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Interview mit Bernd Vogl: »Wir brauchen einen Mix aus Suffizienz und Effizienz«

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Bernd Vogl ist Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds – und damit ein Förderer und Unterstützer von grünen Projekten, die auf das Konto der dringend erwarteten Klima- und Energiewende einzahlen. Ein Gespräch über Abwasser, Paradeiser und die Kraft von Instagram.

LIVING: 31 Grad im Juni: Sind Sie heuer schon ins Schwitzen gekommen?

Bernd Vogl: Ich gehe schnell, ich bewege mich mit einem großen Tempo durchs Leben, ich komme leicht ins Schwitzen – in den letzten zwei Jahren definitiv mehr als früher.

Und im übertragenen Sinne?

Die aktuelle Situation bringt einen unweigerlich ins Schwitzen. Wir leben mitten in einer Klimakrise, die Temperaturen steigen unaufhaltsam, und wir haben die CO2-Emissionen noch lange nicht im Griff. Es gilt dringend zu handeln. Doch der globalpolitische Rechtsruck mit Kriegen, Handelskrisen und fragwürdigen Strafzöllen wirkt aktuell leider in die genau entgegengesetzte Richtung. Zusätzlich führt das österreichische Sparpaket zur Reduktion von Fördermitteln für grünes Bauen. Das alles bereitet mir große Sorgen. Was mir wiederum Hoffnung gibt: International befinden sich die erneuerbaren Energien und auch die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Entwicklungen in einem spürbaren Aufschwung. Viele Energien sind autark, flexibel einsetzbar und mittlerweile in einer großen Produktionsserie auch gut leistbar.

Welche dieser erneuerbaren Energien sind in Österreich relevant?

Vor allem Wasserkraft. Wir sind aber auch ein sehr reiches Waldland, das heißt, es gibt viel Biomasse. Und nun beobachten wir in den letzten Jahren ein großes Wachstum im Bereich Wind und Sonne. Insgesamt sind wir bei den Erneuerbaren gut aufgestellt.

Wie groß ist der Anteil genau?

Derzeit werden um die 35 Prozent unseres österreichischen Gesamtenergiebedarfs mit erneuerbaren Energien abgedeckt. Schaut man nur auf den Strom, liegen wir bei fast 90 Prozent. Das sind echt gute Werte.

Seit Anfang 2023 sind Sie Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds – und setzen sich damit für ein klimaneutrales Österreich ein. Was sind die dringlichsten Anliegen?

Die größten Hebel und somit auch die wichtigsten Schwerpunkte sind Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Unterstützung einer nachhaltigen Energie- und Mobilitätswende. Und hier wiederum fokussieren wir uns auf die großen Energie- und Ressourcenverbraucher und die größten CO2-Emittenten – und zwar auf Verkehr, Industrie und die gesamten Baubranche. Wenn es uns gelingt, in diesen drei Sektoren eine Energiewende zu erzielen und die klimarelevanten Werte zu reduzieren, dann haben wir schon viel erreicht.

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Im Verkehr und in der Bauindustrie ist die Energiewende dank Förderungen, medialer Berichterstattung und entsprechenden Produkten am Markt bereits in aller Munde. Aber wie kann man sich eine grüne Industrie vorstellen?

Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele: Einige Energielieferanten wie etwa die EVN haben bereits ihre ersten Kraftwerke, die einst mit Kohle und Gas befeuert wurden, auf Biomasse umgestellt. Die Flotte der Österreichischen Post wird zum Teil über PV-Großanlagen versorgt. Der Bodensee wird in Zukunft über eine Wärmepumpe Fernwärme nach Bregenz bringen. In Wien wiederum nutzen wir geo­thermische Energie aus einigen Tausend Metern Tiefe zum Heizen. Und Wienerberger betreibt in Uttendorf, Oberösterreich, nun ihre erste Ziegelbrennerei mit industriellem Elektroofen. Es tut sich also was!

