in Prag geboren wurde und auch in der Schweiz studierte, wo sie heute lebt. Wo ist ihre Heimat? „Da haben Sie mich gut erwischt! Ich habe mich fast überall zu Hause gefühlt, wo ich Menschen hatte, mit denen ich gerne zusammen war. Wenn man älter wird, bekommt Heimat eine andere Bedeutung. Es ist eine schwierige philosophische Frage, die man nicht schnell beantworten kann. Seit einem Monat bin ich offiziell Schweizerin – und habe mich soeben bei meiner Arbeit in der Schweiz doch ganz fremd gefühlt, was mich überrascht hat.“ 

Polen ist ein sehr konservatives Land, und wir müssen stark kämpfen, daher kann ich mich auch sehr gut mit der Rolle identifizieren. Wir müssen uns genauso gegen eine männlich dominierte Gesellschaft wehren.

Izabela Matula

Die Heimat der Wally-Interpretin Izabela Matula ist Polen, das erzkatholische Land, das für seine antiliberale Haltung in Sachen Frauen- und Minderheitenrechte berüchtigt ist: „Polen ist ein sehr konservatives Land, und wir müssen stark kämpfen, daher kann ich mich auch sehr gut mit der Rolle identifizieren. Wir müssen uns genauso gegen eine männlich dominierte Gesellschaft wehren.“ 

Barbora Horáková insziniert am Theater an der Wien die Oper „La Wally".

Foto: Peter M. Mayr

Dirigieren statt Ballett 

Die Sopranistin wollte ursprünglich zum Ballett. Doch dann verliebte sie sich ins Klavier. Gesungen hat sie auch im Chor, war „als Teenager allerdings nur ein Jahr dort, bis der Lehrer meinte: Sorry, du singst zu laut. Meine Stimme war einfach zu stark.“ 

Sie studierte schließlich Dirigieren und Musiktheorie und erst nach zwei Jahren Gesang. Dabei blieb sie dann. Heute singt sie viel Puccini und Verdi und ist zum ersten Mal Wally: „Das war eine wichtige Rolle für Renata Tebaldi, die von mir am meisten verehrte italienische Sängerin. Ich kenne ihre Aufnahme gut, und als ich das Angebot bekam, habe ich mich besonders gefreut!“ 

La Wally: Ab 15. November am Theater an der Wien

Termine und Tickets

Weiterlesen: Anett Fritsch singt die erste Oper der Welt

Theater an der Wien

Zur Person: Barbora Horáková

Mit „L’Enfant/Olympia“ von Ravel und Offenbach hat Barbora Horáková 2019 in der Kammeroper
ihr akklamiertes Debüt gegeben. Geboren wurde sie in Prag, studiert hat sie zunächst Gesang in Basel und Genf, bevor sie in München zur Opernregisseurin ausgebildet wurde. In Graz war sie Finalistin des „Ring Awards“, 2018 bekam sie den International Opera Award als beste Newcomerin.

Zur Person: Izabela Matula

Mit der Leonora in Verdis „La forza del destino“ in Frankfurt erobert sich die junge Polin demnächst ihre siebente Verdi-Partie. Daneben singt sie auch viel Puccini. In Krakau studierte sie zunächst Dirigieren und Musiktheorie, schließlich Gesang. Im Teatr Wielki in Warschau war sie an der Seite von Piotr Beczała in der Titelrolle von Stanisław Moniuszkos „Halka“ zu erleben.