Der Tag, an dem das Interview mit Benjamin Vanyek stattfindet, ist einer jener Februartage, an dem der Frühling vogelzwitschernd kurz so tut, als wäre er schon da, nur um sich kurz darauf mit allem, was der langsam ausklingende Winter gemeinhin so an Grauslichkeiten zu bieten hat, wieder zu vertschüssen. Weil die Restaurant- und Beislbesitzer*innen um diese geschickten Täuschungsmanöver wissen, haben die meisten Schanigärten noch zu, und das Interview findet auf einer Parkbank statt. Schnell steht fest: Anders als der Frühling ist der fast zwei Meter große Schauspieler niemand, der nur so tut, als wäre er da. Er ist da, lacht, gestikuliert mit großer Ungezwungenheit und entpuppt sich im Gespräch schnell als Hohepriester des Tiefstapelns. „Als ich mit dem Spielen begonnen habe, hatte ich keine Ahnung von dem Beruf. Und die habe ich heute noch nicht“, sagt er lachend.

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Benjamin Vanyek ist aber nicht einfach nur jemand, der entgegen aller gängigen Theaterklischees total am Boden geblieben ist, denn er kann gleichzeitig auch seine Träume klar benennen. Vielleicht hilft ihm ja unter anderem die Körpergröße dabei, mit den Füßen fest in der Realität verankert zu bleiben, während der Kopf irgendwo in den Wolken steckt. Außerdem wäre da auch noch die Leidenschaft. „Ich will mich glücklich machen und Dinge tun, die mich erfüllen. Das klingt vielleicht pathetisch, ist mir aber unglaublich wichtig.“

Wichtig: Leidenschaft

Singen, zum Beispiel. Vanyek, der seine Schauspielausbildung in der Schauspielakademie Elfriede Ott absolviert hat und 2015 für den Nestroy-Theaterpreis nominiert war, ist nämlich nicht nur in Theaterprojekte involviert, sondern hat sich auch mit Solo-Liederabenden einen Namen gemacht. Der nächste findet ab 7. April im Bronski & Grünberg statt und widmet sich den ganz großen Balladen der Musikgeschichte. Der in der Donaustadt geborene Schauspieler sagt über seine Herangehensweise an seine Liederabende: „Singen kann ich nicht, aber interpretieren. Ich gehe an ein Lied wie an einen Monolog heran und denke nicht darüber nach, wie einzelne Noten funktionieren. Wichtig ist für mich die Leidenschaft, mit der ich mich auf diese Geschichten einlasse und in sie einsteige.“

Ich bin nicht in der Ecke gesessen und hab mir Goethe reingezogen.

Benjamin Vanyek
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Vor etwa drei Jahren interpretierte Benjamin Vanyek zum ersten Mal Songs von Jacques Brel vor Publikum. Die Verbundenheit, die er gegenüber dem 1978 verstorbenen Chansonnier verspürt, beschreibt er folgendermaßen: „Er steigt auf total körperliche Weise in diese Figuren ein, zieht Grimassen und hat unglaublich viel Gestik. Auch zu mir hat man während der Schauspielausbildung immer wieder gesagt, dass ich mich körperlich ein wenig zurücknehmen soll.“ Außerdem ist er, wie der Schauspieler – der sich selbst nicht gerne als Schauspieler bezeichnet, doch das ist wieder eine andere Geschichte – hinzufügt, mit Schlagermusik und Chansons aufgewachsen. „Ich würde sagen, dass ich eher ein Fernsehkind war. Ich bin nicht in der Ecke gesessen und hab mir Goethe reingezogen“, ergänzt er lachend.

Nächster Halt: Las Vegas – Benjamin Vanyek im Porträt
Benjamin Vanyek beim Liederabend „Brel" im WERK X-Petersplatz.

Foto: Gerhard Breitwieser

„Wie ein Kaktus“

Weil es sein Wunsch war, die Lieder in den deutschen Nachdichtungen von Werner Schneyder zu singen, kontaktierte er ihn per E-Mail. „Er hat nicht gleich Ja gesagt, sondern mich gefragt, ob ich sie ihm zuerst vorsingen kann. Dann meinte er, dass ich zwar keinen Ton treffe, ihm aber gefällt, was ich da mache. Und so ist das Ganze geboren. Es gab ein paar Treffen und dann lag das Projekt wieder für einige Zeit brach. Bis ich es wieder ausgekramt habe.“ Nach der ersten Aufführung in Klosterneuburg wurde der Abend einige Male im Bronski & Grünberg gezeigt, wo nun auch „Vanyek muss singen“ Premiere feiern wird.

„Er singt wie ein Kaktus. Schön, aber AU! …oder besser: AU! Aber schön!“, so Bronski-Mitbegründerin Julia Edtmeier. Es werden ikonische, ironische und poetische Interpretationen von Liedern wie Nancy Sinatras „Die Stiefel sind zum Wandern“, Shirley Basseys „Diamanten sind für immer“, bis Aretha Franklins „Ich wünsche mir so viel von dir“ zu hören sein.

Seit 2017 ist Benjamin Vanyek außerdem Mitglied in Martin Grubers Theaterkompanie Aktionstheater Ensemble. Nach der Schauspielausbildung sah Dramaturg Martin Ojster den Schauspieler in einer Produktion des WERK X-Petersplatz und brachte ihn mit Martin Gruber zusammen. Es hat sofort gepasst. „Er ist ein Suchender und ein total leidenschaftlicher, wühlender, sinnlicher und aufgeschlossener Künstler“, sagt Benjamin Vanyek über den Gründer des Aktionstheater Ensembles. Für ihn ist das Ensemble zu einer Art „theatralem Zuhause“ geworden. Textlich entstehen die Produktionen in intensiver Probenarbeit, wobei viele der Inhalte von den Spieler*innen selbst kommen. Inszenatorisch lässt sich Vanyek gerne auf die Fantasien und Visionen Martin Grubers ein. „Es ist mir ist auch wichtig, mit jemandem zu arbeiten, der eine Vision hat“, so Vanyek.

Entertainment!

Nach den Proben, fügt er hinzu, macht er sich am liebsten sofort auf den Weg nach Hause, lässt das Erarbeitete nachwirken und geht es für sich nochmal durch – „dann kann ich wieder mit neuem Mut auf die nächste Probe gehen“. Am allerwichtigsten ist jedoch, „sich selbst bei Glück und bei Laune zu halten. Und sich Sachen zu suchen, die einen wirklich erfüllen“. Und natürlich: gutes Entertainment! Nein, „Fucking-gutes-Las-Vegas-Mick-Jagger-Tina-Turner-Entertainment“. Wie das genau gemeint ist, wird sich ab 7. April im Bronski & Grünberg zeigen. Sicher ist jedoch bereits, dass es ein großer Abend wird.  

Nächster Halt: Las Vegas – Benjamin Vanyek im Porträt

Foto: Apollonia Theresa Bitzan

Zur Person: Benjamin Vanyek

Wurde in Wien geboren und schloss 2014 sein Schauspielstudium bei KS. Prof. Elfriede Ott ab. Für seine Rolle in „Kafka’s Affe“ („Ein Bericht für eine Akademie") wurde er 2015 in der Kategorie „Bester Nachwuchs“ für den Nestroy-Theaterpreis nominiert. Seit 2017 ist Benjamin Vanyek Mitglied des mehrfach ausgezeichneten Aktionstheater Ensembles. 

Zu den Spielterminen von „Vanyek muss singen“