Krzysztof Budzisz: »Wir müssen uns hüten vor einer McDonaldisierung«
Architekt Krzysztof Budzisz ist Partner im Warschauer Erfolgsbüro WXCA. Ein Gespräch über Politik, alte Fabrikareale und die Suche nach einer neuen polnischen Identität.
Residences: Es gibt kaum ein polnisches Architekturbüro, das in den letzten Jahren so stark gewachsen ist und so viele Projekte realisiert hat wie WXCA. Wie haben Sie das geschafft?
Krzysztof Budzisz: Freut mich, zu hören, dass unsere Entwicklung auch international Beachtung findet! Wir sind seit vielen Jahren schon daran interessiert, Projekte zu machen, die nicht alltäglich sind und die sich mitunter auch mit recht komplexen Fragen beschäftigen. Daher nehmen wir an vielen Wettbewerben teil. Und ich denke, das machen wir ganz gut, denn unser Anspruch auf Kontext, Sensibilität und die Liebe zum Detail beschert uns viele Siege, und so betreten wir mit jedem neuen Projekt Neuland – mittlerweile auch schon in Berlin, Dubai und Südkorea.
Die meisten Ihrer jüngsten Projekte sind großvolumige Prestigebauten im Kulturbereich. Ich denke da nur an die 200 Meter lange Fassade des Museums der polnischen Geschichte. Wie geht man an solche Aufgaben heran?
Das Wichtigste bei diesen großen Maßstäben ist, nicht nur das Bauwerk als Objekt zu betrachten, sondern den Blick zu abstrahieren und den Kontext, das ganze Rundherum mitzuberücksichtigen. Gebäude in diesen Maßstäben zu planen – das ist wirklich die Königsdisziplin.
Vor allem die Warschauer Museumsbauten, die in den letzten Jahren entstanden sind, haben riesige Maßstäbe.
Das stimmt. Wobei man nicht vergessen darf: Der Großteil von Warschau musste nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut werden. Gleichzeitig gibt es aus dieser Zeit nur wenige identitätsstiftende Bauten. Es dominieren sozialistische Handschriften, kommunistische Gebrauchsarchitekturen und – nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – kapitalistische, konsumorientierte Developer-Tempel. Was definitiv fehlt, sind Häuser für die Öffentlichkeit, also Museen, Kulturbauten, öffentliche Freiräume.
Das heißt also, es braucht jetzt viel kulturelle Raumproduktion in kurzer Zeit?
Ja, und das ist eine gefährliche Sache. Denn wenn in so kurzer Zeit so viel gebaut werden muss, dann läuft man Gefahr, Evolution mit Revolution zu verwechseln. Der Charakter der Stadt verändert sich gerade im Eiltempo – was ich zum einen sehr gut finde, zum anderen aber gibt es vor allem im Bereich Freiraum einige Spots, die in erster Linie eine Instagram-Qualität aufweisen, aber leider nicht mehr.
Eine reale Gefahr?
Ja. Ich bezeichne das als die McDonaldisierung der Architektur. Davor müssen wir uns hüten!
Was möchten Sie stattdessen?
Ich bevorzuge einen Ansatz, der eine Art Point-of-Care-Therapie für die Stadt darstellt, mit hochwertigen, zielgerichteten Investitionen, die das gesamte Umfeld aufwerten.
Wie würden Sie polnische Architektur in Ihren eigenen Worten charakterisieren?
Die letzten 35 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhangs waren geprägt von einem westlichen, kapitalgetriebenen Expressionismus. In dieser Zeit sind viele Bauten entstanden, die für sich den Anspruch erheben, individuelle Unikate zu sein. Wenn Sie so wollen: jedes Haus ein Bilbao-Effekt. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.
Und heute?
In den letzten Jahren, so scheint mir, hatten wir einen Moment des Innehaltens. Die Bautätigkeit hat generell abgenommen, die Projekte sind sachlicher und unaufgeregter geworden. Ich glaube, wir sind gerade auf der Suche nach einer eigenen polnischen Architekturidentität.
Die neuen Museumsbauten scheinen schon eine gewisse Identität gefunden zu haben.
Ja, vor allem die neuesten Kulturbauten strahlen so etwas wie Masse, Langlebigkeit und Ewigkeitsanspruch aus. Durchaus schön und auch durchaus poetisch, aber ich persönlich vermisse im Moment noch die Leichtigkeit und Lebendigkeit. Und ich sehne mich nach etwas mehr Humor und Esprit.
Woher kommt Ihr Büroname WXCA?
Das Büro wurde 2007 gegründet, der Name leitet sich von den damaligen Gründungspartner:innen ab. Mittlerweile sind wir vier Partner:innen, drei weitere Associated Partner:innen und an die 80 Mitarbeiter:innen in Summe! Vor Kurzem haben wir sogar ein weiteres Büro in Danzig eröffnet. Der Markt ist im Umbruch, es gibt viele Brachflächen, Industrieareale und ehemalige Werften, die zu entwickeln sind. Es gibt also viel zu tun. Außerdem hat es mich, um ganz ehrlich zu sein, nach vielen Jahren Hauptstadt wieder ans Meer gezogen.
Was sind die dringlichsten Themen und Aufgaben für die nächsten Jahre?
Stadtplanung und Stadtentwicklung. Wir haben in Polen riesige Brownfields, und hier schlummern unendliche Potenziale. Wir entwickeln aktuell die ehemalige Autofabrik FSO, in der einst Syrena, Polonez und der polnische Fiat in Lizenz gebaut wurden. Die Fabrik liegt recht zentral im Nordosten von Warschau, und doch war sie als Niemandsland viele Jahre aus der Stadt ausgeschlossen. Wir planen auf diesem Areal nun eine nachhaltige, zukunftsfitte 15-Minuten-Stadt.
Und von welchem Projekt träumt ein Büro, das schon fast alles geplant hat?
Ich wünsche mir, unser Ausprobieren, Herauskitzeln und Experimentieren über die Grenzen Polens hinauszutragen und mit den lokalen Denkweisen und Rahmenbedingungen vor Ort abzugleichen. Das reizt mich im Moment am meisten.