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© Franck Legros / Shutterstock

Erfolg auf leisen Sohlen: Die Luxusmarke Hermès im Porträt

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Hermès zeigt, wie man Luxus auch denken kann: leise statt laut, langsam statt wachstumsgetrieben und alles gepaart mit höchster Qualität. Das machte das Unternehmen nun
zur wertvollsten Luxusmarke der Welt.

Es gibt Rekorde, die für die Ewigkeit geschaffen scheinen, und solche, die nur darauf warten, übertroffen zu werden. So wurde 2019 in Hongkong eine »Diamond Himalaya Birkin 30« für die beeindruckende Summe von 400.000 Dollar versteigert – laut Auktionshaus Christie’s der höchste Preis, der je für eine Handtasche bei einer Auktion erzielt wurde. Das außergewöhnliche Exemplar, gefertigt aus mattweißem Krokodil­leder, besticht durch Beschläge aus 18-karätigem Gold und Henkeln, die mit 205 Diamanten besetzt sind. Schon damals war Kenner:innen klar: Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Denn »Birkin Bags«, die Hermès seit 1984 in Anlehnung an die legendäre Schauspielerin Jane Birkin fertigt, zählen zu den begehrtesten Objekten auf dem internationalen Taschenmarkt. Anfang Juli wird es in dieser Hinsicht wieder interessant. Dann kommt nämlich bei Sotheby’s in Paris ein ganz besonderes Stück unter den Hammer: die allererste je gefertigte »Birkin Bag«. Der Prototyp sozusagen. Es gilt als sicher, dass dabei ein neuer Preisrekord aufgestellt werden könnte. Und eines ist auch schon klar: Hermès ist es gelungen, um seine Produkte einen Nimbus zu kreieren, der zwischen Sammlerstück, Statussymbol und Anlageobjekt liegt.

Taschenspielertrick
Die »Birkin Bag« ist Luxusikone und Investmentpiece gleicher­maßen.

© Rolf Vennenbernd / picturedesk.com

GRÖSSE EGAL

Dass Exklusivität am Luxusmarkt funktioniert, ist keine neue Erkenntnis. Dass Größe allein aber kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg ist, zeigt der Vergleich zwischen Hermès und dem Branchenriesen LVMH. Zwar liegt Hermès mit einem jährlichen Umsatz von 15,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 deutlich hinter LVMH, der mit seinen 75 Marken letztes Jahr rund 84,7 Milliarden Euro umsetzte. Aber: Hermès überholte LVMH beim Börsenwert. 249 Milliarden Euro ist Hermès aktuell wert, LVMH steht bei 244 Milliarden. Sicher eine Genug­tuung für das Familienunternehmen, denn das Verhältnis zum Konkurrenten gilt als schwierig und belastet, seit vor rund
15 Jahren LVMH-Chef Bernard Arnault versuchte, sich über eine verdeckte Aktienstrategie schrittweise bei Hermès einzukaufen. Die Familie Dumas, die Hermès bis heute kontrolliert, reagierte mit juristischen und wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen. Der Vorfall ging als »Handtaschenkrieg« in die Wirtschaftsgeschichte ein.

Erbaulich
Die neue Hermès-Werkstätte ist ein Architekturjuwel der Architektin Lina Ghotmeh.
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© Iwan Baan

HANDGEMACHT IST AUSGEMACHT

Hermès setzt weiter auf kontrolliertes Wachstum. In den weltweit rund 300 Hermès-Boutiquen gibt es keine Rabatte, keine Ausverkäufe, keine Werbekampagnen im großen Stil. Gleichzeitig wird das Sortiment ständig erweitert: Neben Lederwaren gibt es inzwischen Mode, Parfüms, Möbel, Uhren oder Porzellan. Dennoch bleibt das Tempo bewusst gedrosselt und man investiert in Qualität und Handwerk. Jüngstes Beispiel: die neue Lederwarenmanufaktur im nordfranzösischen Louviers. Seit 2023 werden dort Lederwaren gefertigt, darunter auch Taschenmodelle wie die »Birkin« oder »Kelly«. Der Neubau steht exemplarisch für den Ansatz des Unternehmens: Produktion in Frankreich, bestens ausgebildete Handwer­ker:innen und Fokus auf Qualität und Lang­lebigkeit.

Die »Maroquinerie de Louviers« wurde als umweltfreundlicher Standort konzipiert, gebaut aus Holz und Lehmziegeln, mit niedrigem Energieverbrauch und kurzen Lieferwegen. Der Standort ist Teil einer Strategie, die Produktion lokal zu halten und das Know-how zu sichern. Regelmäßige Meldungen, Hermès lasse Taschen billig in China produzieren, sind schlicht falsch – eine perfide Mischung aus Desinformation und Werbung für sogenannte Superfakes.

Der aktuelle CEO Axel Dumas, direkter Nachfahre des Gründers Thierry Hermès, führt das Unternehmen mit Blick auf Kontinuität und Unabhängigkeit. Wie sich Börsenwerte und Marktbedingungen entwickeln, lässt sich kaum vorhersagen. Klar ist aber: Hermès setzt bei seiner Strategie auf eine Tugend, die in der Luxusbranche ungewöhnlich ist und fast antiquiert wirkt: Geduld. Statt Trends zu jagen, kultiviert Hermès den eigenen Stil. Statt Wachstum um jeden Preis, wird gezielt und langfristig investiert. Und während andere Marken laut werden, bleibt Hermès leise – und dadurch umso begehrlicher.

Manufaktur
In der Hermès-Werkstatt in Louviers verbindet sich traditionelle Handwerkskunst mit modernem Design.

© Iwan Baan

Verbandelt
Kleine Kooperation mit der Apple Watch – von Leder- spezialist Hermès wurden hierfür exklusive Uhrarmbänder produziert.

Foto beigestellt

Balanceakt
Designer Tomás Alonso erschafft mit dem Tisch »Pivot« ein Spiel aus Balance und Kontrasten: Lackiertes Glas trifft auf ein farbenfrohes Gestell.

© Getty Images
Foto beigestellt
Manfred Gram
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