Sehr oft ist, wenn wir über Klima und Energie sprechen, die Rede von Digitalisierung und neuen Technologien. Ist die Klimawende ohne Hightech überhaupt machbar?

Um die Klimawende zu schaffen, brauchen wir zusätzlich zum Ausbau der Erneuerbaren einen Mix aus Suffizienz und Effizienz. Suffizienz bedeutet Reduktion und Konzentration auf Wesentliches – so wie das etwa in der japanischen Kultur praktiziert wird. Dafür brauchen wir kein Hightech, dafür müssen wir nur als Gesellschaft umdenken. Für die Effizienz­steigerung und Versorgung mit erneuerbaren Energien aber ist Hightech unverzichtbar. Ohne Technik können wir die Herausforderung nicht stemmen.

In einem Interview meinten Sie einmal: »Sämtliche Technologien und Innovationen, die ich propagiere und im großen Maßstab einsetze, probiere ich zunächst einmal in meinem eigenen Alltag aus.« Das bedeutet?

Ich wohne in einem historischen Haus, das einst meiner Großmutter gehört hat und das ich mit PV-Anlage und Wärmepumpe energetisch aufgerüstet habe. Die Mobilität wird mit E-Auto, Bahn und Rad sichergestellt. Funktioniert wunderbar! Jetzt plane ich, mein Haus noch mit Speicher auszustatten. Der soll über einen Smart Meter betrieben werden, um auch hier neue Praxiswerte in Erfahrung zu bringen.

Ein wichtiger Schwerpunkt des Klima- und Energiefonds ist auch die Klimawandel­anpassung in Städten und Regionen. Was genau wird da gemacht?

Es gibt ein wirklich cooles, zukunftsweisendes Projekt in Tulln, wo ein bestehender Parkplatz zwischen Altstadt und Donauufer entsiegelt und in einen wunderschönen, 8.000 Quadratmeter großen Park mit Grün, Beeten, Bäumen, Sitzmöglichkeiten und fotogenen Insta-Spots für Hochzeiten umgebaut wurde. Einfach sensationell!

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Mit welchen Argumenten schafft man es, so ein Projekt zu realisieren?

Der neue Nibelungenplatz ist sehr stark mit dem Engagement von Bürgermeister Peter Eisenschenk verbunden. Es braucht auf jeden Fall ein starkes Zugpferd, das eine Vision hat und das diese Vision auch wirklich durchboxt. Aber natürlich hat so ein Projekt auch Auswirkungen auf Kaufkraft, Lebens­qualität und nicht zuletzt die Klima- und Öko­bilanz einer Gemeinde. Es gibt bereits viele Gemeinden in Österreich, die hier mit wirklich gutem Beispiel vorangehen. Das sind gute und wichtige Vorbilder für andere.

Was sind die neuen Trends und Technologien, die Sie gerade beobachten und auch mit entsprechenden Unterstützungen fördern?

Ein wichtiges Thema ist die Wärmerück­gewinnung aus Abwässern – sowohl zentralisiert, wie etwa bei der Großwärmepumpe Simmering, als auch dezentralisiert in einzelnen Wohn­häusern, wie etwa bei den Wientalterrassen in Penzing oder in der Friedrich-Inhauser-Straße in Salzburg: Bevor das Abwasser aus Küche, Dusche, Badewanne, Waschmaschine und Geschirrspüler in die Kanalisation abgeleitet wird, wird ihm über Wärmetauscher erst einmal die restliche Wärme entnommen, die dann die Heizung, Fernwärme und Warm­wasser-Aufbereitung unterstützt.

Was sind die dringlichsten Aufgaben für die Zukunft?

Dezentralisierung und Verkürzung der Wege. Je näher der Paradeiser wächst, desto besser für die Klimabilanz. So ähnlich ist das auch bei der Energieproduktion und Energie­speicherung. Je näher und regionaler, desto resilienter. Diese Transformation zu begleiten ist eine der zentralen Aufgaben des Klima- und Energiefonds.

Erschienen in
LIVING 05/2025

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Wojciech Czaja
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