BÜHNE: Wie ist dein Stück „Adern“ entstanden? Gab es eine Form von Ausgangspunkt oder Initialzündung?

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Lisa-Maria Wentz: Lustigerweise weiß ich das bei „Adern“ noch ganz genau – es war richtig früh am Morgen, vielleicht so fünf Uhr, und wir sollten für ein Seminar am selben Tag eine Szene schreiben, die „direkt aus dem Herz“ kommt. Also hab ich eine Szene über meine Urgroßmutter geschrieben, die als junge Frau mit ihrem Kind mit dem Zug nach Tirol fährt, um einen Mann zu treffen, der mein Urgroßvater war. Damals hatte das noch alles eine ganz andere Form und die Szene im Zug gibt es jetzt gar nicht mehr – aber so hat der Text angefangen zu entstehen.

Worum geht es?

Für mich ist es ein Stück über das Schweigen. Es geht um versickerte Geschichte, es geht um das Ungesagte zwischen zwei Menschen, die Dinge, über die wir Generationen lang nicht reden konnten und die wir nun einfach vergessen haben.

Sind es Themen, persönliche Eindrücke und Erinnerungen oder ganz andere Dinge, die dich zum Schreiben bringen?

Ich denke, von allem ein bisschen. Es ist immer so schwer zu sagen, was einen dazu gebracht hat, genau dieses Stück zu schreiben, nachdem man so viel Zeit mit den Figuren, mit den Themen, in ihrer Welt verbracht hat. Ich glaube, mir geht es beim Schreiben immer vor allem um die Geschichten der Figuren und die Figuren selbst. Zu wissen, dass die noch etwas erzählen wollen, dass da noch etwas aufgeschrieben gehört, das bringt mich zum Schreiben.

Am meisten freue ich mich darauf, dass meine Oma und ihre Schwester das Stück am Burgtheater sehen werden können. Ohne die beiden wäre Adern nämlich nicht geschrieben worden."

Lisa-Maria Wentz
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Wie sieht der Schreibprozess bei dir aus?

Meist sehr verzweifelt, weil die Deadline bei mir irgendwie immer morgen ist. Ich geb der Zeit die Schuld, da läuft etwas nicht korrekt.

Von 2014 bis 2017 hast du die Schauspielschule Elfriede Ott besucht. Hilft dir die Schauspielausbildung beim Schreiben von Theatertexten?

Ja und nein. Ganz am Anfang meines Studiums an der UDK musste ich es fast ein bisschen verlernen als Schauspielerin auf Texte zu schauen, aber jetzt, denke ich, (hoffe ich) habe ich ein gutes Mittelmaß gefunden. Außerdem hilft, glaube ich, jede Art von beruflicher Erfahrung beim Schreiben.

Ich glaube, ich habe es immer noch nicht ganz realisiert, wenn ich ehrlich bin."

Lisa-Maria Wentz über die Uraufführung am Burgtheater

Was war das für ein Gefühl, als du erfahren hast, dass du den Retzhofer Dramapreis gewonnen hast?

Ich hab sofort angefangen zu weinen vor Glück. Es kam so unerwartet, dass ich ehrlich gesagt gar nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Es war auf jeden Fall ein wunderschöner, surrealer Moment.

Das Siegerstück wird am Burgtheater gezeigt. Mit welchem Mix aus Gefühlen blickst du der Uraufführung entgegen?

Ich glaube, ich habe es immer noch nicht ganz realisiert, wenn ich ehrlich bin. Das Burgtheater! Ich bin so aufgeregt und dankbar. Auf der andere Seite bin ich natürlich, wie bei allen Texten, die ich schreibe, wahnsinnig nervös, ob dem Publikum das Stück dann auch gefallen wird. Am meisten freue ich mich darauf, dass meine Oma und ihre Schwester das Stück am Burgtheater sehen werden können. Ohne die beiden wäre „Adern“ nämlich nicht geschrieben worden.

Zur Person: Lisa-Maria Wentz

Lisa Wentz, 1995 in Tirol geboren, schloss im Jahr 2017 ihre Schauspielausbildung in Wien ab. 2018 zog sie nach Berlin, wo sie seitdem Szenisches Schreiben an der UdK studiert. Ihr Stück „Aschewolken“ wurde beim Nachwuchswettbewerb zum Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreis 2020 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.

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