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Dominic Oley, 45, ist einer der vielseitigsten Theater- und Filmmenschen des Landes: Er spielt, er schreibt und er führt erfolgreich Regie. Für die Kammerspiele inszenierte er zuletzt den Publikumshit „Der grosse Diktator“. Fürs Fernsehen schrieb er das Drehbuch für den viel beachteten Film „Zwei gegen die Bank“ mit Caroline Peters, Daniela Golpashin und Murathan Muslu.

Dominic Oley, 45, ist einer der vielseitigsten Theater- und Filmmenschen des Landes: Er spielt, er schreibt und er führt erfolgreich Regie. Für die Kammerspiele inszenierte er zuletzt den Publikumshit „Der grosse Diktator“. Fürs Fernsehen schrieb er das Drehbuch für den viel beachteten Film „Zwei gegen die Bank“ mit Caroline Peters, Daniela Golpashin und Murathan Muslu.

Sherlock Holmes als Kultkomödie in den Kammerspielen

Kammerspiele der Josefstadt

Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty“ ist ein Melodram im Körper einer der schnellsten Komödien der Jetztzeit. Fünf Schauspieler in 40 Rollen. Regisseur Dominic Oley hat uns erklärt, wie das geht.

Ein früher Vormittag unter der Woche. Links vom Haupteingang der Kammerspiele geht’s runter zur Probebühne. Und dort wird gerade Mord und Totschlag geübt. Beziehungsweise die Comedy-Variante davon. Ein Messer fliegt durch die Luft. Glaubt man. Tut es aber nicht. In Wirklichkeit hört man nur das Geräusch eines fliegenden Messers. Dafür fliegt dann das Plastikmesser unbeabsichtigt in die Kulisse. Nahezu eine Stunde wird die Szene, die später auf der Bühne wenige Sekunden dauern wird, geprobt. Dann ist eine Sequenz dran, in der sich Claudius von Stolzmann mit Kimberly Rydell durch einen Felsspalt quetschen muss. Sie bleiben stecken und sollen tanzen. Ein dutzend Varianten werden probiert: Bei den ersten sind die Körper einander zugewandt, bei den letzten reibt sich Stolzmann von hinten im Takt der Musik an Rydell.

Zwischen jedem Versuch wird zwischen den Schauspielern und der Regie kurz diskutiert. Wieder neu begonnen. Abgebrochen und wieder neu gestartet.

Fünf Schauspieler, 40 Rollen

Ken Ludwigs Boulevard-Hit „Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty“ hat als österreichische Erstaufführung in den Kammerspielen Anfang November Premiere. Regie führt Dominic Oley, der mit seiner Variante des „Grossen Diktators“ für ausverkaufte Vorstellungen gesorgt hat. Das Stück ist eine Komödie, die mit Tempo 300 durch die Handlung und den Abend rast. Die fünf Schauspieler*innen des Abends spielen 40 verschiedene Rollen. Die Handlung – Holmes und Watson untersuchen einen Fall rund um die kompromittierenden Liebesbriefe des böhmischen Königs an Irene Adler – vereint ein bisschen James Bond, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte (zwischen Holmes und Irene Adler) und einen großen Showdown an den Schweizer Wasserfällen. Klingt lustig, ist es auch.

Im „Fall Moriarty“ hat man das Gefühl, manche Szene irgendwie zu kennen. Bevor wir in Vorurteilen versanden: Fragen wir doch einfach bei Ken Ludwig, dem Autor des Stücks, nach.

Nachahmung ist die höchste Form der Schmeichelei und so finden wir als Autoren unsere unverwechselbare Stimme.

Ken Ludwig, Autor

Das sagt der Autor

„Ich finde, der Auftrag für heutige Dramatiker besteht darin, sich die Zeit zu nehmen, auf die größten Vertreter unseres Berufsstands zurückzublicken, und keine Angst davor zu haben, ihnen nachzueifern. Shakespeare übernahm die Handlung der Komödie der Irrungen komplett aus Plautus ,Menaechmi‘, die über 1600 Jahre vorher entstanden war. Und einen Großteil der Handlung von ,Wie es euch gefällt‘ übernahm er aus Thomas Lodges Roman ,Rosalind‘, der etwa zehn Jahre vor dem Erscheinen des Stücks entstand. Nachahmung ist die höchste Form der Schmeichelei und so finden wir als Autoren unsere unverwechselbare Stimme. Wenn wir versuchen, die Schriftsteller zu imitieren, die wir lieben, kommt schließlich unsere eigene Stimme zum Vorschein und diese Stimmen kommen nicht nur in unserer Wortwahl, unseren Charakteren und Themen zum Ausdruck, sondern auch in den Geschichten, die wir erzählen.“

Von den Besten lernen, also. Von der großen weiten Welt kehren wir zurück in die Proberäume der Kammerspiele.

