Zum Inhalt springen
©Hesham All Saifi

Nadine Abdel Ghaffar: »Kairos Szene lebt die künstlerische Freiheit«

Kunst
Reise
Kultur
LIVING Arty Weekend

Nadine Abdel Ghaffar, Gründerin der Plattform Art D’Égypte, hat als Erste die zeitgenössische Kunst zu den Pyramiden gebracht. Im LIVING-Talk erklärt sie die besondere Rolle ihres Heimatlandes am Schnittpunkt der Kulturen und die dynamische Entwicklung der Kunstszene Kairos.

LIVING Was war für Sie der Impuls, Art D’Égypte zu gründen?

Nadine Abdel Ghaffar: Ich hatte die Vision, das reiche kulturelle Erbe Ägyptens mit zeitgenössischer Kreativität zu verbinden. Das Ziel war, eine Plattform zu schaffen, die sowohl ägyptische als auch internationale Künstler:innen fördert und unsere Kultur als lebendigen, stetig wachsenden Prozess verstehen lässt. Ich möchte zeigen, wie Kunst als Werkzeug der kulturellen Diplomatie genutzt werden kann.

Wenn Sie heute auf die ersten Jahre zurückblicken: Was waren die Highlights und wie hat sich das Format entwickelt?

Es gab viele ehrgeizige Ausstellungen mit vielen Highlights! Mit »Eternal Light« im Ägyptischen Museum haben wir 2017 zeitgenössische Kunst mit historischen Narrativen fusioniert und mit »Reimagined Narratives« 2018 die Kunst zur Archäologie gebracht. 2019 haben wir mit »Nothing Vanishes, Everything Transforms« das Spannungsfeld Kontinuität und Wandel ausgelotet, und 2021 wurde unsere bahnbrechende Ausstellung »Forever is Now« die erste internationale zeitgenössische Kunstausstellung an den Pyramiden von Gizeh. Wir sind in den letzten Jahren internationaler geworden und unsere Ausstellungen immersiver, interaktiver und zugänglicher. »Forever is Now« ist heute ein jährlicher Fixpunkt an den Pyramiden geworden.

Was macht Ägypten in Bezug auf zeitgenössische Kunst so besonders? Welche Rolle spielt dabei die Brückenfunktion des Landes zwischen Afrika und der arabischen Welt?

Diese einzigartige Lage hat Ägypten schon immer zu einem kulturellen Schmelztiegel gemacht, und das gilt auch heute. Arabische, afrikanische, mediterrane und globale künstlerische Ausdrucksformen kommen hier zusammen. Die zeitgenössische ägyptische Kunst reflektiert Themen wie Identität, Migration, Erinnerung und Resilienz, und das macht sie auf regionaler und globaler Ebene relevant.

Wie spiegelt sich das in der Kunstszene in Kairo wider und wie würden Sie diese charakterisieren?

Kairos zeitgenössische Kunstszene hat sich in den letzten zehn Jahren fundamental gewandelt. Sie ist diverser, experimenteller und international vernetzter geworden. Während traditionelle Galerien immer noch wichtig sind, haben sich immer mehr alternative Art-Spaces und digitale Kunstkollektive gebildet. Heute wird die Szene von einem Geist der künstlerischen Freiheit und der kreativen Grenzüberschreitungen geprägt. Mit Art D’Égypte haben wir eine wichtige Rolle dabei gespielt, diese Entwicklung zu fördern und global bekannt zu machen.

Welche Museen, Galerien und Art-Spaces in Kairo würden Sie Besucher:innen empfehlen?

Unter den Museen das Ägyptische Museum, das Grand Egyptian Museum und das Nationalmuseum der Ägyptischen Zivilisation (NMEC). Meine Auswahl aus der Galerieszene wäre folgende: Motion Art Gallery, CLEG Art Gallery, Zamalek Art Gallery, Access art space, Gallery Misr, Picasso Art Gallery und die Odyssey Art Gallery. Die meisten davon liegen im Stadtzentrum und im Quartier Zamalek und sind daher gut erreichbar.

Was können wir in Zukunft von Art D’Égypte erwarten? Gibt es große Pläne?

Wir haben gerade zwei spannende Ausstellungen in innerstädtischen Galerien und werden 2025 auch »Forever is Now« an den Pyramiden fortführen. Die kommende fünfte Ausgabe von Art D’Égypte wird am 30. Oktober starten und noch mehr internationale Gäste an diesen Ort locken. Langfristig wollen wir mehr mit globalen Kunstinstitutionen zusammenarbeiten, die Rolle von KI und digitaler Kunst stärken und neue Ausbildungsinitiativen für junge Kunstschaffende in Ägypten anstoßen. Außerdem werden wir die bisherige Entwicklung von Art D’Égypte dokumentieren und unsere Geschichte und unsere Mission fortschreiben.

Nadine Abdel Ghaffar ist eine französisch-ägyptische Kuratorin und gründete 2016 die Firma Art D’Égypte mit der Mission, zeitgenössische Kunst im Land zu fördern. Seitdem verzeichnete Art D’Égypte rund 800.000 internationale Besucher:innen auf den Ausstellungen und jährlichen Events.
artdegypte.org

Foto: beigestellt

Erschienen in
LIVING 02/2025

Zum Magazin

Maik Novotny
Autor
Mehr zum Thema
1 / 12