Der optimierte Mensch: Das Konzept Biohacking
»Biohacking« setzt neue Maßstäbe für den Menschen: Das ganzheitliche Konzept zielt auf die individuelle Optimierung von Körper und Geist ab – und ist heute so alltagstauglich wie nie.
Bryan Johnson ist 47 Jahre alt. Allerdings nur noch auf dem Papier. Denn der Unternehmer und Venmo-Gründer trägt heute das Herz eines 37-Jährigen in sich und hat die Lungenkapazität eines 18-Jährigen. Es sind Zahlen, bei denen es sich nicht um Zauberei handelt, sondern um sogenanntes Biohacking. Dieses hat die holistische Selbstoptimierung des menschlichen Körpers zum Ziel – und ist nicht nur Millionären vorbehalten.
Was hinter Biohacking steckt
Unter dem Begriff Biohacking versammelt sich eine Vielzahl an Praktiken, Erkenntnissen und Ansätzen: von Sport und Ernährung über Lifestyle- und Longevity-Treatments bis hin zu Pharmakologie und Gentechnik. Sie sollen im Zusammenspiel die individuelle physische und mentale Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Langlebigkeit merklich verbessern, erklärt Martin Kowarik. Der Sportwissenschaftler und Psychoneuroimmunologe beschäftigt sich als »Biohacker« der ersten Stunde seit 20 Jahren mit der Thematik. Er erklärt:
Es dreht sich alles um die Frage: Wie kann ich auf meine eigene Biologie Einfluss nehmen, um den Zellverschleiß zu minimieren und dadurch das Maximum an Leistungsfähigkeit herauszuholen?
Biohacking soll idealerweise mehr Energie, Fokus und Belastbarkeit, verbesserte Beweglichkeit und Schlafgewohnheiten mit sich bringen.
Analyse
Am Anfang steht die umfassende Analyse von Biologie und Lebensstil. DNA- und Bluttests messen anhand von Biomarkern, was genau sich in uns tut: wie unser Körper auf Stress reagiert, ob wir übersäuert sind oder Krankheiten in unserer DNA verschlüsselt sind. Sie werden zur regelmäßigen individuellen Anpassung der Interventionen verwendet – zukünftig soll auch die KI vermehrt Teil dieses Prozesses werden.
Biohacking-Plan
Wurden die Grundvoraussetzungen bestimmt, erstellt der Biohacker-Coach einen maßgeschneiderten Plan, der – je nach persönlichen Zielen – unterschiedlich gelagert sein kann.
Vieles lässt sich im Alltag selbst realisieren, darunter regelmäßige Bewegung, Meditationen und Achtsamkeitstrainings sowie eine gesunde, ketogene Ernährung.
Ernährung
Zur Optimierung werden neben Nahrungsergänzungsmitteln auch technische Gadgets herangezogen: Ein Glukosemonitoring (CGM) etwa kontrolliert über den Blutzucker unsere individuelle Reaktion auf jedes Lebensmittel. Auch der smarte Oura-Ring oder ein 24-Stunden-EKG sind hilfreiche Tools, so Martin Kowarik: »Mit diesen Systemen sehe ich genau, welche Intervention was bewirkt. Ich kann zum Beispiel innerhalb von fünf bis zehn Minuten den Erfolg einer Atemtechnik beobachten.«
Kältetherapie
Ergänzend zu den alltäglichen Optimierungen existieren zahlreiche Geräte, die das Biohacking auf die nächste Stufe heben können. Zu den bekanntesten zählt die Kältetherapie, die sich für die Regeneration ebenso eignet wie zur Minderung von Cellulite. Wer nicht ins Eiswasser steigen möchte, stellt sich in die Kryokammer. »Es ist angenehmer, bei minus 120 Grad für drei Minuten in der Kammer zu stehen, als sich bei minus fünf Grad ins Eiswasser zu begeben – aber es hat dieselben Auswirkungen«, hebt der Biohacker den Vorteil trockener Kälte hervor.
IHHT
Daneben hat sich das Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Training (IHHT) bewährt: Als künstliches Höhentraining regt es die Mitochondrien zur Energieproduktion an – und steigert dadurch Stoffwechsel, Leistungsfähigkeit oder Fettverbrennung. IHHT trägt sogar dazu bei, Alterungsprozesse zu verlangsamen.
Weitere Techniken
Rotlicht verbessert die Hautgesundheit, das Kompressionstraining entschlackt und reduziert Schwellungen und die regenerierende Magnetfeldtherapie PEMF fördert Schlaf und kardiovaskuläre Gesundheit. In der hyperbaren Sauerstoffkammer wiederum wird die Sauerstoffversorgung des Gewebes erhöht, was die Wundheilung beschleunigt. Ja, sogar Blutreinigung via INUSpherese®, Ketamintherapien für eine verbesserte mentale Gesundheit oder eine Anregung der Gehirnaktivität mittels transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) fallen unter Biohacking. Die Liste der Geräte, die Körper und Geist optimieren, ist fast endlos.
Biohacking trifft Realität
Was der Biohacker bei den vielen Wegen, sich und seinen Körper zum Optimum zu treiben, anmerkt:
»Man muss auch immer schauen: Was brauche ich denn wirklich?«
Damit meint Martin Kowarik nicht nur gesundheitliche Aspekte (nicht jede:r kann bedenkenlos in ein Eisbecken springen!), sondern auch unrealistische Erwartungen oder ein ungesunder Fokus auf das Hacking. Kritisch zu hinterfragen ist vor allem die übermäßige Optimierung, die im Biohacking bis hin zum invasiven Genom-Editing oder der Einnahme kaum erforschter Substanzen reicht.
Ziel der Biohacker sollte es vielmehr sein, das Beste aus dem eigenen Körper herauszuholen – für ein gesundes, längeres und leistungsstarkes Leben.