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Nienke Latten ist Maria Theresia.

Nienke Latten ist Maria Theresia.
Foto: Stefan Fürtbauer

Maria Theresia: Backstage beim Musical-Hit

Musical

Mit Pop, Rap und Parkour auf den Thron. „Maria Theresia – Das Musical“ zeigt die Kaiserin als Working Mum, strenge Monarchin und leidenschaftliche Geliebte. Historisch wertvoll. Künstlerisch aktuell.

Roaring Royals. Im Ronacher wird Gas gegeben. Da bauen Nienke Latten in der Titelrolle, Fabio Diso als ihr umschwärmter Ehemann Franz Stephan und Moritz Mausser in der Rolle des düsteren Preußenkönigs Friedrich II. stimmlich gehörig Druck auf, ehe sich die hohe Energie in kraftvollen Balladen und halsbrecherischen Tanzszenen entlädt.

Auch der Rest des hochklassig besetzten Ensembles trägt zur dynamischen Dezibelmaximierung bei und hat zudem gehörigen Schauwert. Die exzellente Ausstattung sorgt für flirrenden Glamour. Barocke Pracht trifft auf Lady Gaga. Ziemlich sexy, was Regisseur Alex Balga da auf die Bühne gebracht hat. Und durchaus nicht selbstverständlich angesichts der historischen Vorlage. Denn Maria Theresia herrschte 40 Jahre lang und hatte es in ihrer Regentschaft wahrlich nicht immer leicht. Dazu gebar sie 16 Kinder, von denen zehn überlebten, und musste die häufigen Liebschaften ihres Gatten hinnehmen, was ihr als gläubiger Katholikin weniger leicht fiel, als es die damaligen Gepflogenheiten erwarten ließen.

Female Empowerment

„Ihr Leben eröffnet eine fesselnde und zugleich überraschend moderne Perspektive auf eine der schillerndsten Figuren der Habsburgermonarchie“, erklärt Intendant Christian Struppeck, warum die Wahl bei der Suche nach einem neuen eigenproduzierten Stoff ausgerechnet auf Maria Theresia fiel. „Es sind nicht nur die politischen Errungenschaften, sondern vor allem die persönlichen Dramen, die diese historische Persönlichkeit zur idealen Bühnenfigur machen. Sie war weit mehr als eine Herrscherin, sie war eine Visionärin, die mit unerschütterlichem Mut und strategischem Weitblick in einer von Männern dominierten Welt ihren Weg ging. Ihre Entschlossenheit und Menschlichkeit sind zeitlos und wirken bis heute inspirierend.“ Es sei das erklärte Ziel gewesen, die vielschichtigen Facetten Maria Theresias lebendig werden zu lassen.

„Von ihrem Aufstieg zur mächtigsten Frau Europas über ihre bahnbrechenden Reformen bis hin zu den persönlichen Herausforderungen und inneren Kämpfen, die sie bestehen musste. Wir beleuchten historische Meilensteine, aber auch die emotionalen Höhen und Tiefen – und zeichnen so das Bild einer Frau, die weit über ihre Zeit hinaus gedacht und gewirkt hat“, präzisiert Christian Struppeck die grundlegenden Intentionen.

Hommage an Carrie Bradshaw. Nienke Latten
in einem ihrer 14 spektakulären Bühnenoutfits beim Fotoshooting im
Ronacher.
Foto: Stefan Fürtbauer
Hommage an Carrie Bradshaw. Nienke Latten in einem ihrer 14 spektakulären Bühnenoutfits beim Fotoshooting im Ronacher.

