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Palazzo Fortuny auf der Giudecca (c) Guido Malara

Palazzina Fortuny Venedig: Chahan Minassian über das Redesign und seine Liebe zur opulenten Ästhetik

Interview
Italien

Wer kennt sie nicht, die unvergleichlichen Textilien von Mariano Fortuny, die seit 1921 in der roten Backsteinfabrik auf dem Gelände des ehemaligen Klosters San Biagio handgefertigt werden. Architekt Chahan Minassian hat nun die geheimnisvollen Muster für das Redesign der Palazzina Fortuny neu interpretiert.

Die neue Chahan-Galerie in der ehemaligen Villa der Gräfin Gozzi liegt im Fortuny-Headquarter, ist seit dem Sommer öffentlich zugänglich und Geschäft und Art-Space zugleich. Hier gibt es Kunstwerke und luxuriöses venezianisches Interior. Die erste Chahan Gallery gründete Minassian 2008 im Pariser Antiquitätenviertel Carré Rive Gauche. Anlässlich der Kunstbiennale 2024 entstand die Zusammenarbeit FORTUNY + CHAHAN, um den historischen Fortuny-Hauptsitz auf der Insel Giudecca in ein internationales Reiseziel für zeitgenössisches Design zu verwandeln. Im Interview spricht er  zudem über die Neupositionierung, Vintage, historische Substanz und verrät seine Pläne für das kommende Jahr.

LIVING: Sie haben Fortuny neu positioniert. Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

CHAHAN MINASSIAN: Als ich die Palazzina Fortuny erstmals besichtigte, die 30 Jahre lang geschlossen war, war mir sofort klar, dass der Name Fortuny mit Privatsphäre, limitiertem Zutritt und geheimnisvollen Drucktechniken verbunden ist. Ich war sehr gespannt, was sich daraus ergeben würde. Wir haben die schönen Marmorböden, die historischen spiralförmigen Treppen und den freien Blick über die gesamte Länge des Hauses behalten. Das Penthouse verfügte bereits über einen offenen Raum, der mit seinem italienischen Putz und dekorativen klassischen Elementen aus den 1950er-Jahren sehr modern wirkte. So konnte ich das Vorhandene auffrischen und mit meinem Stil ergänzen.

Wie haben Sie einen Interior-Stil gefunden, der Moderne und Tradition verbindet?

Die Contessa verfolgte in der Villa seit den 1950er-Jahren einen modernen Lifestyle mit sämtlichen Fortuny-Stoffen. Ihre Wohnung war aber kein Ausstellungsraum, sondern zeigte ein lebenslanges Wachsen. Wir haben die Geschichte des Wohnhauses berück-sichtigt und es mit unserem Interior ergänzt: passende Texturen, die richtige Möbel-auswahl und unsere in Murano gefertigte Designbeleuchtung. Das soll den venezianischen Charakter unterstreichen und zeigen, wie Fortuny-Stoffe heute verwendet werden.

Wie haben Sie die Fortuny-Stoffe dabei integriert?

Wir wollten die handbemalten Stoffe der historischen Stoffsammlung und die  immensen Datenmengen ins Heute bringen. Für Polsterstoffe habe ich bestimmte Fortuny-Muster mit Stoffen von Bevilacqua kombiniert. Besonders gelungen ist das im Esszimmer. Die klassische Fortuny-Polsterung haben wir zu einem Wandteppich verarbeitet. Dafür haben wir 40 Stoffe aus dem Fortuny-Archiv mit unterschiedlichen Mustern monochromatisch miteinander kombiniert, um einen zeitgenössischen, kantigen und geometrischen Ansatz zu erzielen.

