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Mit dem Schubert Theater geht es in die Tiefen des kollektiven Unbewussten.

Mit dem Schubert Theater geht es in die Tiefen des kollektiven Unbewussten.
Foto: Julia Braunegger

Circus Archetypus: „Wie bei einem Live-Pixar-Film“ 

Schubert Theater

Was haben der Zirkus, die Archetypen von C.G. Jung und das Figurentheater gemeinsam? Sie sprechen allesamt bestimmte Urbilder in uns an, ist Simon Meusburger, künstlerischer Leiter des Schubert Theaters, überzeugt. „Circus Archetypus“ heißt sein neues Stück, das ganz ohne Sprache auskommt.

„Wenn ich nicht Puppentheaterdirektor geworden wäre, dann wäre ich vermutlich als Direktor im Zirkus gelandet“, sagt Simon Meusburger, Künstlerischer Leiter des Schubert Theaters. Er lacht. Darauf, dass die beiden Bereiche mehr gemeinsam haben, als man im ersten Moment vielleicht denken würde, werden wir gleich zu sprechen kommen. Wir sitzen im Foyer des kleinen Theaters in Wien-Alsergrund, direkt über uns hängen vier große Puppen aus bereits abgespielten Stücken.

In wenigen Tagen findet hier die Premiere des Stücks „Circus Archetypus“ statt, in dem Meusburger seine beiden Leidenschaften zu einem Theaterabend verbindet. Wie auch sein anhaltendes Interesse an C.G. Jungs Theorie der Archetypen des kollektiven Unbewussten. Diese tauchen nämlich nicht nur im Theater der Antike, in den Grimm‘schen Märchen oder in der Commedia dell'arte auf, sondern auch im Zirkus. „Es ist uns vielleicht nicht immer bewusst, aber im Zirkus begegnen wir all diesen Urbildern. Und auch die Puppen im Figurentheater sprechen etwas sehr Ursprüngliches in uns an“, hält Meusburger fest. Die Faszination für den Zirkus käme bei ihm aus der Kindheit, fügt er hinzu. „Ich mag die ursprüngliche Theatralität, die der Zirkus mitbringt.“

„Circus Archetypus“: Ab 27. Oktober im Schubert Theater.
Foto: Julia Braunegger
„Circus Archetypus“: Ab 27. Oktober im Schubert Theater.

Wortlos glücklich

Das neue Projekt entstand unter anderem aus dem Wunsch, nach längerer Zeit wieder einmal ein nonverbales Stück zu machen, wie der Regisseur und Theaterleiter erläutert. „Dadurch ist es dadurch noch barrierefreier als andere Theaterformen. Und auch die bereits angesprochene Ursprünglichkeit, die sowohl den Zirkus wie auch das Figurentheater prägt, wird dadurch stärker hervorgehoben.“

Doch auch ein nonverbales Stück brauche einen Handlungsbogen, merkt Simon Meusburger an und startet sofort mit einer kurzen Zusammenfassung: „Das Stück spielt auf einem Dachboden. Viele Kisten stehen herum. Eine namenlose Frau betritt diesen vollgeräumten Raum und versucht, Ordnung in dieses Durcheinander aus Erinnerungsstücken zu bringen. Dabei stößt sie auf Figuren, die zum Leben erwachen und ihrer Lebendigkeit in Form von Zirkusnummern Ausdruck verleihen. Auf diese Weise konfrontiert sie sich mit ihren eigenen Archetypen – mit jenen Urbildern, die sie in sich trägt.“

„Wie bei einem Live-Pixar-Film“

Er hätte der Schauspielerin und Puppenbauerin Soffi Povo bei der Gestaltung der Puppen große Freiheit gelassen, so Meusburger über den gemeinsamen Arbeitsprozess. „Meine einzige Vorgabe war, dass eine Atmosphäre entstehen soll, der etwas Melancholisches und Nostalgisches innewohnt. Wie ein Blick in eine längst vergangene Ära.“ Einige der Puppen wurden von Claudia Six gefertigt und waren schon einmal in einer anderen Produktion im Einsatz.

Als Puppenspieler*innen konnte Meusburger Stefanie Elias und André Reitter gewinnen. Für die Komposition zeichnet die Musikerin und Multiinstrumentalistin Roxanne Szankovich verantwortlich, die auch live auf der Bühne steht. „Sie ist quasi ein ganzes Orchester“, so Meusburger lachend. Teilweise seien die Bewegungen exakt auf die Musik abgestimmt, fügt der Regisseur hinzu. „Wie bei einem Live-Pixar-Film.“

Vom Schauspiel kommend hatte der gebürtige Bregenzer nie Hemmungen, Figurentheater und Schauspiel miteinander in Einklang zu bringen. Auch wenn er außerhalb seiner Homebase, wie beispielsweise für die Neue Oper, inszeniert, bringt er gerne Puppen ins Spiel. „Aber niemals nur für den Effekt“, hält er fest. „So wie wir das hier machen, ist das Figurentheater für mich einfach die direkteste und ehrlichste Theaterform überhaupt. Natürlich legen die Spieler*innen, die wir ja auch nicht verstecken, ihre Interpretation in die Figuren hinein, trotzdem nimmt sich das Publikum aus den Rollen, was es sich gerne herausnehmen möchte. Puppen sind großartige Reflexionsflächen.“

Die Frage, was Puppen besser können als Menschen, kann Simon Meusburger mit nur einem Satz beantworten: „Puppen sterben einfach besser.“ Lachend fügt er seiner Aussage eine kurze Erklärung hinzu: „Wenn eine Puppe von der Hand genommen wird, ist sie wirklich tot. Bei Schauspieler*innen ist das zum Glück anders.“

Bevor sich unsere Wege wieder trennen und wir Simon Meusburger wieder den Puppen und dem ganz normalen Endprobenchaos überlassen, wollen wir noch von ihm wissen, was eine*n gute*n Puppenspieler*in ausmacht. Der Regisseur und Theaterleiter überlegt einen Moment und erklärt anschließend, dass es vor allem darauf ankäme, den Fokus auf die Figur zu legen. „Auch Rhythmusgefühl und Musikalität sind irrsinnig wichtig. Gerade wenn es darum geht, dass synchron gesprochen wird, was mir schon sehr wichtig ist.“

Abschließend kehrt er noch einmal zum Aspekt, den Fokus vor allem auf die Figur zu legen, zurück: „Es ist gut, wenn man sein Ego im Griff hat. Ich sage oft, dass ich total froh bin, beim Puppentheater gelandet zu sein, weil die Leute, mit denen ich arbeite, ihr Ego sehr gut unter Kontrolle haben. Das macht die Arbeit sehr angenehm.“ Wäre er doch Zirkusdirektor geworden, sähe die Sache möglicherweise ein bisschen anders aus.

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