Shakespeares Sommernachtstraum: Sex-Talk in der Josefstadt
400 Jahre ist Shakespeares „Sommernachtstraum“ alt und noch immer aktuell. Warum bloß? Weil es um Liebe geht? Oder ist es der Sex? Wir haben Regisseur Josef E. Köpplinger gefragt und mit ihm über seine Josefstadt-Inszenierung gesprochen.
Theater sind große Spielplätze. Nicht nur auf der Bühne, wenn das Licht angeht und es im Saal dunkel wird. Es geht auch umgekehrt. Heller Spielplatz im Saal und dunkles Nichts auf der Bühne. Letztlich ist die Formel oder die Regel, wie immer Sie wollen, ganz einfach: Im Theater darf alles sein. Bei Shakespeare darf man noch viel mehr. Und für die Liebe gelten sowieso keine Regeln, egal, wie sehr wir uns das auch wünschen und wollen und es unser Leben leichter machen würde – aber vermutlich auch öder.
Wer liebt und spielt da wen?
In unserem Fall ist das (Liebes-)Chaos Programm. Denn die Josefstadt gibt „Den Sommernachtstraum“. Und dort ist es so: Helena liebt Demetrius. Demetrius liebt Hermia. Hermia liebt Lysander. Dann verfolgt Lysander Helena, Helena Demetrius, Demetrius Hermia.
Was dabei rauskommt, wenn man das fotografisch nachstellen will, sehen Sie auf diesen Seiten – die Optik einer 90er-Sitcom à la „Friends“. Kurzer Exkurs zu sinnlosem Millionenshow-Wissen: Auch die „Friends“-Macher haben bei Shakespeares Wirrspiel der Liebe Anleihen genommen. Aber das ist eine andere Geschichte. In der Josefstadt werden besetzungstechnisch volle Geschütze aufgefahren: Neben den Nachwuchshoffnungen Juliette Larat, Melanie Hackl, Tobias Reinthaller und Julian Valerio Rehrl sehen Sie Robert Meyer als Zettel, Sandra Cervik als Hippolyta und die Titania, Michael Dangl als Theseus und Oberon sowie Wolfgang Hübsch als Squenz. Kann nicht mehr viel schiefgehen. Aber was wird die Regie mit ihnen machen?
Wie aufs Stichwort taucht plötzlich der Regisseur des Stücks auf. Josef E. Köpplinger ist Direktor des Gärtnerplatztheaters in München und führt das Haus mit einem gelungen Mix aus Ballett, Oper, Musical, Theater und Operette. Also einmal alles – und das höchst erfolgreich.
Das Stück ein Fest
Er grinst und los geht’s: „Theater ist eine Behauptung, bis man über den Text und die Schönheit der Dinge verzaubert wird.“ Pause. „Garschtig wird es dann eh und sexuell geht es auch zur Sache.“
Köpplinger hat beim Sprechen in etwa jenes Tempo, das Shakespeare beim „Sommernachtstraum“ an den Tag gelegt habt. Salopp gesagt: Gas ist rechts. „Ich bin ja nicht als Regisseur bekannt, der zu seinen Schauspielern sagt: ,Geh, mach einmal.‘ Sondern ich gebe genau vor, was zu tun ist. Das ist feinste Ziselierarbeit, aber dann gibt es diese Kapazunder, mit denen ich hier arbeiten kann, wie Wolfgang Hübsch. Er ist ein Genie. Den muss ich nur anstupsen wie eben in der Probe, wo er in seiner Rolle vor dem Herzog ohne Punkt und Komma stammeln muss. Und Wolfgang macht das so großartig, dass man nicht weiß, ob man lachen oder Mitleid haben soll.“ Köpplinger schaut verklärt, macht eine Pause.
Für euch soll’s Rosen regnen
Zum Zeitpunkt des Interviews Anfang Oktober ist noch geplant, bei den Aufführungen das Theater in der Josefstadt in eine Shakespeare’sche Romantikwelt zu verwandeln, mittelalterliche Musik-Combo und Rosenblätter beim Eingang inklusive. Die dürfen aber, so sagen die Auflagen, nicht rutschig sein. Profane Dinge, die Köpplinger nicht weiter stören.
