In einem Blogbeitrag beschreibt der deutsche Regisseur, Dramaturg und Autor Michael Masberg das Tätigkeitsfeld der Regieassistenz folgendermaßen: „Als Regieassistent ist man das Nervenzentrum einer Produktion. Man ist der Verbündete des Regisseurs, das unermüdliche Helferlein der Schauspieler, Ansprechpartner für wirklich alle Abteilungen.“ Den eben geschilderten Verantwortungsbereich könnte man seiner Meinung nach aber auch ganz einfach mit drei Sätzen zusammenfassen: „Ich kümmere mich darum. Ich weiß es. Ich bin schuld.” Man muss also mit den täglich abzuspulenden Abläufen im Theaterbetrieb nicht besonders gut vertraut sein, um daraus ableiten zu können, dass ohne Regieassistent*innen der Theaterapparat schnell ins Stocken geraten würde.

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Darüber, wie umfangreich der Aufgabenbereich der Regieassistent*innen tatsächlich ist, wurde bislang nur sehr wenig gesagt und geschrieben. Deshalb lässt man am besten auch einfach jene Menschen sprechen, die aus eigener Erfahrung wissen, was die Regieassistenz dazu beiträgt, damit die große Weltsimulationsmaschine Theater beständig weiterrattert. Dass das ganz schön viel ist, kommt im Gespräch mit Mechthild Harnischmacher und Richard Panzenböck, die gerade am Burgtheater Regieassistent*innen sind, schnell heraus.

Sie koordinieren die Proben, kümmern sich darum, dass die Bühne und Requisiten vor Probenbeginn eingerichtet werden, führen das Regiebuch, wälzen Sekundärliteratur, wirken als Schaltstelle zwischen den verschiedenen Gewerken, springen in den unterschiedlichsten Funktionen ein und übernehmen – in normalen Zeiten – die Abendspielleitung. Ihr Einfluss- und Aufgabenbereich erstreckt sich jedoch weit in gefühlsgeladene Spannungsfelder und emotionale Sumpflandschaften hinein. Kurz zusammengefasst: Regieassistent*innen haben immer ein offenes Ohr für besorgte oder missgelaunte Schauspieler*innen, um die Laune wieder heben zu können, aber auch stets eine Tafel Schokolade in der Tasche.

Organisation und künstlerische Beteiligung

Zu einer der Hauptaufgaben der Regieassistenz während der Proben gehört das Führen des Regiebuchs. Wie Richard Panzenböck erklärt, gibt es zwar einen Grundstock an Dingen, die ein Regiebuch enthalten sollte. Festgeschriebene Regeln existieren jedoch nicht. Das sei unter anderem sehr von der Person abhängig, die Regie führt. „Bei manchen Regisseur*innen ist es beispielsweise so, dass sich in der Probenarbeit sehr viel ändert und man erst am Ende dieses Prozesses fixe Verabredungen eintragen kann“, so Panzenböck. „Bei jedem neuen Projekt versuchen wir also zunächst herauszufinden, wie die Personen arbeiten. Das ist ein unglaublich spannender Prozess".

Von der Arbeitsweise des Regieteams ist auch abhängig, inwiefern sich die Regieassistenz auch künstlerisch einbringen kann. „Es gibt Regisseur*innen, die sehr interessiert an der Meinung der Assistent*innen sind, andere wiederum gar nicht“, fasst Mechthild Harnischmacher zusammen. Sie wechselte gemeinsam mit Martin Kušej von München nach Wien. „Wenn man schon einmal mit einem Team gearbeitet hat, kann man normalerweise gut einschätzen, wie Organisation und künstlerische Beteiligung in etwa gewichtet sind“, fügt Richard Panzenböck hinzu.

Wichtiges Durchhaltevermögen

Mechthild Harnischmacher ist, wie sie selbst sagt, eher in einem theaterfernen Umfeld aufgewachsen, wollte aber immer Theater machen. „Nur hatte ich keine Ahnung, wie das geht“, sagt sie lachend. Sie schrieb immer wieder Theaterstücke für Jugendliche und erklärte die Beschäftigung mit dem Theater kurzerhand zu ihrem Hobby. „Dann dachte ich mir, dass ich etwas Vernünftiges lernen sollte und habe eine Hotelfachausbildung gemacht. War danach aber genauso ratlos wie davor. Ich habe begonnen Lehramt zu studieren, weil ich mir dachte, dass ich dann zumindest die Theater-AG leiten kann. Schließlich bin ich beim Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft gelandet und über den Tipp einer Dozentin als Hospitantin und kurze Zeit später als Assistentin am Residenztheater." Das für den Theaterbetrieb so wichtige Organisations- und Durchhaltevermögen hat sie, wie sie erklärt, aus dem Tourismus ans Theater mitgebracht.

