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Kreatives Zusammenspiel: Patrick Norguet im Interview

Interview
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Mit dem »Rainbow Chair« gelang ihm vor 25 Jahren der Durchbruch – seither zählt Patrick Norguet zu den festen Größen der Designwelt. Mit LIVING spricht er über die Rolle des Designers, kreative Prozesse und seine neue Kollektion »OZZY« für Flexform.   

Wie wandlungsfähig Patrick Norguet ist, offenbart ein Blick auf den Werdegang des französischen Designers: Nach seinem Studium an der ESDI in Paris arbeitete er zunächst als Szenograf für Luxusmarken wie Louis Vuitton oder Renault, bevor er 2000 – in jenem Jahr, in dem sein ikonischer »Rainbow Chair« bei Cappellini für Aufsehen sorgte – sein preisgekröntes Pariser Studio gründete. Hier kreiert er seit 25 Jahren herausragende Möbel, Leuchten und sogar Hotelkonzepte, in denen industrielle Prozesse, handwerkliche Präzision und Sinn für Ästhetik zueinanderfinden. Zu seinen aktuellen Arbeiten zählt die elegante Produktfamilie »OZZY« für Flexform, die beim diesjährigen Salone vorgestellt wurde.

LIVING Herr Norguet, Sie arbeiten mit einigen der angesehensten Hersteller:innen der Designwelt. Was macht Ihrer Erfahrung nach eine erfolgreiche Beziehung zwischen Designer:in und Hersteller:in aus? 

PATRICK NORGUET Jedes meiner Projekte ist kontextbezogen. Meine Aufgabe besteht darin, eine Marke zu verstehen und sie in ihrer Strategie zu unterstützen. Die Kreation sinnvoller Projekte und Produkte ist nur möglich, wenn die Marke bereit ist, eine starke, langfristige Beziehung mit mir aufzubauen. Die Möbelindustrie und ihr Ökosystem sind sehr klein, und ich beob-achte seit Jahren die Austauschbarkeit von Designer:innen, die von Marke zu Marke wechseln. Ich ziehe es vor, eine starke, beständige Kund:innenbeziehung aufzu-bauen. Diese Rolle als Partner ist der einzige Weg, etwas zu bewirken.

Inwieweit beeinflussen Materialität und handwerkliche Techniken Ihre Serienproduktionen? 

Die Materialwahl ist ebenfalls kontextabhängig, je nach Art des Projekts, Zielen, Möglichkeiten der Industrialisierung, Kosten und der DNA der Marke. Ich nutze Materialien als Mittel zur Übersetzung der Idee, des Konzepts, das ich entwerfe. Auch die handwerkliche Dimension, das Savoir-faire, ist essenziell. Ein Projekt beginnt immer mit dem Können der Handwerker:innen. Der Unterschied ergibt sich dann aus der Größe des Unternehmens und seiner Fähigkeit, das Produkt zu vervielfältigen. Für mich bedeutet Handwerkskunst, mit Intelligenz zu arbeiten – basierend auf Können, Tradition und Wissen.

Welche gestalterische Vision steckt hinter »OZZY«, Ihrer jüngsten Kollektion für Flexform?

Flexform ist eine High-End-Möbelmarke, die Design, Einzigartigkeit und Qualität klar in ihrer Strategie verankert. Für mich gilt es daher, Produkte zu definieren, die zur DNA von Flexform passen. Ich habe »OZZY« in mehreren Phasen entwickelt, die erste war ein sehr schlichter Hocker, der die Elemente eines hochwertigen Objekts in den Vordergrund stellt: ein identifizierbares, keineswegs überzeichnetes Design. Inspiriert von der Welt der Bekleidung, etwa dem Kragen einer Jacke, habe ich ein Skript erarbeitet und mithilfe von Leder umgesetzt. »OZZY« entstand also auf sehr einfache Weise: ein Detail, ein Skript, eine Architektur, ein Komfort, eine Materialposition (Leder und Textil), eine Familie. Tatsächlich ist es ein Produkt, das den gesamten Wohnbereich durchdringt und in vielfältigen Räumen eingesetzt werden kann.

Was macht gerade Leder zum idealen Material für Ihr Konzept?

Abgesehen von den durch die Nutzung von Leder gesetzten kulturellen Codes als Material der Luxusindustrie interessiert
mich vor allem das Wesen des Materials. Meine Tochter ist Reiterin, und ich verbringe viel Zeit in der Welt des Reitsports. Ich bin fasziniert von Pferdesätteln – wie sie hergestellt, gestaltet und genutzt werden, ist unglaublich, das ist Handwerkskunst … Deshalb verwende ich Leder für diese zugleich stabile und flexible Umsetzung.

Wie gelingt Ihnen die Balance zwischen Eleganz, Funktion und Komfort?

Ich entwerfe Produkte, keine Skulpturen – Nutzung, Funktion und Komfort haben dabei Priorität. Ich zeichne viel, was mir erlaubt, meine Ideen zu übersetzen und zu erforschen: Konzepte, Proportionen, Eleganz, Selbstverständlichkeit, Präzision, Einzigartigkeit – diese Wörter prägen meine Designsprache. Es gibt gute und es gibt nutzlose Produkte, die der Marke nichts bringen. Ich arbeite daher hart daran, möglichst qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten – andernfalls zensiere ich mich selbst.

Woran arbeiten Sie derzeit?

Wir tauschen uns mit Flexform zu ver-schiedenen Themen und Produkten aus – ein interessanter Dialog, der gerade im Entstehen ist. Luxus ist wichtig für eine:n Designer:in, aber auch für eine Marke, und eine solide Geschäftsbeziehung ist der einzige Weg zum Produkterfolg. Bei anderen Projekten arbeiten wir ebenfalls an laufenden Produkten – einige befinden sich in Forschung und Entwicklung, andere in der Phase der Industrialisierung. Außerdem arbeite ich seit der Eröffnung meiner Galerie in Paris an persönlicheren Produkten. Ich denke, der Beruf der:des Designer:in verändert sich derzeit sehr schnell, vielleicht sogar grundlegend …

Kreativer Kragen
Patrick Norguets »OZZY Armchair« für Flexform zeigt sich inspiriert von denKragen des 17. Jahrhunderts.

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Liebe zum Leder
Der Armlehnstuhl »OZZY« kombiniert die Rückenlehne aus Kernleder mit einem Drehgestell aus Metall auf Massivholzbeinen.

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Patrick Norguet
Vor 25 Jahren gründete Patrick Norguet sein mehrfach prämiertes Studio in Paris – seither prägen seine klaren, eleganten Entwürfe die Designszene.

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Wandelbar
Die »OZZY«-Kollektion mit ihrem präzisen, eleganten Design umfasst, neben zwei Armlehnstühlen, auch eine Ottomane.

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Erschienen in
LIVING 06/2025

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Christina Horn
Autor
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