Diese waren auch ganz im Sinne von Alex Balga, der die Inszenierung nur unter der Prämisse angenommen hat, ein modernes Frauenbild zeigen zu dürfen. Vorbild im Geiste sei dabei seine Mutter gewesen, die als Alleinerzieherin eine eigene Firma geführt und so ganz nebenbei auch patriarchale Strukturen aufgebrochen habe. „Mich ärgert es auch, dass Frauen medial oft nur in einem negativen Kontext wahrgenommen werden – als diejenigen, die weniger verdienen und schlechtere Chancen haben. Dass sich das schleunigst ändern muss, ist klar. Aber darüber hinaus gehören doch die enormen Leistungen von Frauen viel stärker gewürdigt. Ich würde mir sehnlichst eine Frau als Bundeskanzlerin wünschen, damit Mädchen auch diesbezüglich eine Identifikationsfigur hätten, die ihnen zeigt, dass auch sie alles erreichen können.“

Ihre Entschlossenheit und Menschlichkeit sind zeitlos und wirken bis heute inspirierend.

Christian Struppeck, VBW-Musical-Intendant

Es sei ihm ein Anliegen gewesen, keine Schablone abzubilden, sondern die vielschichtigen Facetten Maria Theresias lebendig werden zu lassen. „Sie hat Legendenstatus, bleibt in vielem aber auch mysteriös, weil die historische Wucht alles überdeckt. Uns war es wichtig, den Menschen sichtbar zu machen, denn diese Frau hatte natürlich auch Gefühle und war in diesen durchaus ambivalent. Sie selbst konnte ihre große Liebe Franz Stephan heiraten, hat ihre Kinder aber zu Zweckehen gezwungen. Einerseits war sie ein absoluter Workaholic, andererseits ein Familienmensch. Sie musste Konventionen brechen, um sich in der Männerwelt zu behaupten und polarisierte durch viele Entscheidungen auch. Beileibe nicht alles, was sie getan hat, war großartig. Genau das macht sie aber spannend. Oft hat sie aus Überzeugung gehandelt, manchmal aber auch aus Kalkül. Wir zeigen nicht nur das Schöne, sondern schauen auch dorthin, wo es wehtut.“

Christian Struppeck hatte die Idee zum Stück und war als VBW- Musical-Intendant für die künstlerische Entwicklung des Stoffs verantwortlich.
Foto: Andreas Jakwerth
Christian Struppeck hatte die Idee zum Stück und war als VBW- Musical-Intendant für die künstlerische Entwicklung des Stoffs verantwortlich.

Rappende Monarchin

Auftritt Nienke Latten. Die ganze Bandbreite einer Figur verkörpern zu dürfen, ist ganz im Sinne der niederländischen Darstellerin. „Bisher war ich meistens die Prinzessin oder junge Geliebte, jetzt darf ich in manchen Szenen auch richtig unsympathisch sein“, freut sie sich auf den Rollenwechsel.

Die Tatsache, dass Maria Theresia die erste Frau in der europäischen Geschichte mit einer derartigen Machtfülle gewesen sei, ringe ihr höchsten Respekt ab. „Für mich war sie eine Feministin, denn sie wollte als den Männern gleichwertig gelten. Sie hat sich auch nicht entmutigen lassen von all den Menschen, die ihr die Regierungsgeschäfte nicht zugetraut haben, sondern hat den Zweiflern einfach das Gegenteil bewiesen.“

Nienke Latten studierte Musical an der Fontys School of Fine & Performing Arts, verkörperte u. a. Maria in „West Side Story“ und Prinzessin Jasmin in Disneys „Aladdin“, ehe sie 2022 als Ich in „Rebecca“ am Raimund Theater debütierte,
wo sie 2023 auch Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“ sang. 2024/25 stellte sie Prinzessin Anna in
Disneys „Die Eiskönigin“ dar. Die Rolle der Kaiserin in „Maria Theresia – Das Musical“ ist ihre erste Titelrolle.
Foto: Stefan Fürtbauer
Nienke Latten studierte Musical an der Fontys School of Fine & Performing Arts, verkörperte u. a. Maria in „West Side Story“ und Prinzessin Jasmin in Disneys „Aladdin“, ehe sie 2022 als Ich in „Rebecca“ am Raimund Theater debütierte, wo sie 2023 auch Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“ sang. 2024/25 stellte sie Prinzessin Anna in Disneys „Die Eiskönigin“ dar. Die Rolle der Kaiserin in „Maria Theresia – Das Musical“ ist ihre erste Titelrolle.

