Sahand und Navid Gholipour: »Handwerk ist so wichtig wie Poesie«
Ihre Entwürfe wirken futuristisch und nostalgisch zugleich. Was die beiden Designer Sahand und Navid Gholipour mit ihren nachhaltigen, minimalistischen Möbeln sagen möchten und warum Holz ihr Lieblingsmaterial ist, erzählen sie uns im exklusiven Interview.
Anders und einzigartig wirken die Möbel des Labels Lovenlight, in denen östliche Formensprache mit westlichem Contemporary Design verschmilzt. Dabei sind die Designer aus dem Iran eigentlich Autodidakten. Sahand studierte Elektrowissenschaften, Navid Grafikdesign. Die Brüder entwarfen als Hobby kleine Objekte in ihrer Garage, gründeten 2010 ihr Label in Zypern und eröffneten 2016 eine Holzwerkstatt in der Altstadt von Limassol. Durch die ständige Beschäftigung mit dem Werkstoff wurden sie zu professionellen Holzarbeitern. »Wir wollten etwas mit eigenen Händen schaffen, spielten gerne mit verschiedenen Upcycling-Materialien wie Kürbissen, Holz, Glas und Stein.«
2019 erhielten sie den BIG SEE Wood Design Award für außergewöhnliche Designlösungen im Bereich Holz. Seitdem werden ihre Möbel auf Ausstellungen von Zypern bis Venedig gezeigt, zuletzt auf der dortigen Handwerksausstellung Homo Faber. Sahand und Navid Gholipour erzählen im Interview, warum sie die Welt einzigartiger machen wollen.
Sie stellen künstlerische Objekte aus Holz her, vom Schachbrett bis zum Stuhl. Warum Holz?
Holz ist zu unserem Lieblingsmaterial geworden. Wir waren von seinen Eigenschaften fasziniert und davon, dass wir es nach Belieben formen konnten. Holz ist lebendig, atmet, birgt Geschichten in sich. Holz setzt sein Dasein in Wohnräumen fort und wird Teil des Lebens seiner Bewohner:innen. Welche Hölzer verwenden Sie? Das hängt vom konkreten Projekt ab. Wenn wir einen Tisch bauen, verwenden wir dichtes, gerade gemasertes Holz für die Beine, um Festigkeit und Stabilität zu gewährleisten. Für die Tischplatte aber leichteres Holz mit einer schönen Maserung.
Sie leben auf Zypern. Welche Einflüsse von dort finden sich in Ihren Entwürfen?
Wir lassen uns vom täglichen Leben inspirieren, sind aber auch vom Minimalismus und von der Eleganz des skandinavischen und dänischen Designs fasziniert. Gleichzeitig prägen uns unsere iranischen Wurzeln.
Ihre Arbeit liegt zwischen Kunst und Handwerk. Wie wichtig ist Letzteres für Sie?
Handwerk ist Teil der Kultur. Wie Kunst ist es eine Sprache, die aber einen funktionaleren Zweck hat. Massenproduktion und verantwortungsloser Konsum sind die größten Herausforderungen für das Überleben des Handwerks. Ein gut gefertigtes Stück hält über Generationen und kann repariert werden. Handwerkskunst ist für unsere Kultur ebenso wichtig wie Kunst, Poesie und Literatur.
Was macht Ihre Designsprache besonders?
Wir sind Handwerker der ersten Generation und müssen als Designer und Produzenten über den Tellerrand hinausdenken. Das ist sehr herausfordernd. Wir müssen uns während des Entwerfens auch fragen, wie das Objekt angefertigt werden kann. Ein »zeitloses Stück« zu entwerfen, bedeutet die Synthese von Ästhetik, Funktion und Ausführung. Die besten Stücke entstehen aber nach dem »Von uns zu uns«-Ansatz, damit haben wir beim Entwerfen freie Bahn.
Sie bekamen den BIG SEE Wood Design Award für eine Bank, die von den 1950erJahren inspiriert wurde. Blicken Sie gerne zurück?
Wir lassen uns gerne von früheren Designs inspirieren, da jede historische Epoche ihre Besonderheiten hat, wie eigene Werkzeuge und kulturelle Strömungen, die die Zeit prägten. Durch vergangene Formensprachen können wir deren gestalterischen Kontext besser verstehen und ihn in eine zeitgenössische Designsprache übersetzen.
Zeitgenössisch wirken auch die Holzkreisel für die Homo-Faber-Ausstellung. Waren sie herausfordernd in der Herstellung?
Ja, denn ähnlich wie der Töpfer Ton formt, verändert das Stück beim Drechseln unter der Hand jede Sekunde seine Form. Das war ein völlig neuer Aspekt, er brachte uns in einen Zustand des Flows. Kreisel sind verspielt, nostalgisch und uralt. Sie sind auch sehr menschlich. Jeder tanzt und dreht sich anders, fällt anders um. Bei der Serie »Maturation« in monochromatischem Schwarz gingen wir bei Größe und Dicke an die Grenzen des Materials. Es gab nur eine Regel: Sie mussten sich drehen! Sie unterrichten auch.
Was möchten Sie Studierenden vermitteln?
Über technische Fähigkeiten hinaus, die mit der Holzbearbeitung verbunden sind, möchten wir die Freude teilen, etwas mit eigenen Händen zu schaffen. Student:innen sollen lernen, dass das Handwerk auch harte Arbeit mit sich bringt. »Lernen durch Herstellung« ist unsere Philosophie, die das Lovenlight-Schachspiel symbolisiert.
Wie lautet Ihr Motto?
Unsere Mission ist einfach: Wir entwerfen, um die Welt eigenartiger und gemütlicher zu machen. Ein einzigartiges Objekt nach dem anderen.