Ob „Der Spieler“ von Sergej Prokofjew oder Leoš Janáčeks „Aus einem Totenhaus“: Einige Werke des russischen Dichters Fjodor Dostojewski verbinden wir heute mit bekannten Opern. Dass das nicht immer selbstverständlich war, zeigt der Blick in die Geschichte. Zu Lebzeiten und in den ersten beiden Jahrzehnten nach Dostojewskis Tod im Jahr 1881, der sich am 9. Februar eben zum 140. Mal jährt, gab es keine einzige Oper auf Basis seiner literarischen Werke.

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Mahler: „Fjodor Dostojewski wichtiger als Kontrapunktübungen"

Die Komponisten verhielten sich zurückhaltend. Selbst wenn es einige wenige Ausnahmen gab. So soll Gustav Mahler gesagt haben, die Lektüre Fjodor Dostojewski sei für angehende Komponisten wichtiger als Kontrapunktübungen. Und Modest Mussorgski brachte seine große Verehrung für Dostojewski zum Ausdruck. Nach dessen Tod legte er bei einem Auftritt das schwarz verhüllte Bild des Dichters auf das Podium und improvisierte einen Trauermarsch. Aber bis es Werke des Dichters auf die Opernbühne schafften, dauerte es. Diese anfängliche Zurückhaltung lag wohl an der komplexen Ideenführung in den großen Romanen und den miteinander verwobenen Handlungssträngen sowie der Fülle an Personen. So lautet zumindest die gängige Meinung von Experten.

Doch ab Anfang des 20. Jahrhunderts fanden Werke Dostojewskis auch den Weg auf die Opernbühne. Erst zaghaft mit „Der Christbaum“ von Wladimir Rebikow. Später auch durch Otakar Jeremias und Daniel Ruyneman mit „Die Brüder Karamasow“ oder Arrigo Pedrollos „Schuld und Sühne“.

„Der Spieler" an der Wiener Staatsoper

Ein Wendepunkt war Sergej Prokofjews „Der Spieler“, geschrieben zwischen 1915 und 1917. Diese Oper wurde auch durch die Widrigkeiten der Oktoberrevolution erst zwölf Jahre nach der Fertigstellung zur Uraufführung gebracht. Doch das Werk machte schließlich mit der atemlos gedrängten, harten, schroffen Musik Furore. Und es etablierte sich als Ausnahmeerscheinung auf den Spielplänen zahlreicher Opernhäuser.

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Zuletzt war „Der Spieler“ an der Wiener Staatsoper 2017 in der Regie von Karoline Gruber zu sehen. Die Produktion wurde auch mit Misha Didyk, Elena Guseva, Linda Watson, Elena Maximova und Morten Frank Larsen unter der musikalischen Leitung von Simone Young aufgezeichnet. Ob sie sich demnächst im Streaming-Angebot der Wiener Staatsoper finden könnte, ist noch nicht fixiert, heißt es auf Anfrage.

Ähnlich bekannt wie „Der Spieler“ ist die 1930 uraufgeführte Oper „Aus einem Totenhaus“ von Leoš Janáček. Darin wird eine Geschichte über Macht und Unterwerfung in einem sibirischen Strafgefangenenlager erzählt. Diebe, Mörder und politische Gefangene treffen hier an einem Ort der Bestrafung und Überwachung fern jeder Zivilisation zusammen, Dostojewski verarbeitete hier seine eigene vierjährige Lagerhaft. In diesem Musiktheaterwerk über den immergleichen, zermürbenden Lageralltag gibt es weder Held noch eine auf Lösung setzende Handlung. Vielmehr geht es darum, Schlaglichter auf Erniedrigungen und Beleidigungen zu werfen. Und auch Janáčeks Musik beschreibt ungeschönt die im Lager herrschende Brutalität.

Fjodor Dostojewski als Vorlage für Librettos

Nach dem Zweiten Weltkrieg wählten vor allem deutsche und später italienische Komponisten Dostojewskis Werke zur Vorlage für Librettos. Ob das nun Hans Werner Henze, Giselher Klebe oder Luigi Cortese, Valentino Bucchi und Luciano Chailly waren. 

Und selbst, wenn sich mit Gleb Sedelnikows „Arme Leute“ und Mieczysław Weinbergs „Der Idiot“ auch einige russischsprachige Komponisten des Oeuvres annahmen, so ist die Mehrzahl der rund 40 Musiktheaterwerke, die auf Basis von Dostojewskis Romanen und Erzählungen entstanden, außerhalb Russlands komponiert worden.

Unter den aktuellsten Werken hierzulande ist Jury Everhartz` „Das Krokodil“. Das Werk wurde 2004 im Jugendstiltheater am Steinhof in Wien uraufgeführt und kann auf youtube nachgesehen werden (siehe unten).

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„Erniedrigte und Beleidigte“ im Wiener Volkstheater

Apropos Wien: Ein Wiedersehen mit Dostojewski auf einer Wiener Theaterbühne ist für März im Volkstheater geplant. „Erniedrigte und Beleidigte“ nach dem dritten Roman des Autors soll zur Premiere kommen. Regisseur Sascha Hawemann möchte in seiner Inszenierung „Splittermenschen“ präsentieren, die in den Fängen der Großstadtwelt um Erfolg kämpfen. Ein Strudel aus Intrigen, Gier, Verführung und Machtkampf kann erwartet werden, heißt es aus dem Theater.

Bis zur Premiere kann die Aufzeichnung der Produktion „Erniedrigte und Beleidigte“ vom Staatsschauspiel Dresden von 2018 empfohlen werden. Sie wurde mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen ausgezeichnet und ist auf youtube nachzusehen (siehe unten).

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Ekstatische Auflösung von Sinn und Logos

Regisseur Sebastian Hartmann erzählt darin keine stringente Geschichte. Er bringt vielmehr in seinem assoziativen Zugang zu Dostojewskis Werk scheinbar zusammenhanglose, mitunter auch sich wiederholende Szenen rund um einen selbstsüchtigen Patriarchen, skrupellose Instrumentalisierung und den sozialen Auf- oder Abstieg. Diese verbindet er mit aufwühlender Musik und mit Wolfram Loths Hamburger Poetikvorlesung zu einer Collage über Geld, Intrigen und Liebeswirren.

Im Juryurteil hieß es: „Hartmanns Arbeit zielt nicht auf die lineare Nacherzählung des Romanstoffs, sondern – wie schon bei Dostojewski angelegt – auf die ekstatische Auflösung von Sinn und Logos. So wie sie in Krankheit, Liebe und hier tatsächlich auch in der Kunst erfahrbar werden.“ Möge diese die Wartezeit auf die Volkstheater-Premiere und generell auf eine Wiederbegegnung mit dem Werk Dostojewskis auf Theater- und Opernbühnen verkürzen.

Spielplan des Wiener Volkstheaters: Erniedrigte und Beleidigte

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