Zum Inhalt springen

Wolfgang Menardi führt Regie in "Richard III."

Wolfgang Menardi führt Regie in "Richard III."
Foto: Petra Rautenstrauch

Nikolaus Ofczarek als irrer Richard III. am Burgtheater

Burgtheater

Korrumpiert Macht? Macht sie uns erst zum Individuum? Warum lernen wir nie dazu? Regisseur Wolfgang Menardi denkt Shakespeares „Richard III.“ neu – mit Nicholas Ofczarek als irren Herrscher. Ein Besuch auf der Probebühne tief unter der Erde.

Die Probebühnen des Burgtheaters im Arsenal sind ein Wunderbau nach unten – und so ist auch die Nummerierung. Die Probebühne 4 ist im vierten Stock – aber eben im vierten unteren Stock. Dort, in dieser Tiefgarage des Theaters, wird gerade an Shakespeares „Richard III.“ geprobt. Nicholas Ofczarek wird ihn geben – diesen völlig empathielosen, missgestalteten Irren, der beschließt, „ein Bösewicht zu werden“.

1593 hat Shakespeare das Werk geschrieben und es ist so aktuell, dass es schmerzt, weil wir offenbar als Menschheit nicht dazulernen wollen. Wolfgang Menardi ist der Regisseur des Stücks. Erst im September hat Johan Simons die Regie zurückgelegt und Menardi sprang ein. Menardi kann viel. Er ist Regisseur, Bühnenbildner, Schauspieler – und alles erfolgreich. So. Wir befinden uns in den ersten Probetagen – es ist also alles noch im Fluss und unser Gespräch findet fast mitten im Bühnenbild statt.

Erklären Sie, was ich hier sehe?

(lacht) Es wird eine Untersuchung über die Mechanismen und Strategien der Machtergreifung. Es ist eine Versuchsanordnung, die mit der Wiederholung spielt und der Nichtentrinnbarkeit des Schicksals. Das bedeutet, es sind Personen auf der Bühne, die dieses Stück immer wieder erzählen müssen, und die in diesem Schacht zusammen sind, in dem es keinen Ausgang gibt. Eine Art Fegefeuer, in welchem sie das Stück wieder und wieder erleben.

Eine einzige, große Schuldsuche?

Nicht nur – es wird auch nicht nur die Untersuchung des Bösen. Sondern wir fragen: Was treibt eine Gesellschaft dazu und warum wiederholt sich die Geschichte wieder und wieder in regelmäßigen Abständen? Wir versuchen, die direkten Aktualitäten und Bezüge nicht abzubilden und mit den Mitteln des Theaters eine eigene, neue Logik zu erfinden.

Shakespeare meets Beckett, oder?
Wolfgang Menardi in seiner Kulisse für „Richard III.“. Was Sie
sehen, ist eine Probenvariante - noch nicht das fertige Bild.
Foto: Petra Rautenstrauch
Shakespeare meets Beckett, oder? Wolfgang Menardi in seiner Kulisse für „Richard III.“. Was Sie sehen, ist eine Probenvariante - noch nicht das fertige Bild.

Das klingt, als würde aus Shakespeare ein Beckett ...

Wir sind auf der Suche nach einer gewissen Absurdität, weil unser Raum dafür viele Möglichkeiten bietet und – ja – wir schauen Menschen in einem ganz eigenen System zu. Wir sind auf der Suche nach einer Logik, die den Blick auf den menschlichen Kern richtet.

Es funktioniert nach einer Art Traumlogik. Wir haben diesen merkwürdigen U-Bahn-Schacht und einen weiteren Mitspieler – ein Roboterhund – und die Kostüme wiederum sind wie aus einer „Richard“-Verfilmung aus den 50er-Jahren.

Der Hund ist ein Schauspieler im Hundekostüm?

Nein, das ist ein Roboterhund – vielleicht aber auch der verlängerte Körperteil von Richard. Was sie beide verbindet, ist die Unfähigkeit. Der Roboterhund ist wie eine eigene Instanz, man weiß nicht: Ist das ein Gefährte von Richard oder ist es vielleicht dieser Hund, der dieses ganze Geschehen lenkt?

