Picasso über dem Bett: Deshalb setzen Hotels auf Kunst
Andy Warhol in der Lobby und Tiepolo-Fresken an der Decke. Warum Hoteliers und Hotelièren heute nicht nur auf gediegenes Interior-Design setzen, sondern wertvolle Kunstsammlungen anlegen, die Galerien und Museen
Konkurrenz machen.
Manche Hotelgäste entspannen sich gerne in Venedig im »Aman Venice« auf bequemen Fauteuils von Kengo Kuma und blicken dabei auf barocke Tiepolo-Fresken. Der Andy Warhol, der über antiken Stilmöbeln im
»The Fife Arms« inmitten der schottischen Highlands hängt, ist echt. Und auf zeitlosen Klassikern wie dem »Egg Chair« von Arne Jacobsen oder Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer erholt man sich im »Altstadt Vienna«, umgeben von Kunstwerken von Gottfried Helnwein bis Ai Weiwei von einem Citybummel in Wien.
Fast so wie im Zeitalter der »Grand Tour« sind Luxushotels heute zu kostbaren Kulturtempeln geworden. Damals führte die Bildungsreise vor allem die Söhne des europäischen Adels durch Mitteleuropa und England, wo sie in Adelspalästen residierten, um Kunst und Architektur zu studieren. Im 20. Jahrhundert, als sich auch Bürgerliche derlei Reisen leisten konnten, entstand ein Massentourismus, dem die Hoteliers und Hotelièren der Luxushäuser heute mit Strategien wie »Kunst als Leitmotiv«, gegensteuern. So öffnen sie auch ihre privaten Kunstsammlungen und teilen sie mit ihren Gästen.
DIE HOTELLOBBY ALS GALERIE
Wie der italienische Kunstsammler und Modeunternehmer Dino Facchini. Als seine private Art Collection 2005 zu groß wurde, teilte er sie auf und gestaltete eine venezianische Villa aus dem 17. Jahrhundert in ein Museumshotel für zeitgenössische Kunst mitten im Valpolicella bei Verona um. Alle 56 Zimmer des »Byblos Art Hotel Villa Amistà« schaffen einen Dialog zwischen Interior-Design von Alessandro Mendini bis Ettore Sottsass und Werken von Giorgio de Chirico, Lucio Fontana, Damien Hirst, Anish Kapoor oder Vanessa Beecroft.

»The First Arte Roma«
Direkt in der historischen Altstadt kann man sich, umgeben von zeitgenössischer Kunst, entspannen.
pavilionshotels.com

»Aman Venice«
In der »Alcova Tiepolo Suite« gibt es Fresken von Giovanni Battista Tiepolo, vergoldete Decken und einen Blick auf die Gartenterrasse.
aman.com
Wir wollen mit unserer Kunstsammlung junge italienische Künstler:innen unterstützen. Das Hotel ist ein offener Kunstraum für alle Besucher:innen.
Auch in der Ewigen Stadt haben sich Hoteliers und Hotelièren zeitgenössischer Kunst verschrieben. Wie das »The First Arte Roma«. »Rom ist zwar eine Stadt der Antike, hat aber eine lebendige zeitgenössische Kunstszene. Das wollen wir mit unserer Kunstsammlung junger italienischer Künstler:innen zeigen«, meint Andrea Pierini, General Manager der »The First Hotels«, »um sie auch zu unterstützen. Dabei ist das ›The First Arte Roma‹ ein offener Kunstraum, den Gäste wie ein Museum oder eine Galerie nutzen können. Alle Kunstwerke sind käuflich.«
ZWISCHEN TIEPOLO UND KENGO KUMA
Weltberühmt sind auch die Kunstschätze im Palazzo Papadopoli in Venedig. Im 1550 von der Kaufmannsfamilie Coccina erbauten und an die Familie Tiepolo verkauften Palast ist das »Aman Venice« eingezogen. Hier gibt es Werke von Paolo Veronese und Giovanni Battista Tiepolo zu bestaunen. CEO Vladislav Doronin, selbst leidenschaftlicher Kunstsammler, lässt das Interior zwar gerne von internationalen Architekt:innen wie Kengo Kuma entwerfen, beschäftigt aber vor allem lokale Kunsthandwerker:innen wie das familiengeführte Vergolder-Unternehmen Berta Battiloro.
Auch das »Hotel Altstadt Vienna« unterstützt regionale Möbelhersteller:innen und Designer:innen: Soeben wurden zwei neue Zimmer mit Möbelklassikern und Stoffen der Firma Wittmann in Kooperation mit Designer Arthur Arbesser präsentiert. »Mein Vater Otto Wiesenthal hat sein erstes Bild als Student gekauft und damit den Grundstein für unsere Sammlung gelegt. So sind mittlerweile über 400 Werke, darunter Brigitte Kowanz, Elisa Alberti, Gunter Damisch oder Andy Warhol zusammengekommen. Ich bin mit Kunst aufgewachsen, Bilder waren immer Teil des Interiors«, sagt Kuratorin Saskia Wiesenthal. Jedes Zimmer wurde von einem anderen Interior-Designer ausgestattet. »Beim Interior setzen wir vor allem auf zeitlose Klassiker. Die fühlen sich vertraut an, die Gäste erkennen sie wieder. Wir wollen das vertraute Gefühl des Ankommens wie bei Freund:innen, erzeugen«, so die Expertin.

»Hotel Altstadt Vienna«
Jedes Zimmer im »Hotel Altstadt Vienna« verkörpert ein anderes Stück Kunst- und Möbelgeschichte.
altstadt.at
PARTNER VON KUNSTMESSEN
Auf Maximalismus in den Hotelzimmern schwören hingegen Art-Curator Jonathan Brook und Interior-Designer Martin Brudnitzki, die das Londoner Hotel »Broadwick Soho« ausstatteten. Die Kunstsammlung mit über 300 Originalwerken reicht von Andy Warhols Schuhskizzen von 1957, einst im Besitz von David Bowie, über William Turnbulls Skulptur »Large Idol« bis hin zu Werken von Francis Bacon. Das »Broadwick Soho« ist auch Hotelpartner der Kunstmessen Frieze London und Frieze Masters.
GALERIST:INNEN ALS KUNSTMÄZENE
»Die Magie unseres Interiors wurde von der Umgebung inspiriert: Flora, Fauna und die Schönheit Schottlands stehen im Mittelpunkt«, sagen Iwan und Manuela Wirth. Die Kunstmäzen:innen und Hotelbesitzer:innen des Hotels »Fife Arms« nahe Braemar verbinden Kunst und Gastlichkeit mit sozialem Engagement. 1992 gründeten sie gemeinsam mit Manuelas Mutter Ursula Hauser die Galerie Hauser & Wirth in Zürich. Während eines Urlaubs entdeckten sie das unter Denkmalschutz stehende Gebäude, machten daraus ein Kunsthotel mit über 14.000 antiken und modernen Kunstwerken, darunter ein Picasso, ein Breughel und eine Originalzeichnung von Queen Victoria, und gründeten zahlreiche NGOs und Nature-Funds. Jedes Zimmer ist anders gestaltet und eine Hommage an einen Ort oder an eine Person aus der Geschichte Braemars.

»The Fife Arms«
Hier hängt das Picasso-Werk »Nude and Man with Pipe«, ein Selbstporträt des Meisters mit seiner Lebensgefährtin Marie-Thérèse Walter.
thefifearms.com