Er hat es geschafft. Und wie in Wien oft üblich haben es ihm nicht alle zugetraut: „Rock Me Amadeus – Das Falco-Musical“ wurde zum Hit, und zwar derart, dass das Stück wegen der großen Nachfrage bis Juni 2025 verlängert wird. Es gibt auch bereits Interesse aus den anderen Ländern, in denen Falco Mitte der 1980er-Jahre ebenfalls ein Superstar war. Christian Struppeck, Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen, ist der Autor der Falco-Verneigung. Wir haben ihn zum Interview getroffen, und er hat uns unter anderem erzählt, wie er und sein Team jahrelang am Falco-Erfolg gearbeitet haben.

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Ausverkaufte Vorstellungen – wie er- klären Sie sich den Erfolg von „Rock Me Amadeus“?

Viele Zuschauer*innen können sich sehr gut mit Falcos innerer Zerrissenheit identifizieren, die ihn stets plagte. Sie können nachvollziehen, dass es immer zwei Seiten im Leben gibt und man oft hin und her schwankt zwischen dem, was man will, und dem, was man hat. Falco und seine Story gefallen auch einem jüngeren Publikum. Auch sie sind begeistert von seiner Performance, Musik und Story – unabhängig davon, ob sie Falco und seine Lieder vorher gekannt haben oder nicht. Es ist ein Stück für alle. Die Stimmung gleicht einem Popkonzert.

Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben?

Von der allerersten Idee bis zur Weltpremiere hat es etwa drei Jahre gedauert. Das ist normal. Natürlich schreibt man nicht ununterbrochen. Am Anfang haben wir sehr lange die Fakten recherchiert, über Falco gibt es eine ungewöhnlich große Fülle an Informationen. Diese lange Entwicklungszeit beinhaltete auch einige Workshops, in denen wir das Stück mit Schauspieler*innen im Vorfeld schon ausprobiert haben, sowie viele Abstimmungen zwischen den Produzenten, dem Regisseur, dem Musikalischen Arrangeur, dem Choreografen und den Bühnen- und Kostümbildnern, die bei einer Uraufführung in der Regel alle recht früh mit an Bord sind und auf die Dramaturgie, die Struktur und den ganzen Stil der Show schon von Beginn an ebenfalls Einfluss nehmen.

Wie sehr muss man beim Schreiben die wahre Geschichte von Hansi Hölzel kennen und diese auch gleichzeitig vergessen?

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Beinahe alles, was man bei uns sieht, ist in dieser oder ähnlicher Weise auch wirklich passiert. Natürlich muss man für ein Bühnenstück die Handlung verdichten und dramatisch zuspitzen, um einen Spannungsbogen über einen ganzen Theaterabend aufbauen zu können. Es war uns sehr wichtig, dass das Stück so authentisch wie möglich wird. Aber irgendwann muss man sich beim Schreiben dennoch ein Stück weit von den Fakten lösen und die Geschichte schreiben, die man selbst erzählen will. Der Autor muss einen eigenen Standpunkt zu den Ereignissen beziehen, sonst ist es nur eine Dokumentation und kein Drama. Generell waren für mich dabei Falcos innere und äußere Konflikte besonders interessant.

Wie er mit dem schnellen Ruhm zurechtkommen musste, den er sich immer erträumt hatte, der aber für ihn dann schnell zum Albtraum wurde. Zuerst war alles noch eine Art Spaß und mit einer gewissen Leichtigkeit verbunden, und dann musste er plötzlich „abliefern“. Es war jetzt ein Geschäft, eine regelrechte Maschinerie, in der er steckte, es ging plötzlich um viel Geld, um knallharte Abgabetermine, anstrengende Tourneen, Pressereisen usw. Auf einmal waren da die quälenden Selbstzweifel, die sich sehr oft mit großem Erfolg einstellen: „Bin ich überhaupt gut genug?“ – Die klassische Zerrissenheit einer Künstlerseele. Und natürlich die ständige Divergenz zwischen einem ganz „normalen“, bürgerlichen Leben, das er sich so sehr wünschte, und andererseits seinem aufregenden, rastlosen Leben als Weltstar, was einfach nicht zueinanderpassen wollte.

Es gibt einen Trend zu diversen Castings, und Themen wie Nachhaltigkeit gewinnen an Bedeutung.

Christian Struppeck über die Musical-Zukunft

Gefühlt jede zweite Wienerin, jeder zweite Wiener jenseits der 55 hat Falco beim Feiern, beim Ausgehen etc. getroffen und glaubt bis heute, ihn zu kennen – waren Sie sich des Glatteises bewusst, auf dem Sie sich bewegen?

Wir haben sehr schnell gemerkt, dass gerade hier in Wien sehr viele Menschen Falco persönlich kannten – oder glaubten, ihn gekannt zu haben –, und daher gibt es auch sehr viele Geschichten, die man immer wieder hört, teilweise in verschiedenen Versionen. Wir haben versucht, uns sehr nah an die Wahrheit zu halten, uns aber trotzdem eine eigene Haltung herausgenommen und auch die Freiheit, seine Geschichte so zu erzählen, wie sie uns am interessantesten erschien.

Man hat mir erzählt, dass Sie bereits sehr früh Moritz Mausser gecastet und ihn dann gezielt auf die Rolle hin ausgebildet haben ...

Wir haben ihn beinahe zufällig entdeckt, als er sich für unsere Workshops zu „Rock Me Amadeus“ bewarb. Während dieser Workshops, in denen er auch schon den Hans spielte, war er noch mitten in seinem Studium an der MUK. Aber er absolvierte schon den ersten Workshop mit großer Bravour und hat uns alle beeindruckt. Da er den Part bereits in den Workshops mitkreieren konnte, steckte natürlich auch einiges von ihm nun schon in der Rolle des Hans und wie sie angelegt war. Er gibt dieser Figur seine ganz besondere Farbe. Wir sind sehr froh, dass wir ihn gefunden haben.

