Aus Fisch wird Leder, das Wellen schlägt
Im Waldviertel gibt es eine kleine Manufaktur, die eine fast vergessene Handwerkskunst wiederentdeckt und perfektioniert hat: Yupitaze verwandelt mithilfe einer geheimen Technik Fischhaut in edles Leder – rundum nachhaltig, stilvoll und mit meisterhafter Präzision.
»Ja, wir verarbeiten Fischhaut zu Leder – und nein, es riecht nicht nach Fisch.« Rudolf Schuh kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die ungläubigen Blicke, die er oft erntet, wenn er durch seine außergewöhnliche Manufaktur führt, ist er längst gewohnt. Doch kaum hält man eines der weichen, geschmeidigen Fischlederstücke in der Hand, wird klar: Das hier ist kein kurioses Experiment, sondern ein Material mit Charakter – einzigartig in seiner Struktur, überraschend robust und luxuriös zugleich. Und es riecht definitiv nach Leder, nicht nach Fisch.
Handwerkliches Geheimnis
In der Manufaktur Yupitaze im idyllischen Waldviertler Reitzenschlag haucht Rudolf Schuh gemeinsam mit Sohn Georg und Enkelsohn Julian einer fast vergessenen Handwerkskunst neues Leben ein. Seit ungefähr 20 Jahren verwandelt er hier Fischhäute in hochwertiges Leder und kreiert daraus exklusive Produkte. »Fischleder hat eine faszinierende Struktur, ist extrem widerstandsfähig und mit unserer Methode nachhaltiger als jede konventionelle Tierhaut«, erklärt der 83-Jährige. Die Inspiration für dieses originelle Handwerk erhielt Schuh Ende der 1990er-Jahre durch die Begegnung mit Anatol Donkan, einem Schamanen und Bildhauer des sibirischen Volkes der Nanai.
Von den Chinesen einst »Yupitaze« genannt – was so viel wie »Barbaren in Fischhaut« bedeutet –, nutzten die Nanai traditionell Fischhaut zur Herstellung von Kleidung und Gebrauchsgegenständen. Fasziniert von dieser alten Technik begann Schuh ein zeitgemäßes Verfahren zu entwickeln, um Fischhäute zu geschmeidigem Leder zu verarbeiten. Nach Jahren intensiver Forschung gelang es ihm schließlich, eine Methode zu perfektionieren, die ohne herkömmliche Gerbung auskommt und auf schonende Weise die natürliche Farbe sowie äußere Struktur der Fischhaut bewahrt.
Haute Couture aus Karpfen
Heute verwendet die Manufaktur hauptsächlich Häute von Karpfen, Lachs und Saibling. »Die Karpfen stammen aus eigenen Zuchtteichen im Waldviertel und werden zur Gänze verarbeitet«, erklärt Schuh. »Das Fleisch, fein und hautfrei filetiert, ist aufgrund seiner Qualität bei Wiens Köchen, die regelmäßig beliefert werden, hoch begehrt.« Die Lachs- und Saiblingshäute bezieht Schuh aus dem Fischhandel in Österreich.
Wir sind gewohnt, Fischhaut wegzuwerfen oder beim Kochen mitzubraten. Dass aus ihr hochwertiges Leder hergestellt werden kann, wissen die wenigsten.
Für die Herstellung der einzigartigen Accessoires aus Fischleder, wie Handtaschen, Geldbörsen, Etuis, Schuhe, Gürtel u. v. m., arbeitet Yupitaze mit zwei Firmen in Österreich und fünf in Deutschland zusammen. »Zu unseren Prinzipien gehört Abfallvermeidung ebenso wie Ressourcenschonung«, betont Julian Schuh die nachhaltige Arbeitsweise des Familienbetriebs. Ein Unternehmen übrigens, das bis nach Japan Wellen schlägt. Über hundert Fischlederhäute hat unlängst eine Delegation aus dem Fernen Osten im Waldviertel persönlich abgeholt. Aus ihnen wurde fürs Nationalmuseum für Ethnologie in Osaka ein Jagdanzug angefertigt – einen solchen haben einst auch die Vorfahren von Donkan, dem inspirierenden Freund von Rudolf Schuh, getragen.
Erschienen in
LIVING 03/2025
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