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Anton Zetterholm ist auch beim Fotoshooting ganz Profi. Hier zu sehen backstage im Kostümfundus.

Anton Zetterholm ist auch beim Fotoshooting ganz Profi. Hier zu sehen backstage im Kostümfundus.
Foto: Stefan Fürtbauer

Anton Zetterholm: „Ich mache es eher für die Stille“

Musical

Webber, Bernstein, Bizet: Anton Zetterholm ist eine Theatermultifunktionsmaschine mit Talent, Passion und Charisma. Noch bis Ende Juni 2026 hält er in „Das Phantom der Oper“ die Spannung hoch.

Beruhigender Einstieg. „Es geht mir gut“, beantwortet Anton Zetterholm die naheliegende Frage nach seinem werten Befinden. „Vielleicht war in letzter Zeit alles ein bisschen viel, aber eigentlich mag ich es so, wie es ist.“ Gemeint ist der Umstand, dass er mit dem „Phantom der Oper“, „Killing Carmen“ und „West Side Story“ drei Stücke gleichzeitig am Laufen hat, in denen er Hauptrollen spielt.

„Den wirklich harten Job hat im Moment aber meine Frau, denn wir haben zwei kleine Kinder zu Hause“, ergänzt er ohne jegliche Koketterie. Eigentlich habe er vorgehabt, ein wenig leiser zu treten. „Denn ich hatte vor zwei Jahren eine große Krise. Ich war völlig überarbeitet, litt an Schlafmangel und hatte schließlich einen Stresskollaps. An dem Tag, als ich die Zusage für das ,Phantom‘ in Wien bekommen habe, lag ich in einer deutschen Hotelrezeption am Boden.“ Mithilfe einer Therapie und seiner Familie sei es ihm gelungen, das Tal der Panik wieder zu verlassen. „Natürlich kann man sich fragen, ob es dann sinnvoll ist, drei Projekte parallel zu machen. Aber ich bin so dankbar für diese Arbeiten und denke mir, dass das möglicherweise eine einmalige Chance ist.“

Warum gelingt ihm, woran hierzulande viele Künstler scheitern, nämlich genreübergreifend zu arbeiten? „Ich bin mein größter Kritiker und nie zufrieden mit dem, was ich tue. Das führt dazu, dass ich mich ständig selbst überprüfe. Im Musical gibt es eine feine Grenze zwischen den Gesprächsszenen und dem Gesang und wenn man diesen fließenden Übergang beherrscht, erreicht man eine Form von Natürlichkeit, die ich im deutschsprachigen Musical manchmal vermisse.“

Möglicherweise liege es auch an der Ausbildung, die einzelne Sparten wie Schauspiel, Tanz oder Gesang fördere, während man im angloamerikanischen Raum und auch in Schweden eher auf die künstlerische Dreifaltigkeit setze. „Ich habe mehrere Jahre in London gelebt. Dort gibt es die Bezeichnung Musicaldarsteller nicht. Man ist einfach ,Actor‘. Am Abend habe ich ,Les Misérables‘ gespielt und am nächsten Tag war ich zum Casting für ,Game of Thrones‘ eingeladen.“ Und weil sich Anton Zetterholm eben selbst nicht einschränkt, tut es wahrscheinlich auch kein anderer.

Anton Zetterholm beim Fotoshooting, hier nachdenklich wie James Dean.
Foto: Stefan Fürtbauer
Anton Zetterholm beim Fotoshooting, hier nachdenklich wie James Dean.

Mysteriöser Maskenmann

Seit März 2024 steht er beinahe allabendlich als titelgebendes „Phantom der Oper“ auf der Bühne des Raimund Theaters. Genug bekommen kann er davon nicht. „Es hat wahrscheinlich ein halbes Jahr gebraucht, bis ich die richtige Stimme dafür gefunden habe, aber jetzt kann ich diese Figur so ausfüllen, wie ich es mir vorstelle.“

Ihn berühre die Einsamkeit des entstellten Mannes, der in den Katakomben der Pariser Oper lebe. Diese Isolation eröffne ihm im Spiel einen enormen Facettenreichtum. „Man kann heulen, schreien oder ganz leise sein. Nichts davon ist falsch. Wenn man ein Stück en suite bis zu sieben Mal pro Woche spielt, braucht man diesen Spielraum auch.“

Natürlich gebe es gesangliche Herausforderungen. Wir sprechen schließlich von Andrew Lloyd Webber. „Aber die größte Challenge dieser Neuproduktion von Cameron Mackintosh bestand darin, das Publikum die alte Version vergessen zu lassen. Früher war das Phantom reifer, die zwischen ihm und Christine vorherrschende latente Erotik könnte man heute gar nicht mehr darstellen. Jetzt ist nicht nur die Besetzung jünger und diverser, sondern das Stück insgesamt moderner.“

Ihm sei – und da sind wir wieder beim Talent zur künstlerischen Vielfalt – die Textarbeit wichtiger als die Töne. „Wenn man auch singen kann, ist das gerade im Musical natürlich ein Bonus“, meint er schmunzelnd, „aber ich finde nicht, dass die Besetzung ausschließlich auf musikalischen Fähigkeiten beruhen sollte.“

Eine der ihm am häufigsten gestellten Fragen sei, ob er seinen Beruf in erster Linie für den Applaus ausübe. „Nein. Ich mache es mehr für die Stille. Wenn zweitausend Menschen gemeinsam totenstill sind, ist das ein außergewöhnlicher Moment.“

