Plädoyer für „Mänschlichkeit“: Fuchs 8 im Vestibül
In einer ganz auf den Text und die Kraft der beiden Spieler*innen konzentrierten Fassung hat Amelie Grashof die Erzählung „Fuchs 8“ auf die Bühne gebracht. Eine Arbeit, die das Publikum im besten Fall mit der Frage entlässt, wie respektvolles Miteinander aussehen und gelingen kann.
Fuchs 8 ist nicht einfach nur ein Fuchs, sondern eine echt neugierige Nase, die obendrein auch noch „zimlich gut Mänschisch“ versteht. Dasselbe kann man auch von Amelie Grashof behaupten. Die junge Regisseurin, die aus der nach ihrer Titelfigur benannten Erzählung von George Saunders ein Bühnenstück gemacht hat, steht Fuchs 8 in Sachen Neugierde um nichts nach. Und die Sache mit dem „Mänschisch“? Daran führt in einem so kommunikationslastigen Beruf wie der Regie ohnehin kein Weg vorbei. Ihre „zwischenmänschlichen“ Skills schult Amelie Grashof zudem in ihrer Funktion als Regieassistentin am Burgtheater. „Man ist den ganzen Tag am Kommunizieren“, fasst sie ihr umfangreiches Arbeitsfeld knapp zusammen. Dazu kommt noch eine große Menge an organisatorischer Arbeit, wie Grashof ergänzt. „Man ist Ankerpunkt und Ruhepol gleichermaßen.“
Zusätzlich ergeben sich natürlich auch eine Vielzahl an Möglichkeiten, unterschiedliche Arbeitsweisen und Handschriften kennenzulernen. „Ich liebe es, ständig in neuen Konstellationen und mit unterschiedlichen Menschen zu arbeiten. Ich war beispielsweise am Anfang meiner Zeit hier am Haus bei einer Produktion dabei, bei der es dem Regisseur gelungen ist, auf sehr klare und einfache Weise zu vermitteln, was er sich wünscht und vorstellt. Wie auch mit sehr viel Sensibilität und Genauigkeit. Daraus habe ich für mich sehr viel mitgenommen, weil ich es als Regisseurin auch gerne schaffen würde, genau an Dingen zu arbeiten, die Spieler*innen aber gleichzeitig zum Ausprobieren anzuregen.“

Fragezeichen, kein Rufzeichen
Doch nun zurück zu „Fuchs 8“, das – wie es für Füchse typisch ist – schon eine kleine Wanderung hinter sich hat. Bevor der Text als Theaterinszenierung ins Vestibül übersiedelte, konnte man ihn – in Form einer szenischen Lesung – schon bei BURG ON TOUR erleben. „Als ich gefragt wurde, ob ich Lust habe, etwas für dieses Format zu machen, habe ich sofort an diesen Text gedacht“, erinnert sich die in einem „Theaterhaushalt“ in Berlin aufgewachsene Regisseurin. „Für ‚Burg on Tour‘ musste es ein Text sein, der verschiedene Generationen anspricht, und in den man auch sofort einsteigen kann“, fügt sie hinzu.
Der Inhalt der Erzählung ist schnell zusammengefasst: Voll naiver Begeisterung blickt Fuchs 8 auf die Welt der Menschen, deren Sprache er sich durch Zuhören angeeignet hat. Als der Lebensraum seines Rudels durch den Bau eines Einkaufszentrums gefährdet ist, beschließt er, zu einer Rettungsaktion aufzubrechen. Diese endet jedoch auf tragische Weise.
Obwohl der in „Mänschisch“ – also in einer Art Lautschrift – verfasste Text große, komplexe Fragestellungen verhandelt, ist er alles andere als belehrend oder anklagend, hält Amelie Grashof fest. „Letztendlich geht es um die Frage, wie ein respektvolles Miteinander aussehen kann – mit anderen Menschen, aber auch mit der Natur und all den Lebewesen um uns herum. Die vermeintliche Einfachheit, mit der sich die Erzählung diesen Themen nähert, macht sie sehr greifbar. Dadurch hat man die Möglichkeit, ganz anders mitzufühlen, und dreht sich hoffentlich nicht einfach resigniert weg.“
Obwohl sich die Menschen am Ende der Geschichte als bösartige Wesen entpuppen, bleibt der „tagtroimerische“ Fuchs 8 vor allem überrascht und verwundert. Von Fatalismus und Resignation fehlt jede Spur. „Mein Wunsch war, dass am Ende ein Fragezeichen und kein Rufzeichen steht“, bringt Amelie Grashof ihre Herangehensweise auf den Punkt. „Und dass die Spieler*innen bis zum Schluss zart bleiben.“
Auf der Bühne sind die beiden Ensemblemitglieder Lola Klamroth und Jonas Hackmann wie auch der Multiinstrumentalist Hans Wagner zu erleben. Amelie Grashof erzählt, dass sie früher selbst Cello gespielt hat und deshalb sofort dieses Instrument im Kopf hatte. Die Bühne ist eine Blackbox und die Kostüme der beiden Spieler*innen vermitteln das Gefühl eines kühlen Herbsttages. Die Reduktion auf sehr wenige Mittel hätte sich vor allem aus dem engen Zeitkorsett ergeben, das Grashof und ihr Ensemble für die Inszenierung im Vestibül zur Verfügung hatten. „Ich habe aus dieser Arbeit unter anderem für mich mitgenommen, dass auch in kurzer Zeit etwas Schönes entstehen kann. Außerdem habe ich gelernt, schnell zu Entscheidungen zu kommen.“
Konzentration auf den Text
In einer Theaterfamilie aufgewachsen, gab es in Sachen Berufswahl für Amelie Grashof nur zwei Möglichkeiten, wie sie lachend erläutert. Und zwar jene: Entweder auch zum Theater oder einen ganz anderen Weg einschlagen. Obwohl sie Zweiteres ausprobierte, zog es sie dennoch immer wieder zur Theaterbühne. Durch mehrere glückliche Zufälle landete die in Berlin aufgewachsene Künstlerin schließlich als Regieassistentin an der BURG. Zum Abschluss ihrer Assistenzzeit wird sie eine eigene Inszenierung auf die Bühne bringen, erzählt sie.
Bevor sich unsere Wege wieder trennen, möchte Amelie Grashof noch eine Sache loswerden: „Zu der Frage, was ich aus der Arbeit an ‚Fuchs 8‘ mitgenommen habe, würde ich gerne noch etwas ergänzen: Dadurch, dass wir kein Budget und nur sehr wenig Zeit hatten, war von Anfang an klar, dass wir diese Geschichte mit wenigen Mitteln erzählen werden. Und es daher eine starke Konzentration auf den Text und die beiden Spieler*innen geben wird. Diesen Fokus würde ich gerne beibehalten.“
Wir verabschieden uns. Obwohl wir in bestem „Mänschisch“ miteinander gesprochen haben und Amelie Grashof ihre Standpunkte mit sehr viel Klarheit kommuniziert hat, sind die Fragezeichen zu den großen, in „Fuchs 8“ verhandelten Themen nicht weniger geworden. Und das ist gut so. Denn die Frage danach, wie respektvolles Miteinander aussehen und gelingen kann, könnte aktueller nicht sein.