Ihr Vorname war auch eine Vorahnung. Abla. „In der arabischen Poesie gibt es eine Geschichte, die jener von Romeo und Julia ähnelt. Es geht um ein junges Liebespaar, das darum kämpfen muss, zusammenbleiben zu dürfen, das am Ende aber glücklicherweise überlebt. Sie heißt Abla, er Antar. Mein Vater ist Schriftsteller und hat sich diesen Namen für mich gewünscht“, erzählt Abla Alaoui bestens gelaunt im Interview. Damit war vermutlich statuiert, dass aus der gebürtigen Deutschen mit marokkanischen Wurzeln keine Bankbeamtin werden sollte, sondern ihr ein musischer Beruf vorbestimmt war.

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Mit 15 Jahren, parallel zum Gymnasium, bestand sie die Aufnahmeprüfung an der Academy of Stage Arts, wo sie eine Teilzeitausbildung (!) zur Musicaldarstellerin absolvierte. „Das heißt tatsächlich so, weil es eben nur berufsvorbereitend gedacht ist.“ Gesang, Tanz und Schauspiel waren fortan ihre Leidenschaft.

Nach dem Abitur und der Mitwirkung in mehreren Laienproduktionen ging Abla Alaoui nach Hamburg und studierte Musical an der Joop van den Ende Academy. Noch während der Ausbildung erhielt sie ihre erste größere Rolle – die der Mary Robert in „Sister Act“. Nach dem Abschluss folgten zahlreiche Engagements, darunter auch zwei in Wien, wo sie bei den Vereinigten Bühnen jeweils die Zweitbesetzung in „Mozart!“ und „Tanz der Vampire“ war.

Die Karriere lief also von Anfang an gut, wofür Abla Alaoui auch Fortune verantwortlich macht. „Natürlich wünscht man sich, gleich nach dem Diplom tolle Jobs zu bekommen. Die Realität sieht aber meist anders aus, weil es da draußen wirklich viele sehr talentierte Menschen gibt, mit denen man sich messen muss. Es hat oft nicht nur mit der Leistung zu tun, man muss auch Glück haben.“

Sie selber ist sich auf ihrem Weg, den sie noch immer als Lernprozess sieht, auch nicht zu schade, die Zweitbesetzung zu geben. Im Gegenteil: „Ich habe tatsächlich als Zweitbesetzung meist viel mehr gelernt.“ Zur Audition müssen übrigens ausnahmslos alle Darsteller*innen, die sich für eine Rolle bewerben. Anders als in der Oper oder beim Sprechtheater hilft einem da die Reputation allein wenig. „Das ist auch der Grund, warum man immer wieder Absagen bekommt und damit umgehen lernen sollte.“ Denn oft liegt es nicht am Talent, sondern vielmehr am Typ.

Abla Alaoui: Vom Spielball zur starken Frau
Gerade noch Ellen in „Miss Saigon“, ab Herbst ist Abla Alaoui Esmeralda im Musical „Der Glöckner von Notre Dame“.

Foto: Marko Mestrovic

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Erst Ellen – nun Esmeralda

Für die Rolle der Ellen Scott, Ehefrau des US-GI Chris, dessen tragische Liebe zur Vietnamesin Kim trotz gemeinsamem Kind kein Happy End findet, war Abla Alaoui goldrichtig. Nahtlos daran anschließend, konnte sie auch das Casting für den begehrten Part der Esmeralda im Musical „Der Glöckner von Notre Dame“, das am 8. Oktober im Ronacher Premiere feiern wird, für sich entscheiden. Der Stoff ist weltbekannt und wurde – beruhend auf Victor Hugos Roman – auch schon in Opern, Theaterstücken und Filmen unterschiedlich bearbeitet. Worauf also liegt der Fokus des Musicals? „Es gibt schon deutliche Unterschiede zum Buch“, erklärt Abla Alaoui. „Hugo hat sich sehr gerne mit umfangreichen Architekturbeschreibungen aufgehalten. (Lacht.)

Sie kämpft gegen die Stigmatisierungen und möchte einfach das tun, was sie glücklich macht. Sie will tanzen, reisen; vielleicht ist sie auch deshalb so rastlos, weil sie nirgendwo angenommen wird.

Abla Alaoui über Esmeralda

Die Rolle der Esmeralda ist im Musical viel stärker als im Roman, wo sie doch sehr Spielball der Männer ist. Bei uns versucht sie, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“Und wie sieht sie das Verhältnis zu Quasimodo, das oft sehr romantisiert, man könnte auch sagen verkitscht, dargestellt wird? „Aus ihrer Sicht ist es eine Freundschaft, ich denke nicht, dass andere Gefühle im Spiel sind. Sie, die aufgrund ihrer Herkunft als Romni mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, erkennt in ihm einen ebenfalls Ausgestoßenen und hat keine Probleme damit, ihm freundliche Zuneigung entgegenzubringen. Sie ist die Erste, die das bedingungslos tut, weshalb sie Quasimodo natürlich wie ein Engel vorkommt.

Ich denke, dass er tatsächlich in sie verliebt ist, vielleicht aber auch nur deshalb, weil er sich so sehr danach sehnt. Hätte er andere Freiheiten genossen, wäre sein Lebensweg ein anderer gewesen, möglicherweise wäre sie ihm auch ‚nur‘ eine Freundin geworden.“

Esmeralda wird von ihrer Interpretin als „freiheitsliebend“ beschrieben. „Sie kämpft gegen die Stigmatisierungen und möchte einfach das tun, was sie glücklich macht. Sie will tanzen, reisen; vielleicht ist sie auch deshalb so rastlos, weil sie nirgendwo angenommen wird.“

Abla Alaoui: Vom Spielball zur starken Frau
Trotz seiner dramatischen Liebe zu Kim, entscheidet sich Hauptfigur Chris in „Miss Saigon“ für seine Ehefrau Ellen.

Foto: Johan Persson

Hier ließen sich Parallelen zu einer anderen Frau erkennen, die Abla Alaoui noch vor der Esmeralda spielen wird. Von 30. Juni bis 2. Juli wird sie in der konzertanten Version des Musicals „Elisabeth“ im Ehrenhof von Schloss Schönbrunn die junge Kaiserin darstellen. „Darauf freue ich mich sehr, habe aber auch großen Respekt davor, weil sie eben eine solche Ikone ist. Ich spiele sie zum ersten Mal und finde es wie immer spannend, eine historische Figur zu verkörpern.“

Erstlingswerk mit Witz

Da grenzt es fast an ein Wunder, dass Abla Alaoui, die nebstbei einen viel gelesenen Blog betreibt, auch noch Zeit fand, einen Roman zu schreiben: „Bissle Spätzle, Habibi?“ lautet sein Titel.

Woran man als Leser in spe gewisse Erwartungen knüpft. „Eine romantische Komödie, die ein wenig mit den Kulturen spielt. Es geht um eine Muslima und einen Schwaben, die sich ineinander verlieben“, verrät die Neo-Autorin. Das humorvolle Werk erscheint bei Ullstein, kommt im Jänner 2023 in die Buchhandlungen, kann aber bereits jetzt bestellt werden.

Zur Person: Abla Alaoui

Aufgewachsen in der Nähe von Frankfurt, absolvierte sie die Joop van den Ende Academy und war noch während ihrer Ausbildung als Mary Robert in „Sister Act“ zu sehen. Ihr Debüt bei den Vereinigten Bühnen Wien gab sie 2015 als Nannerl (CV) in „Mozart!“; 2017 war sie hier Sarah (CV) in „Tanz der Vampire“.