Zum Inhalt springen
Sofa »K.N.P.« (c) Artflex

Was macht eigentlich Jean Nouvel?

Designgeschichte

Der französische Architekten-Superstar feiert 2025 seinen 80. Geburtstag. Grund genug, zu schauen, wofür der Pritzker-Preisträger auf Designebene so steht.

Über den französischen Architekten-Superstar Jean Nouvel wurde schon sehr, sehr viel geschrieben. Zum Beispiel, dass er es geschafft hat, die Moderne und die Postmoderne hinter sich zu lassen, und dabei eine völlig eigene und neue Architektursprache kreierte. Nun denn, nächstes Jahr im August feiert der Franzose seinen 80. Geburtstag, und man kann getrost behaupten, dass er so ziemlich alles erreicht und jede wichtige Auszeichnung für sein architektonisches Tun und Schaffen eingeheimst hat. Der Pritzker-Preis, der gerne als Nobelpreis für Architektur betitelt wird, inklusive. Beschreibt Nouvel seinen Arbeitszugang, klingt das einfach und kompliziert zugleich: »Jedes Mal versuche ich, das, wie ich es nenne, fehlende Teil des Puzzles zu finden, das richtige Gebäude am richtigen Ort.«

Einfachheit ≠ Minimalismus

Jetzt ist der Franzose, der noch während seines Studiums in Paris 1970 sein erstes Architekturbüro gegründet hat, allerdings auch einer, der gerne auch auf der Architektur eng verwandtem Terrain fehlende Puzzleteile sucht. Was ihn zwangsläufig zum Design bringen musste. Denn der Architekt Nouvel hatte schon recht bald das dringende Bedürfnis, Objekte zu entwerfen, die sich in seine Architektur integrieren lassen. 1995 stellte er alles auf sichere Beine und gründete das Unternehmen Jean Nouvel Design, kurz JND. Mehr als 100 Objekte und Möbelstücke sind seitdem gemeinsam mit einem multidisziplinär aufgestellten Team entstanden. Bearbeitet werden dabei vor allem die Bereiche Möbeldesign, Innenarchitektur, Bühnenbild und visuelle Kommunikation. Und zwar meist mit ziemlich reduzierten, klaren Entwürfen. Minimalismus? Möchte man meinen, aber Nouvel, der seinen beruflichen Durchbruch mit dem Bau des Pariser Institut du monde arabe (1981 bis 1987) erlangte, würde das niemals so sagen. Im Gegenteil: »Mein Streben nach Elementarem hat nichts mit Minimalismus zu tun. Auch wenn Design sich auf ein Minimum an Material reduziert, so ist es doch kreativ.«

Jean Nouvel feiert 2025 seinen 80. Geburtstag

Jean Nouvel feiert 2025 seinen 80. Geburtstag

(c) Gaston Bergeret
Dünn aufgetragen (1996):
Für das Hotel »Saint James« in Bouliac schuf Nouvel diesen Schminktisch, dem man die 1990er-Jahre richtig ansieht. ligne-roset.com

Dünn aufgetragen (1996): Für das Hotel »Saint James« in Bouliac schuf Nouvel diesen Schminktisch, dem man die 1990er-Jahre richtig ansieht. ligne-roset.com

(c) beigestellt
Aufgefächert (2000):
Beinahe skulptural wirkt das Regal »Thick Less«. Eine 
Arbeit für Abet Laminati, 
bei der es leider nur beim 
Prototyp geblieben ist.

Aufgefächert (2000): Beinahe skulptural wirkt das Regal »Thick Less«. Eine Arbeit für Abet Laminati, bei der es leider nur beim Prototyp geblieben ist.