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Mechthild Harnischmacher und Richard Panzenböck am Regiepult im Burgtheater.

Langeweile kommt nur selten auf

Welche Eigenschaften sollte man über ein ausgeprägtes Organisationstalent hinaus sonst noch für die Regieassistenz mitbringen? Da sind sich die beiden schnell einig: Spontanität, Humor, Kreativität, Lösungsorientiertheit und ein dickes Fell. „Regieassistent*innen haben unter anderem einen Einfluss darauf, wie die Probenatmosphäre ist. Wenn sich alle gerade in einer Szene verkeilt haben, macht manchmal sogar das Aufreißen der Fenster schon einen Unterschied“, so Mechthild Harnischmacher.

Außerdem seien, wie sie hinzufügt, Abgrenzungsmechanismen ganz wichtig, damit einen die negative Energie, die man hin und wieder abbekommt, nicht umweht. „Die Fähigkeit abschalten zu können, hatte ich am Anfang gar nicht. Da habe ich nachts noch von der Arbeit geträumt. Irgendwann habe ich gelernt, dass viele Dinge gar nichts mit mir zu tun haben", sagt Harnischmacher. Auch wenn man natürlich sehr nah am Team dran ist, ist etwas Abstand also essentiell. Auch für die Beurteilung der Arbeit, wie Richard Panzenböck erklärt. „Ich schaue immer, dass ich eine gewisse Distanz aufrechterhalte, um die Arbeit noch beurteilen zu können. Ist man zu nah dran, schwimmt man schnell in der eigenen Suppe.“

Langeweile kommt auf jeden Fall nur selten auf. Oft stehen mit Vor- und Nachbereitungsarbeiten, Proben und Abendspielleitungen überdurchschnittlich hohe Wochenstunden am Konto der Regieassistenz. Wie man das durchhält? „Es muss einem auf jeden Fall Spaß machen“, sagt Richard Panzenböck lachend. Außerdem hilft es, ein Ziel vor Augen zu haben – und das ist bei Mechthild Harnischmacher und Richard Panzenböck klar definiert. Sie möchten selbst Regie führen.

Mit der Inszenierung von Sybille Bergs Stück für junge Menschen „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ (für alle ab 8) hatte Richard Panzenböck auch schon die Gelegenheit dazu. Leider konnte das Stück aufgrund der aktuellen Situation noch nicht gezeigt werden. Für den gelernten Puppenspieler, der schon in vielen verschiedenen Bereichen am Theater und auch im Fernsehen tätig war, ist die Stelle der Regieassistenz am Burgtheater eine Form von Weiterbildung. „Da ich vor meiner Stelle hier auch schon selbst Regie geführt habe, kam für eine Assistenz eigentlich nur das Burgtheater in Frage. Ich wusste, dass ich mich hier noch weiterentwickeln kann“, erklärt er.

Der schönste Moment

Seit sie am Burgtheater arbeitet, sieht auch Mechthild Harnischmacher ihr Ziel noch klarer vor sich. „An so einem riesigen Haus wie dem Burgtheater bekommt man einfach irrsinnig viel Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche. Wir lernen wirklich alles kennen. Jetzt kann ich definitiv beantworten, ob ich das machen will oder nicht". Als besonders bereichernd empfand sie unter anderem die Arbeit mit Regisseur*innen, bei denen sie sehr viel über Improvisation und Fantasieentwicklung auf den Proben gelernt hat. Auch für Richard Panzenböck ist es spannend, immer wieder verschiedene Herangehensweisen kennenzulernen und Ansätze zu sehen, die in eine Richtung gehen, die man selbst vermutlich nicht eingeschlagen hätte.

Fehlt eigentlich nur noch die unausweichliche Frage nach dem schönsten Moment des gesamten Prozesses und Arbeitsspektrums. „Für mich ist das der Moment, in dem ich am aufgeregtesten bin – die Konzeptionsprobe mit den Schauspieler*innen. Sie ist immer der erste Test, die erste Hürde. Schließlich ist man danach als Regisseur*in für rund zwei Monate für die Lebenszeit aller involvierten Personen verantwortlich, da sollte das Projekt Hand und Fuß haben. Das ist schon eine ganze Menge an Verantwortung“, erklärt Richard Panzenböck. Für Mechthild Harnischmacher waren es immer jene Momente, in denen sie Proben selbstständig leiten und szenisch mitentwickeln konnte. „Diese Form der Wertschätzung und des Vertrauens ist einfach toll. Außerdem ist es eine Chance, um festzustellen, ob einem das wirklich liegt. Ob man es kann und es einem Spaß macht". Wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, ist uns nach diesem Gespräch mehr als klar.

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Probeneinblicke zu „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter" finden Sie hier