Zur Person: Christian Struppeck

Der gebürtige Berliner ist ausgebildeter Schauspieler und Sänger, arbeitete später u. a. als Regisseur, Bühnenautor und Produzent und leitete die Kreativabteilung bei Stage Entertainment Deutschland, ehe er 2012 Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien wurde. 

Zu den Spielterminen der Vereinigten Bühnen Wien

Sie machen im Vorfeld von Produktionen auch Markttests: Inwieweit helfen diese, und inwieweit lassen Sie sich davon beeinflussen?

Bei der Marktforschung geht es um Themen wie Bekanntheit, allgemeines Interesse und wie emotional ein Thema für das Publikum ist. Natürlich könnte man sich auch einfach auf sein Bauchgefühl verlassen, aber das kann einen manchmal täuschen. Anhand professioneller Umfragen kann man sich noch besser ein Bild davon machen, welche Themen ein Publikum tatsächlich interessieren. Falco war eines davon.

Wie sehr hat man auch den internationalen Erfolg im Auge?

In erster Linie produzieren wir unsere Stücke für die Wiener*innen. Die originalen VBW-Musicals werden also für unser Publikum konzipiert, aber wir lizenzieren unsere Stücke im Anschluss an die Spielserien in Wien dann weltweit – insgesamt bisher in 24 Länder –, also ist selbstverständlich auch eine potenzielle internationale Verwertbarkeit immer ein Aspekt, den wir bei der Auswahl der Stoffe ebenfalls beachten müssen.

Die internationale Verwertbarkeit ist ein Aspekt, den wir bei der Auswahl der Stoffe berücksichtigen.

Christian Struppeck über den Verkauf von Eigenproduktionen

Wenn ein Theaterstück floppt, dann ist der finanzielle Verlust auch unangenehm, aber überschaubar. Beim Musical ist das anders – wie hält man diesem Druck stand?

Wenn man im Bereich der Kunst und Kreativität arbeitet, besteht immer ein gewisses wirtschaftliches Risiko, das muss man wissen. Gleichzeitig steht man selbstverständlich auch immer unter einem immensen finanziellen Druck. Wir müssen einen sehr hohen Teil unseres Budgets an der Kassa erwirtschaften. Die verbreitete Annahme, unsere Musicals finanzieren sich allein durch die Subventionen, ist weit von der Realität entfernt. Zwei so große, professionelle Theater zu betreiben und zu erhalten kostet ebenfalls sehr viel Geld. Unsere Mitarbeiter*innen sind absolute Profis auf ihren Gebieten, sei es auf der Bühne oder auch hinter den Kulissen, in der Technik, der Maske, dem Kostüm und allen anderen Abteilungen. Nur durch sie können unsere Produktionen Abend für Abend so reibungslos und hochprofessionell über die Bühne gehen.

Sie beobachten auch den internationalen Markt sehr genau – zeichnet sich ein Musical-Trend ab?

Es gibt „den einen“ Trend in dieser Form nicht. Zu beobachten ist allerdings, dass Musicals oft früher als
etwa die Oper neue, gesellschaftspolitisch relevante Themen aufgreifen, inspiriert durch kulturelle Entwicklungen oder gesellschaftliche Veränderungen. Es gibt auch einen Trend zum diversen Casting, was wir hier in Wien allerdings schon lange so machen. Auch Themen wie Nachhaltigkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung. Seit längerem schon gibt es zudem einen Trend zu sogenannten „Compilation- Shows“, die auf einen bestehenden Musikkatalog zurückgreifen, zum Beispiel den eines einzelnen Künstlers oder einer Gruppe. Das Publikum kann sich hier an etwas Vertrautem festhalten.

Warum halten sich Musicals wie „Das Phantom der Oper“ so lange? Was kann Andrew Lloyd Webber, was andere nicht können? Was ist Ihrer Meinung nach sein Geheimnis?

Er komponiert mit einem großen Gespür dafür, was das Publikum bewegt, und scheut nicht davor zurück, auch populäre Musikstile in seine Musicals zu integrieren, von Rock bis zu zeitgenössischem Pop oder auch orchestralen Klängen. Er ist nicht nur Komponist, sondern durch und durch Theatermann. Er ist fasziniert von Musicals und ihrer emotionalen Kraft, die sie im besten Falle beim Zuschauer entfesseln können. Zudem war und ist er immer von anderen kongenialen Partnern und Kreativen umgeben, die ähnlich funktionieren wie er, wie Sir Tim Rice, Sir Cameron Mackintosh, Sir Trevor Nunn, Harold Prince oder Gillian Lynne, um nur einige zu nennen. Ein perfektes Team ist bei einem neuen Musical unheimlich wichtig, denn Musical ist immer Teamwork.

Sie zeigen ab März „Das Phantom der Oper“ in einer völlig überarbeiteten Fassung – mit neuen Spezialeffekten, Sounddesign und einem Kronleuchter, der völlig spektakulär abstürzen wird.

Den eigentlichen Trick darf ich leider nicht verraten, aber so viel steht fest: Es wird spektakulär! Der Luster rast an einer Stelle mit hoher Geschwindigkeit direkt auf das Publikum zu. Feuer, Licht- und Pyroeffekte inklusive. Wenn man diesen Nervenkitzel selbst spüren will, sollte man unbedingt ins Raimund Theater kommen und sich davon überzeugen.

Hier zu den Spielterminen von Falco und Phantom der Oper!