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Xenia Lesniewski (c) Bettina Gangl

Xenia Lesniewski: »Frankfurt ist experimentell und zukunftsweisend«

Reise
LIVING Arty Weekend
Interview

Die Künstlerin stammt aus Frankfurt und lebt heute in Wien. Im LIVING-Talk erklärt sie, warum Spannung und Gleichgewicht ihre Heimat als kulturellen
Hotspot so besonders machen, und welche Kunstorte man dort unbedingt besuchen sollte.

Xenia Lesniewski, geboren 1985 in Frankfurt, studierte Kunst an der HfG Offenbach und der Angewandten in Wien, wo sie heute lebt und arbeitet. Ihr multidisziplinäres Werk umfasst Malerei, Installation, Video, Performance und kollektive Praktiken mit Ausstellungen in Kopenhagen, Palermo, Bergen, Berlin, Mallorca, London und anderen Orten. Seit 2023 lehrt sie an der HfG Offenbach. LIVING hat die Szene-Insiderin zum Interview getroffen.

Wie würden Sie die heutige Kunstszene Frankfurts charakterisieren? Wie hat sie sich entwickelt?

Frankfurt ist nach wie vor ein Dreh- und Angelpunkt des internationalen Kunstdiskurses. Institutionen wie die Städelschule und die HfG Offenbach prägen die Szene durch ihre künstlerische Produktion und ihre internationale Reichweite. Die Frankfurter Kunstszene ist stark von der Konfrontation zwischen globalen Finanzstrukturen und sozialen Spannungen geprägt, ebenso wie von der kulturellen Vielfalt der Stadt. Aus meiner Sicht kann Frankfurt unverändert in Konkurrenz zu größeren Kunstmetropolen wie Berlin oder Paris treten. Leider kämpfen jedoch auch hier viele Künstler:innen mit Gentrifizierung, hohen Lebenshaltungskosten und dem Mangel an bezahlbaren, zentral gelegenen Atelierflächen.

Wie unterscheidet sich Frankfurt von anderen Kulturmetropolen in Deutschland?

Frankfurt positioniert sich zwischen den Extremen der deutschen Kunstszene: Es ist nicht so unkonventionell wie Berlin, aber auch nicht so konservativ wie München. Während es nicht die Dichte an Galerien wie Köln oder Düsseldorf hat, zeichnet es sich durch eine starke Verbindung von Wirtschaft und Kunst aus – geprägt von der Bankenszene, von ikonischer Architektur wie der Commerzbank von Norman Foster oder der EZB, und seiner Rolle als amerikanischste Stadt Deutschlands. Frankfurt ist internationaler als Hamburg, aber kleiner und fokussierter. Diese Balance aus lokaler Tradition, globalem Einfluss und strukturiertem Pragmatismus macht die Stadt zu einem einzigartigen Akteur in der deutschen Kunstlandschaft.

Gab es besondere Personen oder Momente, die prägend waren für die Stadt?

Für meine Generation waren sicherlich Persönlichkeiten wie Kasper König und Daniel Birnbaum prägend. Beide brachten innovative, internationale Künstler:innen nach Frankfurt und beeinflussten die zeitgenössische Kunstszene der Stadt maßgeblich. Ebenso ist die Galeristin Bärbel Grässlin eine Schlüsselfigur, die die Frankfurter Kunstwelt kontinuierlich bereichert und geformt hat. Neben den großen Institutionen war aus meiner Sicht die Eröffnung des Portikus ein entscheidender Moment. Dieser progressive Kunstort hat Frankfurt weiterhin als Plattform für experimentelle und zukunftsweisende Positionen international sichtbar gemacht.

Welche Bedeutung hat das prestigeträchtige Museumsufer heute für das kulturelle Profil der Stadt?

Das Museumsufer in Frankfurt funktioniert ähnlich wie die Museumsinsel in Berlin oder das MuseumsQuartier in Wien. Aus meiner Sicht ist das Museumsufer aber mehr als ein Ort für Kunst: Besonders im Sommer ist die Mainpromenade ein sozialer Treffpunkt für Frankfurter:innen und Gäste aus aller Welt.

Welche Museen und Galerien würden Sie Besucher:innen empfehlen?

Wenn der Fokus auf Gegenwartskunst liegt, würde ich unbedingt den Portikus, das Städel und das MMK mit seinen spannenden Dependancen Zollamt und MMK 3 empfehlen. Ergänzend dazu bieten die Schirn Kunsthalle und der Frankfurter Kunstverein interessante Einblicke in aktuelle Diskurse. Bei den Galerien sind die Galerie Bärbel Grässlin und ihr angeschlossener Raum für jüngere Positionen, die Filiale in der Frankfurter Innenstadt, auf jeden Fall einen Blick wert. Ebenso lohnenswert finde ich oft auch Parisa Kind und Philipp Pflug. Und für alle, die einen kleinen Abstecher nach Offenbach nicht scheuen: Das ayayay (ehemals Magma Maria) präsentiert am Hafen frische, noch nicht ganz etablierte Positionen und ist – wenn meist auch nur nach Absprache – auf jeden Fall eine klare Empfehlung!

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Erschienen in
LIVING 09/2024

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Maik Novotny
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