Ahoi: Die Designpower der Yachten
Luxusschifferl auf hoher See, das ist eine begnadete Entwicklungsaufgabe – nicht nur für Bootsbauer:innen, sondern auch für Designer:innen, Architekt:innen und sogar renommierte Sportwagenhersteller. Ein paar nautische Meilen mit den schnittigsten und exotischsten Meeresgefährten.
Die Luxusyacht mit ausklappbaren Terrassen, einem verglasten Pool mit zehn Meter Durchmesser und sogar einem Nemo-Beobachtungsraum samt James-Bond-Bestuhlung, der nach unten ausgefahren werden kann, sobald das Schiff vor Anker liegt, war der Hingucker auf der Monaco Yacht Show 2023. »Die maritime Unterwasserwelt hat den Menschen schon immer fasziniert«, sagt Sander J. Sinot, Chefdesigner und CEO des holländischen Büros Sinot Yacht Architecture & Design mit Sitz in Eemnes, Provinz Utrecht. »Und genau dieser Einblick in die farbenfrohen, geheimnisvollen Biotope da unten, die uns üblicherweise verborgen bleiben, haben uns inspiriert, diese einzigartige Yacht zu entwerfen.«
Für alle, die jetzt schon ganz glasige Augen bekommen haben, ein Wermutstropfen an dieser Stelle: Noch ist das 138 Meter lange, in einem eisigen Hellblau lackierte Schifferl unter dem Namen »Inspire«, das in seiner einzigartigen Farbgebung nach Auskunft des Designers mit Himmel und hoher See chromatisch verschwimmen soll, lediglich eine Skizze am Papier, eine Summe von Renderings und hoffnungsvollen Ausblicken auf eine bislang noch nicht zugesicherte Produktion. »Wir haben unseren Part des Träumens erfüllt«, so Sinot. »Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Nun geht es darum, mit dieser Idee, mit diesem holistischen Ansatz die Industrie, die Betreiber und potenzielle Eigentümer anzusprechen. Auf dieser Yacht, glaube ich, ist alles möglich.«
Die Dynamik des Objekts
Sinots Wassergefährt der Superlative ist kein Einzelfall, sondern einer von unzähligen realisierten und nicht realisierten Entwürfen, zu denen sich Designer:innen, Architekt:innen und sogar namhafte Sportwagenhersteller immer wieder beflügeln lassen – darunter auch Zaha Hadid Architects (ZHA). Das Londoner Büro, das bereits Schmuck, Schuhe, Sofas, Lampen, Flacons, Weinflaschen und Kerzenhalter designt hat, stellt die typischerweise horizontale Gliederung von Schiffen und die dahinter liegende Konstruktion mit Spanten, Steven und Stringern infrage und zaubert für den Hamburger Schiffsbauer Blohm + Voss stattdessen eine organische Skulptur, die als dreidimensionales Exoskelett fungiert.
»Im Gegensatz zu Bauwerken am Land«, heißt es aus dem Büro ZHA, »handelt es sich bei einem Schiff um ein dynamisches Objekt, das sich in ebenso dynamischen Umgebungen bewegt. Jede Yacht ist eine konstruierte Plattform, die spezifische hydrodynamische und strukturelle Anforderungen mit Komfort, Sicherheit und exklusiver Raumqualität vereinen muss.« Die Umsetzung all dieser Parameter auf die 90 Meter lange »Jazz« ist mehr als überzeugend: Schon im Stillstand erweckt sie den Eindruck, als würde sie sich den Wogen anpassen und die Wasseroberfläche mit geschmeidiger Eleganz durchschneiden.
Diese Dynamik ist auch das Motto all der hochmotorisierten Yachten aus der Feder von Bugatti, Mercedes, Rolls-Royce und Aston Martin. Letzterer ist eine Partnerschaft mit dem niederländischen Hersteller Quintessence Yachts eingegangen und hat in zweijähriger Entwicklungsarbeit ein Speed-Boat mit Leder, Carbon und poliertem Metall am Armaturenbrett entwickelt, das je nach Motorisierung mit 44 bis 52 Knoten über die Wasseroberfläche brettert. Mit wenigen Handgriffen lässt sich der Daycruiser für acht Personen leicht in ein übernachtungstaugliches Zuhause mit Schlafkoje, Klimaanlage, Kühlschrank, Kaffeemaschine und stimmungsvoller Beleuchtung umbauen.
Wer weder die lange Wartezeit aufbringen noch den tiefen, tiefen Griff ins Portemonnaie wagen will, für den gibt es praktische, nahezu wohlfeile Abhilfe: Der österreichische Bootsbauer Frauscher mit Sitz in Gmunden fertigt fraglos schnittige Schifferl für etwas Normalsterblichere an. Der Offshorer »1414 Demon« bietet Platz für bis zu vier Personen und ist sogar in einem metallisierenden Mitternachtblau erhältlich. Wer weder kaufen noch besitzen will, der kann seinen Träumen auf Charter-Basis entgegensegeln. Der 2018 ausgelieferte Dreimaster »Black Pearl« mit 70 Meter langen Masten und 2.900 Quadratmeter Segelfläche bietet alles, was das Luxusherz begehrt und kann um 1,2 Millionen US-Dollar pro Woche angemietet werden.