„Funktionieren soll’s, weil’s schön wär. Ich will, dass die Besucher in eine seltsame Welt der Historie gehen, da stehe Renaissance-Sänger, man hört Musik.“ Er grinst und nimmt sein Kapperl kurz ab. Wir werfen ein paar Fragen in den Raum: Für wen hat Shakespeare dieses Stück eigentlich geschrieben? Für eine Hochzeit, wie es vermutet wird? Dies aber würde bedeuten, dass es nie für die breite Öffentlichkeit gedacht war.
„Ja, vielleicht beim ersten Mal. Aber dann wurde es im Globe gespielt und in anderen Theatern und da war nicht nur die intellektuelle, belesene und lesen könnende Zuschauerschaft drinnen, sondern es waren Marktfrauen, Hilfsarbeiter, Analphabeten im Publikum. Es war also immer Volkstheater.“
Ist dieser Volkstheater-Zugang verloren gegangen? Ich sage immer: Mozart und Shakespeare mussten in der Vorstadt überleben, weil sie bei Nichtfunktionieren mit Weinflaschen beworfen wurden.
Ich verstehe das Bild, aber es ist zu einfach. Eine Genialität muss in erster Linie erfüllt und gesehen werden und nicht analysiert. Ich glaube, das Theater krankt, wenn ich ehrlich bin, daran, dass man vergisst, dass wir nicht in jedem Stück, nicht in jeder Form, nicht an jedem Ort die Verpflichtung haben, alle Menschen zu unterhalten. Und Theater ist immer Unterhaltung.
Meine Unterstellung ist: Immer wenn in dem Stück über Liebe gesprochen wird, geht es eigentlich um Sex. Der berühmte Wald wirkt doch wie ein einziger Swingerclub.
Ich kenne diese Interpretation und will sie nicht verwerfen. Aber ich kann nur sagen: Das Stück beherbergt eine Welt für mich. Eine Welt, wie ich sie mir wünschen würde. Natürlich ohne Todesstrafe eines Herzogs. (lacht) Wissen Sie, nicht nur in dem Stück wird Liebe mit Sex verwechselt. Letzterer kann einen großen Zauber haben. Er kann fünf Minuten dauern oder fünf Tage. Es muss aber nicht sein, dass ich den Menschen liebe. Ich selber kann Liebe nicht definieren. Erich Fried sagte: ,Es ist, was es ist, sagt die Liebe.‘ In dem Stück handeln alle egoistisch. Das ist nicht absurd, sondern zeitlos und die vier Jungen agieren, wie man halt so agiert, wenn man jung ist.
Lysander ist total testosterongesteuert. Es gibt da diese Szene, wo Helena einschläft und sagt: ,Ich will nur schlafen.‘ Er ist aber total erregt ... (lacht)
Und was ist jetzt mit dem Wald?
Der ist ein Sinnbild für die Bühne des Lebens. Ach ja, eins möchte ich noch sagen: Wir werden das Stück nicht dekonstruieren. Ich bin ja der Ansicht, dass dieses Meisterwerk nur in einer neuen Form imitiert werden muss. Das Stück ist das Stück und wir werden daher diese Inszenierung dem großen Max Reinhardt widmen. Das tue ich, weil Kunst von Können kommt und nicht von Kennen.
Zwei Athener Liebespaare werden in der Mittsommernacht verzaubert, sodass plötzlich jede*r eine*n andere*n liebt. Ein Elfenkönigspaar streitet um ein indisches Kind und amüsiert sich auf Kosten der Sterblichen, die sich nachts im Wald verirrt haben. Auf der Hochzeit des Herzogs von Athen kommt der Klamauk schließlich zum Höhepunkt, als eine dilettantische Handwerkertruppe ein Theaterstück zum Besten gibt.
Hier geht es zu den Spielterminen von "Der Sommernachtstraum" im Theater in der Josefstadt!