(c) beigestellt
Schöner essen (2004):
Das sichtlich sehr 
schlanke Besteck hat einen 
neofuturistischen 
Beigeschmack – Mahlzeit! 
georgjensen.com

Schöner essen (2004): Das sichtlich sehr schlanke Besteck hat einen neofuturistischen Beigeschmack – Mahlzeit! georgjensen.com

(c) beigestellt
Vorreiter (2007):
Mit der Hängelampe »Arana« setzte Nouvel einen Trend. Industrie­schicker Kabelsalat hängt auch ­heute noch in Lofts und Restaurants am Plafond. jeannouveldesign.fr

Vorreiter (2007): Mit der Hängelampe »Arana« setzte Nouvel einen Trend. Industrie­schicker Kabelsalat hängt auch ­heute noch in Lofts und Restaurants am Plafond. jeannouveldesign.fr

(c) beigestellt
Schwungvoll (2013):
Türschnallen werden 
oft sträflich vom Design 
vernachlässigt. Bei Jean 
Nouvel und seinem 
Team nicht. olivari.i

Schwungvoll (2013): Türschnallen werden oft sträflich vom Design vernachlässigt. Bei Jean Nouvel und seinem Team nicht. olivari.i

(c) beigestellt
Neue Gemütlichkeit (2014):
Das Sofa »K.N.P.« hinterfragt gewitzt Archetypisches. Auf dem Sperrholzrahmen kann sich jede:r mit Schaumstoffpolstern, Überwürfen und Decken eine ganz persönliche Couch formen. arflex.it

Neue Gemütlichkeit (2014): Das Sofa »K.N.P.« hinterfragt gewitzt Archetypisches. Auf dem Sperrholzrahmen kann sich jede:r mit Schaumstoffpolstern, Überwürfen und Decken eine ganz persönliche Couch formen. arflex.it

(c) beigestellt
Guter Stamm (2016):
Der säulenförmige Schrank »Totem« ist eine Arbeit für 
roche-bobois.com

Guter Stamm (2016): Der säulenförmige Schrank »Totem« ist eine Arbeit für roche-bobois.com

(c) beigestellt
Durchblick (2020):
Eigentlich logisch, dass ein designender 
Architekt sich auch an einer Architektenbrille versucht. Kreative Ehrensache mit klarer 
Linienführung. morel-france.com

Durchblick (2020): Eigentlich logisch, dass ein designender Architekt sich auch an einer Architektenbrille versucht. Kreative Ehrensache mit klarer Linienführung. morel-france.com

(c) beigestellt

Auf der Suche nach der Essenz

Wir halten fest: Die Suche nach der Essenz, dem Wesenskern der Dinge, ist alles andere als minimalistisch. Vielmehr steckt hinter jedem seiner Entwürfe eine lange und präzise Auseinandersetzung mit Materialien, Proportionen und deren Wirkung im Raum. Zudem zeichnet sich Nouvel als Designer auch dadurch aus, dass er hingebungsvoll nach den richtigen Materialien sucht und stets ergebnisoffen bleibt. »Ich suche bei Form, Material und Proportion die natürlichste und die einfachste Lösung«, so der Meister, der 
an anderer Stelle noch deutlicher wird: »Einfachheit ist der einzige Stil, den ich akzeptieren kann!« Dass ab und zu böse Zungen behaupten, er zeichne sich vor allem dadurch aus, dass er keinen Stil hat, stört Nouvel wenig bis gar nicht. Vielmehr sieht der Franzose sein Markenzeichen darin, seine Projekte in einen Zusammenhang zu stellen. Und überhaupt: »Der wichtigste Kontext ist die Zeit, in der man lebt.«

Nouvels Werke und Designs sind also keine Inseln, sondern bewusst als Teile eines größeren Gefüges gedacht. Egal, ob es sich um monumentale Bauwerke wie den Torre Glòries in Barcelona, den Louvre Abu Dhabi oder kleinere Designstücke wie das von ihm entworfene Sofa »K.N.P.« handelt – immer steht die Idee im Vordergrund, dass Architektur und Design unsere Wahrnehmung der Welt beeinflussen.

Mehr zum Thema Designgeschichte finden Sie hier.

 

Erschienen in
LIVING 09/2024

Zum Magazin

Manfred Gram
Mehr zum Thema
1 / 12