Die Rolle der Maria Theresia ist zweifellos ein Kraftakt. Nienke Latten steht in beinahe jeder Szene auf der Bühne, tritt in bis zu sechs Aufführungen wöchentlich auf und muss sogar rappen. „Das habe ich in meinem Leben davor tatsächlich noch nie gemacht. Zum Üben habe ich es zunächst auf Niederländisch und Englisch probiert, aber erstaunlicherweise fällt es mir in deutscher Sprache am leichtesten.“

Zudem verlangt die Figur emotionale Durchlässigkeit. „In besonders berührenden Szenen wie etwa dem Tod von Franz Stephan muss man in seinem eigenen Rucksack kramen, um echte Gefühle zutage zu fördern und wahrhaftig spielen zu können. Das ist ein bisschen wie Method Acting. Man denkt zum Beispiel an einen geliebten Menschen, den man vielleicht schon verloren hat, und speichert diese Vorstellung ab.“

Musicaldarstellerin zu werden, sei immer ihr beruflicher Plan A gewesen. „Singen, Spielen und Tanzen sind ein oftmals unterschätzter Spitzensport, für den ich schon als Zwölfjährige alles gegeben habe“, erinnert sich Nienke Latten. „Meine Großeltern hatten anfangs Angst, dass ich damit nicht genug Geld verdienen könnte, aber als sie gesehen haben, wie ernst es mir ist, haben sie mich bedingungslos unterstützt. Einer meiner Großväter lebt noch, er ist 88 und will unbedingt bald nach Wien kommen, um mich als Maria Theresia zu sehen.“

Trio femminile. Annemieke van Dam als Madame Fuchs, Nienke Latten in der Titelrolle und Annemarie Lauretta als Kaiserinmutter Elisabeth Christine (v. l.).
Foto: Stefan Fürtbauer
Trio femminile. Annemieke van Dam als Madame Fuchs, Nienke Latten in der Titelrolle und Annemarie Lauretta als Kaiserinmutter Elisabeth Christine (v. l.).

Sie selbst kommt aus einem Land mit konstitutioneller Monarchie. Warum faszinieren Königshäuser ihrer Meinung nach noch immer so viele Menschen?

„Ich denke, dabei geht es um eine Form von Zusammenhalt. Und um Inspiration. Es gibt in den Niederlanden aber auch viele Gegner der Monarchie.“ Erlebt sich Nienke Latten schon ein wenig wienerisch? „Manchmal ja – und ich habe auch schon ein paar Wörter gelernt. Die Vorsilbe ,ur‘ benutzen hier doch alle so gern.“ Stimmt, die Königsklasse ist allerdings die mannigfaltige Verwendung des Worts „Oida“.

Die von ihr durchgesetzte Aufhebung der Steuerfreiheit für Adel und Klerus war ein unvorstellbarer Affront.

Katrin Unterreiner, Historikerin

Adelsschreck und moderne Ehefrau

Katrin Unterreiner ist Historikerin und hat „Maria Theresia – Das Musical“ als wissenschaftliche Beraterin begleitet. „Ich habe sofort gemerkt, dass sich das ganze Team sehr bemüht, diese Geschichte historisch authentisch zu erzählen und unterhaltsam auf die Bühne zu bringen, wofür es natürlich Verdichtungen geben muss. Meine Aufgabe war es zu schauen, ob das große Ganze noch stimmig ist und Detailfragen korrekt abgehandelt werden.“ Zu ihrer großen Freude habe sie kaum eingreifen müssen, weil die relevanten Themen, die ihr am Herzen lägen, wenn es um Maria Theresia gehe, ohnehin berücksichtigt worden seien.

