BÜHNE: Hatten Sie sofort Ideen zu den Kostümen von Moritz, Mathilde und Fabian im Kopf?

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Lili Wanner: Ich wusste ja schon früh, wie die Bühne aussieht, dass sie ein sehr heller, ruhiger Grundraum sein würde. Das ist für das Kostümbild immer schön, weil ich dann weiß, dass ich viel mit Farben arbeiten kann, dass die Figuren klar herausgestellt sein werden. Für Mathilde habe ich mir dann zum Beispiel eine Farbwelt ausgedacht, die einerseits das Träumerische der Figur und gleichzeitig die 80er Jahre, in denen unsere Mathilde junge Mutter war, beschreibt. Andere Dinge, wie die Cowboyelemente für den zehnjährigen Fabian, erfordert dann ja auch schlicht der Text.

Inwiefern unterstreichen die Kostüme der Figuren ihre Charaktereigenschaften?

Fabian hat schon als Kind viel Verantwortung übernommen und immer versucht, seine Mutter zu schützen. Er ist kontrolliert und pragmatisch, wenig expressiv, nimmt sich nicht viel Raum für sich selbst. Sein Kostüm ist eher unauffällig, etwas bieder, schnörkellos. Bei Moritz war es mir wichtig, das Kindlich-Kreative herauszustellen, die Farben und der Druck erinnern ein bisschen an Kinderkritzeleien. Mathildes Kostüm als alte Frau sollte aus mehreren Schichten bestehen. Teile, die sie im Laufe der Zeit zusammengeklaubt hat, ein bisschen wie Jahresringe bei einem Baum. Die unterste Lage ist die junge Mathilde von früher, die wir dann in den Momenten der Zeitreise treffen.

Lili Wanner
Lukas Vogelsang, Rainer Galke und Dunja Sowinetz in „Liebe Grüße... Oder wohin das Leben fällt“.

Foto: Luiza Puiu

Welche Herausforderungen ergaben sich für Sie durch das für die Handlung zentrale Element der Zeitreise?

Die Schwierigkeit war es, versatile Kostüme zu entwickeln, die mit wenigen Handgriffen Zeitsprünge von mehreren Jahrzehnten erzählen können und eine Figur in unterschiedlichsten Altersstufen erzählen können. Der Bühnenraum und die Grundsituation im Vestibül ermöglichen kaum echte Abgänge für langwierige Umzüge. Es mussten also Basiskostüme sein, die durch Zugeben und Weglassen von Einzelteilen universell funktionieren.

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Welches Jahrzehnt finden Sie in Sachen Mode am spannendsten?

Da gibt es kein Bestimmtes. Am interessantesten an Kostümgeschichte finde ich sowieso, dass die Mode immer auch ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse ist, also der direkte Zusammenhang mit den akuten Lebensumständen der Menschen. Dass hinter einem vermeintlichen Modetrend oft eine gesellschaftliche Entwicklung steckt.

Sie haben in Hamburg Mode und Design studiert. Wie sind Sie beim Theater gelandet?

Vor dem Studium wollte ich ein Praktikum in einer Schneiderei machen und bin zufällig im Nationaltheater in Mannheim gelandet. Das war dann wortwörtlich der erste Blick hinter die Kulissen. Was ich toll fand, war das Zusammenarbeiten von ganz unterschiedlichen Abteilungen. Dass ich zum Beispiel mit einem Rock in die Schlosserei gehen konnte, weil dort irgendetwas drangeschweißt wurde, um später auf der Bühne einen komplett absurden Umzug zu schaffen. Als ich dann zum Studieren nach Hamburg zog, brauchte ich einfach einen Nebenjob und habe im Deutschen Schauspielhaus als Ankleiderin angefangen. Das war praktisch, weil es meistens ja um Abendvorstellungen ging und sich gut mit Unizeiten vertrug. In dieser Zeit habe ich wirklich viele tolle Menschen kennengelernt und natürlich andauernd Theater geschaut. Da wusste ich dann bald: Hier will ich bleiben! Meine erste Hospitanz habe ich übrigens hier in Wien am Akademietheater bei „Frühlingserwachen“ von Christina Paulhofer gemacht.

Was reizt Sie an der Theaterarbeit besonders?

Ich mag, dass so ein Theater ein eigener Mikrokosmos ist. So viele unterschiedliche Menschen mit komplett unterschiedlichen Lebensläufen und Fähigkeiten kommen hier zusammen und man arbeitet immer wieder gemeinsam auf die nächste Premiere hin. Das klappt logischerweise auch oft nicht reibungslos, ist aber trotzdem erst mal toll! Außerdem ist ein sehr abwechslungsreiches Arbeiten – alle paar Wochen startet ein neues Projekt, man beschäftigt sich intensiv mit einem Thema, dem man sonst im Leben vielleicht nicht begegnet wäre. Und nicht zuletzt ist es die Arbeit mit dem Text, die Auseinandersetzung mit Worten und Sprache – das macht mir einfach große Freude.