Nachhaltiges Restaurant- und Bardesign
Geht es um Müllvermeidung und Resteverwertung, machen visionäre Gastronom:innen keine Kompromisse. Mit radikal nachhaltigen Konzepten zeigen sie, wie Respekt vor der Natur Sinn und Geschmack ergibt. Ein kleiner Streifzug.
Douglas McMaster bringt eine ordentliche Portion Radikalität mit. Der britische Koch hat sich nämlich für so etwas wie die ultimative Kehrtwende entschieden. Sein Restaurant »Silo«, das sich im Londoner East End befindet, firmiert nämlich als das weltweit erste Zero-Waste-Restaurant. Und McMaster hat die Sache derart ernst genommen, dass er jetzt allerorts dafür gefeiert wird. Denn er achtet nicht nur penibel darauf, was auf die Teller kommt, sondern auch darauf, was rund um die Teller passiert. Weil: »Nachhaltigkeit ist und war schon immer sexy. Was gibt es Schöneres, als in eine lange Zukunft zu investieren?«
Grüner wird’s nicht
Im »Silo« wird und ist daher also alles irgendwie recycelt. Der gemütliche Korkboden, die Wände, die aus komprimiertem Bauabfall bestehen, die Lampenschirme aus Seegras. Die Teller und Gläser, die in einer hauseigenen Werkstatt aus alten Gläsern upgecycelt werden, die aus altem Holz getischlerten Möbel oder auch der beliebte Sirup, der aus alten Gemüseresten entsteht.
Abfall existiert in McMasters Gastro-Universum nicht. Waste ist hier vielmehr der Stoff, aus dem Neues entsteht. »Wir sind das erste Zero-Waste-Restaurant der Welt und wollen die Lebensmittelindustrie innovativ gestalten und gleichzeitig Respekt zeigen: Respekt vor der Umwelt, Respekt vor der Art und Weise, wie Lebensmittel erzeugt werden, und Respekt vor der Nahrung«, erzählt der Brite, der für seine wilde Interpretation von Nachhaltigkeit, kombiniert mit Topgenuss, einen der begehrten grünen Michelin-Sterne erhielt.
Nebst einem »regulären« Michelin-Stern hat auch der heimische Spitzenkoch Paul Ivić für sein »TIAN« in Wien solch einen grünen Michelin-Stern erhalten. Ivić überdachte vor fast 15 Jahren sein Leben und Tun als Topkoch und ist seitdem einer der Nachhaltigkeitspioniere in der heimischen Gastro-Szene. Auch für ihn ist Zero Waste ein nachhaltiger Motor für kreative Resteverwertung. Aber auch sonst ist das vegetarische Spitzenrestaurant in der Innenstadt ziemlich grün unterwegs, wie Ivic erzählt: »In meiner Küche sind mir Biodiversität, Regionalität und Qualität ebenso wichtig wie die Demut vor unserer Natur und den natürlichen Prozessen! Dazu zählt auch eine faire Bezahlung unserer 20 Kleinerzeuger:innen und unserer Mitarbeiter:innen.«
Das finnische Toprestaurant »Nolla« schlägt ebenfalls in diese Kerbe. »Nolla« bedeutet im Finnischen so viel wie Null – und null Müll will das Gastro-Team dahinter fabrizieren. Schließlich produziert ein Lokal in dieser Größe üblicherweise 70.000 Kilogramm Müll pro Jahr. Soll heißen: Kaffee wird in Säcken geliefert, Öl kommt in Fässern daher und Gemüse in Kisten, die zwischen den regionalen Produzent:innen und dem Restaurant hin und her pendeln. Auf Einwegverpackungen und Frischhaltefolien wird überhaupt ganz verzichtet. Ergo gibt es auch keine Abfalleimer in der Küche. Was an Speiseresten daherkommt, wird kompostiert. »Wir setzen unseren Verstand ein, um Verschwendung und Müll zu vermeiden. Es ist einfach eine Denkweise und für uns jetzt eine tägliche Routine«, so Carlos Henriques und Albert Franch Sunyer, die vor gut sechs Jahren ihre Zero-Waste-Mission starteten. Die Hütte brummt übrigens und ist täglich ausgebucht.
Gute Nacht
Über Nachhaltigkeit macht sich auch das Nachtleben so seine Gedanken. Ein großartiges Beispiel, wie das geht, liefert zurzeit die Bar »FURA« in Singapur. Es ist das neueste Projekt von Sasha Wijidessa und Christina Rasmussen. Das Duo setzt auf Zutaten, die es im Überfluss gibt, und/oder die auf pflanzlicher Basis beruhen. Mit Wow-Effekt. So entstehen schließlich Würzsaucen aus Heuschrecken, und invasive Quallen, die das Ökosystem an der Küste stören, werden kurzerhand aus dem Meer gefischt und landen im Gin-Martini. Radikal? Ja. Fortschrittlich? Ja. Die Bar wurde heuer völlig zu Recht zur nachhaltigsten Bar Asiens gekürt und ist auch zu einem Ort für Veranstaltungen avanciert, die Nachhaltigkeit und Innovation in den Vordergrund stellen. »Wir wollen neue Zugänge zu Essen und Trinken kreieren, die mit unserem Klima vereinbar sind«, so Sasha Wijidessa. Das heißt: weg mit Ei, Milch und Fleisch, her mit den Lieferant:innen, die biologisch anbauen und verpackungsarm anliefern. Übrigens ist auch hier das Interior nachhaltig. Man sitzt auf Pflanzenleder und für die richtige Lichtstimmung sorgen Lampenschirme, für die Rotkohl das Material lieferte.

Flaschenpost. Über 1.000 Weinpositionen hat man im »MAST« auf Lager. Alle biologisch und biodynamisch, versteht sich.
mast.wine
So weit geht das Wiener Weinbistro »MAST« zwar nicht, aber auch hier überlegt man intensiv, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Über 1.000 Weinflaschen hat das Lokal von Matthias Pitra und Steve Breitzke im Keller lagernd. Alle biologisch oder biodynamisch mit einem Fokus auf Natural Wine. In der Küche arbeitet Lukas Lacina, dem ein Werken im Einklang mit der Natur wichtig ist. »Die Stadt Wien und das Land Niederösterreich sind unsere Kornkammern, hier beziehen wir nahezu alle Produkte von Kleinanbieter:innen. Daher verursachen wir wenig Müll, dazu fast keine oder sehr geringe Anfahrtswege«, erzählte Lacina dem »Michelin Guide«, der diese Bemühungen mit einem grünen Stern würdigte.
Man sieht: Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine Haltung, und Gastro-Pionier:innen zeigen vor, dass Radikalität, Kreativität und Genuss Hand in Hand gehen können. Geht es um die Zukunft des guten Geschmacks, ist die Ampel eindeutig auf Grün.