Zur Person: Wolfgang Menardi

ist Regisseur, Bühnenbildner und Schauspieler - hier steht er auf der Probebühne 4 im Wiener Arsenal in der noch nicht fertigen Probenvariante des Stücks. „Ich habe in 80 Stücken gespielt und mache es jetzt nicht mehr und ich habe ungefähr 100 Bühnenbilder gebaut. Und dann habe ich mir gedacht: Jetzt wäre es Zeit für den nächsten Schritt. Und ich wurde Regisseur.“

Ich mache jetzt mit der geplanten Schlussfrage weiter: Was hätten Sie gern, dass die Menschen sagen, wenn sie aus dem Theater gehen?

Dass sich Menschen in Teilen dieses Richards wiedererkennen. Durch die Struktur des Stücks wird man zum Mittäter. Und durch die Tatsache, dass wir diesen Richard irgendwie auch schillernd und faszinierend finden, findet eine gewisse Verführung statt vielleicht fühlt man sich ertappt, dass man an Stellen lachen muss, wo man es eigentlich gar nicht möchte. Ich will kein Theater machen, das Antworten hinterlässt, sondern ich will, dass jeder Zuseher ein individuelles Erlebnis hat.

Das klingt, als musste zwingend Nicholas Ofczarek mit der Rolle besetzt werden.

Der Niki ist ein jemand, der unglaublich viele Facetten zeigen kann. Er beherrscht eine Technik und eine Gedankenschnelle wie wenige und er kann ohne jegliche Anstrengung von einer Facette zur anderen umschalten. Aber ich habe auch sonst ein wahnsinnig tolles Ensemble.

Das Stück wurde um 1600 geschrieben. Wie gehen Sie mit der Sprache Shakespeares um, an der ja kaum Fett ist?

Diese Sprache ist unglaublich bildreich und diese Bilder sind allgemein gültig – bis heute. Diese Sprache geht sowohl dem Schauspieler als auch dem Zuschauer in den Körper. Diese Sprache ist Handlung und macht etwas mit dem Kopf und mit dem Bauch. Wenn man eine Szene knackt und diese Sprache einfach aus dem Körper fließt, dann wird sie plötzlich ganz leicht.

Es ist eine Versuchsanordnung, die mit der Wiederholung spielt und der Nichtentrinnbarkeit des Schicksals.

Wolfgang Menardi, Regisseur & Bühnenbildner

Lassen Sie uns über Macht reden: Verdirbt Macht den Charakter?

Das kommt immer auf den Kontext an. Politische Macht, um die es ja in diesem Stück geht, in den Händen eines Einzelnen oder von wenigen verdirbt den Charakter mit großer Wahrscheinlichkeit. Mit Richard erzählen wir, wie so eine Macht entstehen kann. Dass solche Figuren – beinahe zwingend – hervorkommen müssen, in einer Gesellschaft, deren politisches System sich aus Ungerechtigkeit speist und darauf aufgebaut ist.

Sagt Arendt auch. Foucault hingegen meint, dass Macht erst den Menschen zum Individuum macht. Verstehen Sie das?

Er löst sich aus der Gemeinschaft und stellt sich als Individuum über andere, weil er eine Entscheidungsgewalt bekommt, die ihm Macht über andere gibt.

Richard ist nicht besonders schön und viele Inszenierungen stellen auch diese Beeinträchtigung in den Fokus des Stücks.

Man muss aufpassen, dass man nicht zeigt, dass die Beeinträchtigung ihn zum Bösewicht macht, und ihn darauf reduziert. Sie ist vielmehr ein Vehikel für seine Entscheidung, den Beruf des Bösewichts auszuüben. Es ist diese Rolle, die für ihn überbleibt.

Wenn Sie das Stück im Loop denken: Stirbt der Richard wenigstens am Schluss?

(lächelt) Es gibt dem Stück eine wenig Hoffnung, wenn er stirbt. Andererseits zeigen wir durch die Wiederholung, dass wir uns als Gesellschaft derzeit in einer Situation befinden, aus der wir nicht so leicht herauskommen. Wir diskutieren. Das Ende kommt am Ende und wir proben noch ... (lacht)

Hier geht es zu den Spielterminen von Richard III. im Burgtheater!

Universitätsring 2
1010 Wien
Österreich
Foto beigestellt

Erschienen in
Bühne 09/2025

Zum Magazin

Jetzt bestellen

Atha Athanasiadis
Mehr zum Thema
1 / 11