Anton Zetterholm
wuchs in Schweden auf, ließ sich an der Balettakademien
Göteborg zum Musicaldarsteller
ausbilden, gewann 2008 in Deutschland die TV-Castingshow „Ich Tarzan, Du Jane!“ und damit
verbunden die Hauptrolle im Musical „Tarzan“. In Folge feierte er u. a. als Billy Flynn in „Chicago“
an der Oper Bonn, Enjolras in „Les Misérables“ am Londoner West End oder aktuell als Don José in „Killing Carmen“ an der Volksoper Wien, wo er auch Tony in „West
Side Story“ spielt, große Erfolge. Seit 2024 verkörpert er am
Raimund Theater die Titelrolle in „Das Phantom der Oper“.
Foto: Stefan Fürtbauer
Anton Zetterholm wuchs in Schweden auf, ließ sich an der Balettakademien Göteborg zum Musicaldarsteller ausbilden, gewann 2008 in Deutschland die TV-Castingshow „Ich Tarzan, Du Jane!“ und damit verbunden die Hauptrolle im Musical „Tarzan“. In Folge feierte er u. a. als Billy Flynn in „Chicago“ an der Oper Bonn, Enjolras in „Les Misérables“ am Londoner West End oder aktuell als Don José in „Killing Carmen“ an der Volksoper Wien, wo er auch Tony in „West Side Story“ spielt, große Erfolge. Seit 2024 verkörpert er am Raimund Theater die Titelrolle in „Das Phantom der Oper“.

Was ihn bei „Das Phantom der Oper“ hingegen nur mäßig berühre, sei der herabfallende Luster – auch wenn viele Fans bei jeder Vorstellung genau dem entgegenfieberten. „Eigentlich habe ich noch nie richtig darüber nachgedacht, aber mir ist diese Szene nicht wichtig. Musiktheater kann auf ganz andere Weise unglaublich berührend sein. Im Grunde genommen ist das, was wir tun, ja unnatürlich. Kein Mensch spricht in dieser höfischen Form und beginnt mittendrin plötzlich zu singen. Wenn man das aber mit der angesprochenen Natürlichkeit hinbekommt, erweckt man eine direkte, intensive Emotion.“

Der Absturz des Lusters

wird bereits im Originalroman „Le Fantôme de l’Opéra“ des französischen Journalisten und Schriftstellers Gaston Leroux beschrieben – und fand wirklich statt. Am 20. Mai 1896 brachte ein Feuer am Dach der Pariser Opéra Garnier den Haltedraht des Lusters zum Schmelzen, woraufhin dieser während einer Vorstellung in den Zuschauerraum fiel. Dabei wurde eine Besucherin getötet.

Gemeinsamer Geburtstag

Nächstes Jahr wird „Das Phantom der Oper“ 40 – zeitgleich mit Anton Zetterholm. Da sollte sich im Juni 2026 doch wohl eine besondere Feier ausgehen. Vor der letzten Vorstellung habe er ein bisschen Angst. „Ich genieße die Dernière zwar meistens mehr als die Premiere, fürchte allerdings, dass ich das Phantom sehr vermissen werde.“

Aber erstens sei es noch lange nicht soweit und zweitens habe er nicht vor, diese Rolle schon zu Grabe zu tragen. „So, wie ich mich fühle, könnte ich das wohl noch ein paar Jahre lang spielen. Wir werden sehen, was passiert.“ Das gelte auch für eventuelle Schauspielrollen.

„Es gibt keine konkreten Pläne dafür, aber man muss sich in unserer Branche jede Tür offenhalten. Auch wenn ich im Moment viel Glück habe, kenne ich wie jeder Darsteller den Stress, vielleicht nie wieder ein Angebot zu bekommen. Deshalb nutze ich auch jede Chance.“

„Die Textarbeit ist mir wichtiger als die
Töne. Singen zu können, ist ein Bonus.“
Anton Zetterholm
Sänger & Schauspieler
Foto: Stefan Fürtbauer
„Die Textarbeit ist mir wichtiger als die Töne. Singen zu können, ist ein Bonus.“ Anton Zetterholm Sänger & Schauspieler

Sein eigentlicher Traum, erzählt er nicht ganz ernst, sei es noch immer, Fußballprofi zu werden. „Ich komme aus einer kleinen schwedischen Stadt. Da gab es keine Theater, aber Fußball. Ich habe 17 Jahre lang als Stürmer gespielt.“ Seine beiden Söhne teilten diese Vorliebe bis dato nicht. „Aber in Wien wird dafür die Kultur ungemein hochgeschätzt. Wenn ich in der Volksoper den Kinderchor sehe, denke ich jedes Mal: Wie cool ist das denn. Einmal habe ich an der Bushaltestelle einen Teenager über Jonas Kaufmann reden gehört. What the fuck? Das würde in Schweden niemals passieren!“ Um benachteiligten Kids den Zugang zur Kunst im Allgemeinen und zur Musik im Konkreten zu ermöglichen, unterstützt Anton Zetterholm übrigens in Deutschland den Verein „Brücken für Kinder“.

Wenn jemand ein Musical über ihn und sein ausgefülltes Leben schreiben würde, wie müsste der Titel dafür lauten? Spontan fällt Anton Zetterholm „Chaos“ ein. „Aber lass mich darüber nachdenken und ich sage es dir dann beim nächsten Interview.“

Versprochen.

Im Keller der Pariser Oper. Anton Zetterholm entführt in der Rolle des Phantoms die Sopranistin Christine Daaé, gespielt von Lisanne Clémence Veeneman, in sein düsteres Reich.
Foto: Deen van Meer
Im Keller der Pariser Oper. Anton Zetterholm entführt in der Rolle des Phantoms die Sopranistin Christine Daaé, gespielt von Lisanne Clémence Veeneman, in sein düsteres Reich.

Hier geht es zu den Spielterminen von "Das Phantom der Oper" im Raimund Theater!

Wallgasse 18-20
1060 Wien
Österreich

Erschienen in
Bühne 10/2025

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Klaus Peter Vollmann
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