Antike Textildesigns: Minassian ließ für die Polsterung der Fauteuilles das Design »Camo-Isole Vetiver, Aqua & Gold 5742« wieder aufleben, um eine einzigartige venezianische Tarnung zu schaffen, die in metallischen Drucken wiedergegeben wird. fortuny.com

Fortuny + Chahan: Für seine Liege holte Minassian den Stoff »Laotze, Stute monoton 5892« aus dem Fortuny-Archiv. Ein kühnes, sich windendes, wolkenartiges Muster, das 1933 von Mariano Fortuny entworfen wurde. fortuny.com/#chahan

Galerie Chahan: Minassian setzte mit dem orange­farbigen Läufer neue Akzente auf die spiralförmige Treppe in der ehemaligen Villa Gozzi. fortuny.com

Galerie Chahan: Auch die Wandtäfelung des ehemaligen Esszimmers der Gräfin wurde beibehalten und mit Contemporary Design ergänzt. fortuny.com/#chahan

Gepolsterte Wände: Chahan Minassian setzte bei den Wänden 40 unterschiedliche Fortuny-Stoffe ein und gestaltete die ehemaligen Wohnräume der Gräfin Gozzi neu um. fortuny.com

Chahan Minassian: Der renommierte Interior- Designer und Galerist lebt seit sechs Jahren in Venedig. Er gestaltete den Palazzo Fortuny um und richtete seine neue Galerie FORTUNY + CHAHAN auf der Giudecca ein. chahan.com, homofaber.com (c) Milan Vukmirovic

Sie kombinieren auch Vintage-Objekte und Kunst in Ihrem Interior. Welche Stilrichtung ist Ihre?

Man könnte meine Arbeit als Luxus bezeichnen. Aber ich mag Luxus sehr. Ich liebe Opulenz, sie verkörpert zwar einen gewissen Reichtum, entsteht aber durch das Miteinander aus altem und neuem Design. Es ist ein Stil, der kulturelles Know-how, Geschichte, Modernität und Lebensstil verkörpert. Lebensstil ist ein großes Wort und sehr spezifisch. Er ist eine Kombination aus allem, was wir gerne haben. Lebensstil kann sich in Kunst oder Interior zeigen, er kann alles sein, was uns begegnet, Dinge, die wir mögen und sammeln. Für mich ist er vor allem ein gelungenes, persönliches Interior.

Fällt es schwer, bei so viel Schönheit und historischer Substanz in Venedig Neues zu kreieren?

Ich lebe seit sechs Jahren hier. Venedig ist 1.600 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz. Man muss ja nicht unbedingt in Museen gehen. Es reicht schon, durch die Gassen zu spazieren. Palazzi, Steine und Farben sind meine Inspirationen. Mit der Galerie FORTUNY + CHAHAN wollten wir die Palazzina Fortuny mit Ausstellungsräumen erweitern, um Wohn­aspekte zu zeigen, wo laufend neue Dinge hinzugefügt, entfernt oder gesammelt werden können. Hoffentlich kommen in Zukunft viele weitere Stoffmuster hinzu. Die Besucher:innen sollen mit den Stoffen des Fortuny-Studios interagieren können. Mit den kommenden Ausstellungen wollen wir vor allem auch die Venezianer:innen ansprechen.

Haben Sie deshalb zur Glass Week ­Marcantonio Brandolini d’Adda in die Palazzina Fortuny eingeladen?

Venedigs Glass Week ist besonders fein kuratiert und verteilt sich in der ganzen Stadt. Daher wollte ich den renommiertesten Glaskünstler Venedigs zu uns einladen. Ich war besonders vom brutalistischen Aspekt seiner Glaskunst angetan. Ich arbeite selbst seit sechs Jahren mit Glasbläser:innen zusammen, man braucht dazu viel Know-how. Obwohl ich meine Glaselemente und Leuchten zeit­genössisch entwerfe, sehe ich ­Marcantonios brutalistische und doch raffinierte Vasen als etwas ganz Besonderes an. Die Technik der Glasbläserkunst ist einzigartig und schwierig.

An welchen neuen Projekten arbeiten Sie?

Venedig inspiriert mich immer noch, deshalb bleibe ich hier. Trotz vieler internationaler Projekte haben wir vier Palazzi mit Chahan-Interior eingerichtet. Die Palazzina Fortuny ist für uns eine sehr glückliche Erfahrung und bleibt es hoffentlich noch länger. Und nächste Saison präsentiere ich eine neue eigene Fortuny-Kollektion.

 

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Florentina Welley
Autor
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