„Zum Beispiel, dass sie so unvorbereitet auf den Thron gekommen ist und weder am Hof noch in der Bevölkerung jemand an sie geglaubt hat. Sie hat das Ruder herumgerissen, aus der Not eine Tugend gemacht und die Habsburger-Dynastie, die wirklich am seidenen Faden hing, gerettet. Auch das Verhältnis zu ihren Kindern wird nicht geschönt. Sie war ja keine liebevolle Mutter, sondern hat im Interesse des Reichs recht brutal über deren Schicksal bestimmt.“

Selbst ihre religiöse Intoleranz gegenüber Juden und evangelischen Christen werde nicht ausgespart. „Mich fasziniert an ihr auch, dass sie ihren Job immer an erster Stelle gesehen und auch nie ein schlechtes Gewissen deswegen gehabt hat. Die Liebe zwischen ihr und Franz Stephan war wirklich offensiv, er hat sie auch im besten Sinn unterstützt und keinen Minderwertigkeitskomplex entwickelt, weil sie die Regentin war. Was er geschäftlich im Hintergrund geleistet hat, das hat ja niemand gesehen. Er war auch für die Kinder die Hauptbezugsperson. Diese Ehe war tatsächlich sehr modern.“

Come on, vogue. Choreograf Jonathan Huor kreierte die Moves und verlangte dem Ensemble auch Parkour – also die scheinbar mühelose Überwindung von Objekten - ab.
Foto: Stefan Fürtbauer
Come on, vogue. Choreograf Jonathan Huor kreierte die Moves und verlangte dem Ensemble auch Parkour – also die scheinbar mühelose Überwindung von Objekten - ab.

Der Reformwille der Kaiserin war dies auch. „Mir imponiert, dass sie genau hingeschaut hat. Sie hat Sorgen und Nöte erkannt und auch so ihren Thron abgesichert. Die von ihr durchgesetzte Aufhebung der Steuerfreiheit für Adel und Klerus war in der damaligen Zeit ein unvorstellbarer Affront. Trotzdem hat sie nicht gezaudert und gezögert. Sie wollte gar nicht Everbody’s Darling sein. Auch die Leibeigenschaft hat sie mehr oder minder aufgehoben. Die Bildungspolitik wurde übrigens deshalb modernisiert, weil sie im Zuge der Zentralisierung der Verwaltung gut ausgebildete Beamte gebraucht hat. Und weil Kinder im Sommer als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft unabdingbar waren, hat sie die Ferien eingeführt. Wien hat sich bald als wissenschaftliches Zentrum herauskristallisiert und europaweit eine Führungsrolle eingenommen.“

„Für mich war sie eine Feministin, denn sie wollte als den Männern gleichwertig gelten.“ Nienke Latten, Musicaldarstellerin
Foto: Stefan Fürtbauer
„Für mich war sie eine Feministin, denn sie wollte als den Männern gleichwertig gelten.“ Nienke Latten, Musicaldarstellerin

Oft wird behauptet, sie sei gar keine Kaiserin gewesen. Durfte sie sich nun so nennen oder nicht? „Ja. Als Frau des Kaisers war sie selbstverständlich Kaiserin und wurde auch so tituliert. Sie war lediglich keine regierende Kaiserin, denn das war ihr Mann.“ Maria Theresia sei jedenfalls herausragend gewesen. „Eine solche Figur hat es in der österreichischen Geschichte danach nicht mehr gegeben.“

Und was ist mit Sisi? „Ganz ehrlich, von Kaiserin Elisabeth würde heute kein Mensch mehr reden, wenn es die Filme mit der entzückenden Romy Schneider nicht gegeben hätte.“

Alex Balga setzte „Maria Theresia – Das Musical“ im Ronacher in Szene und legte dabei Wert auf eine moderne Deutung.
Foto: Andreas Jakwerth
Alex Balga setzte „Maria Theresia – Das Musical“ im Ronacher in Szene und legte dabei Wert auf eine moderne Deutung.

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Klaus Peter Vollmann
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