„Internet riecht nicht nach Theater“, sagt Lisa Habermann. Und: „Im besten Fall nimmt das Publikum nach der Vorstellung eine Art Urvertrauen mit ins Leben, dass alles gut endet, dass für uns gesorgt wird und man sich nicht immer nur Gedanken machen muss.“

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Es rumpelt, und sie macht eine kurze Pause. Wir sitzen im Gewölbe unter der U-Bahn-Linie 6 – direkt gegenüber der Volksoper. Kaum jemand weiß es, aber hier sind viele Räume, die zum Theater gehören. Manche sind leer und weiß ausgemalt – in diesen wird geprobt –, andere wiederum sind vollgeräumt mit Bühnen-Requisiten. Hier ein Plastikkopf, dort ein Kleiderständer und – gefühlt – hunderte Stühle in verschiedensten Größen und Farben. Alle paar Minuten gibt es diesen Klangteppich aus aneinandergereihtem Rumsen – dann ist wieder eine U-Bahn drübergefahren.

Gerade eben haben wir Lisa Habermann und den Regisseur des Stücks, Florian Hurler, auf zwei kleinen roten Sesseln herumalbern lassen, jetzt sitzen wir drauf und führen unser Interview. Wir hätten auch über den Gürtel hinüber ins Haupthaus gehen können – aber hier hat es mehr Charme.

Es hat aufgehört zu rumpeln, und Lisa Habermann kann ihren Gedanken endlich weiterführen: „Internet riecht nicht nach Theater, die Sinne werden hier bei uns anders getriggert. Kinder haben dieselbe Qualität wie Erwachsene verdient, denn sie sind diejenigen, die das Theater in Zukunft am Leben erhalten werden. Kinder merken sofort, ob du sie ernst nimmst oder nicht.“

Zur Person: Lisa Habermann

ist die Katzenmama Duchesse. Die gebürtige Linzerin lebt in Wien, wo sie die Musicalausbildung abschloss und u. a. im Ronacher, in den Kammerspielen und an der Volksoper in Hauptrollen zu sehen war. Sie trat auch auf den Bühnen in Klagenfurt, Hamburg und Bremerhaven auf.

Abgesehen davon, dass sie recht hat – falls Sie sich jetzt wundern, warum Lisa Habermann das sagt: Ab 24. September wird „Aristocats“ insgesamt neunmal als Familienmatinee auf die Bühne der Volksoper gebracht.

Ein Disney-Filmhit, der mittlerweile so alt ist, dass er bereits die Großeltern-Generation (im Kino), ebenso die Elterngeneration (auf Videokassette) und auch die Anfang Zwanzigjährigen (auf DVD) begeistert hat. Es ist die Mischung aus den romantisierten Zeichnungen eines Paris der Jahrhundertwende (der von 1900), der mitreißenden Musik und einer zutiefst ans Herz gehenden Geschichte, die „Aristocats“ zu einem Evergreen macht.

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Mehr Lieder als im Film

Ein kurzer Exkurs muss an dieser Stelle jetzt sein, denn die Musik wurde von Hollywood-Legenden geschrieben. „Big George“ Burns komponierte die Filmmusik, an seiner Seite die sechs besten Songwriter, die Disney damals beschäftigt hatte. Walt Disney selbst fungierte zwar noch als Ideengeber für den Film, starb aber vor Beginn der Produktion. Burns, der in seiner langen Komponistenkarriere an über 200 Filmen mitwirkte, sagte über die Arbeit an „Aristocats“: „Zuerst war die Entscheidung, alles im Dixie-Jazz-Sound zu gestalten, dann kamen die Songs, und dann baute ich um diese herum den Soundtrack. Es hatte viel Charme, weil wir sowohl mit großem Orchester als auch mit kleineren Dixie-Bands arbeiten konnten.“

Aristocats Volksoper
Der Aristocats-Stoff kommt ab September auf die Bühne der Volksoper.

Bild: Alamy Stock Photo

Charmant sind auch die Textadaptionen bei der Wiener-Volksopern-Produktion. Florian Hurler: „Wenn man schon in einer Stadt, in der ‚Cats‘ solche Erfolge feiert, ‚Aristocats‘ macht, dann ist eines naheliegend: Unsere Band-Katzen kommen zu einer Audition für ein Musical über Katzen nach Paris, das aber vermutlich kein Erfolg werden wird …“

Hardcore-Fans von „Aristocats“ sei bereits jetzt verraten: Maus Roquefort gibt es nicht und das Pferd Frou-Frou auch nicht und Madame Adelaide nur in Erzählungen. „Meine Lieblingsfiguren sind ja die beiden Gänse“, sagt Hurler, „wir werden sie ein bisschen so zeichnen wie die beiden Hauptfiguren in der Fernsehserie ‚Absolutely Fabulous‘: immer etwas angeschickert und überdreht.“

Zur Person: Florian Hurler

wurde in Augsburg geboren. Seine Ballettausbildung absolvierte er in Hamburg und München, er war Mitglied des Wiener Staatsballets. Hurler unterrichtet an der MDW und arbeitet als Choreograf, u.a. für die Bregenzer Festspiele, das Theater an der Wien und die Wiener Festwochen.

Musik, die das Herz öffnet

Der gebürtige Augsburger hat bereits mit dem „Dschungelbuch“ einen Volksopern-Hit gelandet: „Immer, wenn ich nach der Vorstellung mit der U-Bahn nach Hause gefahren bin, hat der halbe Wagen noch die Lieder aus dem Stück gesungen – das war für mich das schönste Kompliment.“ Sein Zugang zum Stück: Ich will die Diskrepanz zwischen dem glamourösen Leben und dem Leben auf der Straße herausarbeiten – und ich will, dass man voneinander lernen und trotz aller Unterschiedlichkeiten Verbindungen aufbauen kann. Ich persönlich liebe an dem Stück, dass alle zusammenhelfen und zuletzt in einem Haus leben, in dem alle willkommen sind.“

Lotte de Beer Volksoper Saison 2023/24

Der Anfang war ein Zettel unter der Tür

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Lisa Habermann hat jetzt lange nichts gesagt, mit einem Ruck steht sie auf und sagt: „Dieses Stück öffnet das Herz, die Musik macht es möglich, dass Barrieren verschwinden.“

Während wir hier im rosa Haus am Gürtel plaudern, wird gerade einige tausend Kilometer weiter – in Hollywood – an der Neuverfilmung mit echten Schauspieler*innen gearbeitet. Ahmir „Questlove“ Thompson führt Regie – Kinostart ist im Frühjahr 2024. Die Volksoper hat also die Nase eindeutig vorn …

„Aristocats“ – darum geht’s

Zur Person: