Nebel im Kopf: Was hinter Brain Fog steckt
Wer mit den Gedanken in den Wolken schwebt, muss nicht zwingend verträumt, sondern kann auch verwirrt sein. Die ursächlichen Gründe dafür sind unterschiedlich, die Maßnahmen im Gegensatz dazu oft dieselben.
Demenzkranke beschreiben ihren Zustand in wachen Momenten oft wie Wolken, die vorbeiziehen und Gedanken eindicken. Manchmal lichtet sich die Wolkendecke und es bricht Klarheit durch, die sich schnell wieder verdunkelt.
Obwohl die wenigsten von uns dies kennen, fürchten die meisten es aber dennoch. Man fragt sich unweigerlich: Kann mir das auch passieren? Und man beginnt abzuwägen: Ist die Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche und Schlampigkeit in Terminkoordination und Co noch normal?
In den meisten Fällen: tatsächlich ja. Dahinter steht kein klinischer Befund, im Gegenteil: Viele Menschen erleben dies aus unterschiedlichen Gründen. So leiden nicht nur Menschen in akuten Stresssituationen darunter, sondern auch viele Frauen in den Wechseljahren sowie Schwangere oder junge Mütter, deren Körper gerade eine Hormonachterbahn fahren. Es firmiert stets unter anderen Vorzeichen, beschreibt im Großen und Ganzen aber ähnliche Symptome und lässt sich umgangssprachlich als »Brain Fog« zusammenfassen.
Was ist Brain Fog?
Brain Fog ist heute allgegenwärtig und bedeutet einfach »Gehirnnebel« – einer, der die geistigen Leistungsfähigkeiten einschränkt. Spätestens seit der Coronapandemie hat sich dieser Begriff etabliert und taucht oft im Kontext von Long-Covid-Erkrankungen auf – und geht Hand in Hand mit Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, manchmal auch Sprachstörungen und Aufmerksamkeitsdefiziten. Im Gegensatz zu temporären, kurzzeitigen Störungen durch akuten Stress etwa treten die Symptome von Brain Fog regelmäßig auf – und beeinträchtigen die Lebensqualität maßgeblich.
Entwarnung: Unterschied zu Demenz
Brain Fog ist zwar im fachmedizinischen Bereich ein ebenso gängiger Terminus wie in der Umgangssprache, hier wird aber ganz klar zwischen Brain Fog und Demenz unterschieden. Bei Brain Fog sind die Indikatoren andere: Man unterscheidet zwischen äußeren (Stress) und inneren (wie etwa Hormone). Das heißt aber auch, dass man Brain Fog entgegenwirken und mit einer guten Lebensführung Defizite ausgleichen oder vorbeugen kann.
Es bedeutet aber auch, wie Dr. Sabina Brennan, Medizinerin und Autorin des Buchs »Brain Fog – der Nebel im Gehirn«, betont: »Brain Fog ist keine Diagnose, Krankheit oder Störung, sondern vielmehr ein Anzeichen oder Symptom eines gesundheitlichen Problems.« Das können die bereits erwähnten hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft und Menopause sein (die per se keine Erkrankung, sondern nur eine Umstellung darstellen), aber auch die Folgen einer neuen Ernährungsweise, eines neuen Lebensstils oder Nebenwirkungen eines bestimmten Medikaments. Dementsprechend kann man dem auch entgegenwirken. Sehr gut sogar.
Geistige Klarheit durch Ernährung
Während in westlichen Ländern die Anzahl an Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen steigt, bleibt sie in Japan konstant niedrig. Dort wird vermutet, dass der starke Verzehr von Natto, also fermentierten Sojabohnen, geistigen Beeinträchtigungen vorbeugt. Bisher liegen zwar noch keine klinischen Studien vor, aber in der Alternativmedizin wird der Nattokinase, dem Enzym der fermentierten Sojabohne, eine positive Wirkung zugeschrieben. Auch wenn die Studienlage noch keine Korrelation hergibt, liegt die Verbindung nahe: Es ist nichts Neues, dass sich richtige Ernährung unmittelbar auf das Gehirn und seine Leistungsfähigkeit auswirkt. Das merkt man bereits daran, wenn man an einem intensiven Arbeitstag zu Nüssen greift – oder dem altbewährten Studentenfutter. Auch Dr. Brennan betont:
»Mit dem richtigen Essen verbessern Sie Ihre Hirnfunktion.«
Deshalb muss man seine Ernährung nicht zwingend umstellen und zum japanischen Mönch werden (Natto stammt aus der buddhistischen Tempelküche), leichte Adaptionen reichen. Vitamin D und gute Folsäurewerte stärken die kognitiven Fähigkeiten, ebenso ungesättigte Omega-3-Fettsäuren und Aminosäuren, die in proteinreichen Lebensmitteln stecken.
Auslöser für Brain Fog
Ernährung mag zwar ein essenzieller Bestandteil einer guten mentalen Gesundheit sein, geht aber Hand in Hand mit weiteren Lebensbereichen: Schlaf, Stress und Bewegung. Schläft man auf Dauer zu wenig oder schlecht, kann das zu Brain Fog führen. Während Stress nicht zwingend schädlich ist, kann der falsche Umgang damit zu chronischem Stress und dies wiederum zu Klarheitstrübungen führen. Ein Perpetuum mobile der schlechten Entscheidungen sozusagen, das man anhalten muss. Hier greift die Bewegung ein: Stress wird reduziert, die körperliche Stärke unterstützt die geistige. Neuere Forschungsergebnisse der Columbia University zeigen sogar: Aerobes Training hilft, verlorene kognitive Funktionen bei Erwachsenen jeder Altersgruppe zurückzuerlangen. »Mens sana in corpore sano«, wusste schon der römische Dichter Juvenal.
Reset
Was aber tun, wenn sich der Nebel nicht mehr lichtet und es nur mehr dumpf wabert? Sind die Brain-Fog-Symptome schwer und es gesellen sich Erschöpfung und mentale Fatigue dazu, empfiehlt Dr. Brennan nur eines:
»Erkennen Sie Ihre Grenzen. Brechen Sie das ab, was Sie gerade tun. Nehmen Sie sich eine Auszeit.«
Das bewusste Innehalten in einer Situation, der man nicht gewachsen ist, kann per se schon heilsam sein. Dazu gehört, dass man einen natürlichen Tagesrhythmus findet, der auch Tagträumerei inkludiert. Der Kopf in den Wolken kann den Nebel nämlich auch lichten – man steht einfach etwas drüber.