Das sagt der Regisseur

Die Schauspieler machen Pause und wir besprechen mit Regisseur Dominic Oley nochmals die Szene, wie sich Stolzmann und Rydell durch einen Spalt pressen müssen. Oley: „Ken Ludwig hat dezidiert im englischen Original festgehalten, dass die beiden sich wie exotische Tänzerinnen bewegen sollen. Diese leicht sexualisierte Komponente wirkt für das Publikum lustig, weil der stocksteife Sherlock das erste Mal auf körperlicher Ebene mit dem Objekt seiner Liebe verbunden ist. Einer Frau, die er die ganze Zeit im Stück nur als ,Die Frau‘ bezeichnet. Plötzlich sind zwei Menschen aneinandergekettet, die sich nicht leiden können und dann in Liebe verfallen. All das geht blitzschnell.“

Wie den Überblick bewahren?

Neben uns in einer Ecke sitzt Stefan Lasko an seinem Laptop. Ein Mann mit lachenden Augen. Der Schauspieler und Musiker hat gemeinsam mit Stefanie Mohr unter anderem den „Boxer“ gemacht und viele großartige Produktionen fürs Bronski & Grünberg. Er ist derjenige, der die Soundeffekte während der Proben abgefeuert hat – so präzise, dass man sich in einen „Stan & Ollie“-Film versetzt fühlt. Dinge, die auch der Regisseur im Kopf haben muss.

Dominic Oley lacht: „Ich weiß vorab die Architektur der Auftritte, die Bild- und Bewegungsinhalte und viele von den musikalischen Cues und Angeboten habe ich mir gemeinsam mit unserem Musiker überlegt. Also: Nehmen wir große Orchestermusik für die Übergänge, dann einen Subton, der Spannung erzeugt, und Sounds, die die Bewegungen vergrößern oder die Körper nachsynchronisieren. Im Proben wird der Spaß auch immer größer, weil wir immer mehr Akzente finden, die wir setzen wollen.“

Was Dominic Oley höflich und zurückhaltend, wie er ist, verschweigt: Nach eineinhalb Wochen Proben ist die Gruppe bereits bei Seite 50 von 70 im Textbuch. Das ist ziemlich schnell. Oley schmunzelt: „Ja, und das Stück hat auch sofort eine Funktionsfähigkeit erreicht. Das geht, weil es hier ein großes Vertrauen untereinander und auch gegenüber mir gibt. Die Kollegen fühlen sich beflügelt ...“

Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty Martin Niedermair, Claudius von Stolzmann und Kimberly Rydell (v. l.), ab November in den Kammerspielen.
Foto: Moritz Schell
Sherlock Holmes: Der Fall Moriarty Martin Niedermair, Claudius von Stolzmann und Kimberly Rydell (v. l.), ab November in den Kammerspielen.

Spiel mit dem Publikum

Die Komödie gilt nicht umsonst als Königsdisziplin. Was macht daran so große Freude?, fragen wir. Oley: „Man kommt aus dieser Individualblase raus – dem Wahrnehmen der immer eigenen Matrix –, weil man den Zuschauer ja implizit als Mitspieler dabeihat. Er ist, wenn man so will, der sinnliche Raum, der mir die Berechtigung gibt. Es ist die Einladung, jemanden wahrzunehmen, der mich auch wahrnimmt. Es ist ein empathisches, komödiantisches Ringelspiel, das nur über das Außen funktioniert. Das wiederum gibt den Schauspielern die Möglichkeit, sich mit den Partnern auf der Bühne zu beschäftigen, und wenn man mit den Partnern ist, ist immer alles viel einfacher.“

Schön, was Oley da sagt. Interessant, wie sehr das Publikum bei Komödien auf der Bühne wahrgenommen wird. Oley nickt: „Dabei ist diese Komödie ja eigentlich als Meldodrama verpackt und wir suchen darin die unterhaltsamen Elemente. Und wir versuchen über das ganze musikalische Spiel auch die Sprache musikalisch zu sehen und den Humor dadurch herzustellen. In Kombination mit den vielen Kostümwechseln, die nötig sind, wird das eine sehr britische Komödie.“

Ein Abend des Lachens inmitten des Irrsinns der Welt. Ein Geschenk.

Hier zu den Spielterminen von Sherlock: Der Fall Moriarty in den Kammerspielen der Josefstadt!

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