Holz in der Stadt: Wie nachhaltiger Holzbau urbane Architektur revolutioniert
Bis vor Kurzem war Holz in der Großstadt ein materieller Fremdkörper. Das hat sich nun geändert. Die neuen Wohnhäuser, Universitätsbauten und Office-Stadtquartiere beweisen, dass Holz endgültig in der Urbanität angekommen ist.
Der Rohbau wächst Stück für Stück in die Höhe, und wenn man mit dem Fahrrad an der Oberen Donaustraße 23–27 vorbeifährt, dann wird man mit Überraschung feststellen: Auf dieser Baustelle dominiert nicht das übliche Grau des Betons, sondern die harzige, goldene Holzfarbe eines Matador-Holzbaukastens. Fassade, Pfeiler, Stützen und Deckenplatten der einzelnen Häuser sind gänzlich in Holz gefertigt, hybrid kombiniert mit klassischem Massivbau für Fundamente und Stiegenhauskerne, die hier eine wertvolle Rolle als speicherfähige Masse übernehmen.
Premiere in Europa
»Mit 75.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche errichten wir hier das erste Stadtquartier in Holzbauweise in ganz Europa«, sagt Thomas G. Winkler, CEO der UBM Development AG, »und zwar ein gemischt genutztes Grätzel mitsamt Wohnen, Büro, Gastronomie, Kindertagesstätte und Geschäften des täglichen Gebrauchs.« Versorgt wird das neue Holzstädtchen mit regenerativer Geothermie. Dazu wurden unter dem gesamten Areal 200 Tiefensonden in die Erde gesetzt. Mit etwas Glück könnte das LeopoldQuartier das erste zertifizierte Net-Zero-Carbon-Quartier Österreichs werden. Der Holzbau, so Winkler, sei ein Katalysator zum Umdenken. Mit Holz zu planen und zu bauen erfordere eine gute Logistik, eine gewisse Effizienz in den Bauprozessen und auch klare, frühzeitige Entscheidungen, denn das Haus wächst nicht erst auf der Baustelle, sondern entsteht dank Vorfertigung bereits zum großen Teil in der Fabrikhalle. Bei UBM selbst liegt der Anteil an neuen Holzbau-Developments eigenen Angaben zufolge bei mittlerweile 77 Prozent. Das entspricht einer Holzbauproduktion im Ausmaß von knapp 1,5 Milliarden Euro.
In der Immo-Welt angekommen
»So gesehen kann man sagen, dass Holz definitiv schon in der Stadt und in der Immobilienwelt angekommen ist.« Nicht nur im Wohnen und Arbeiten kommt Holz zum Einsatz, sondern auch schon im Bereich Forschung und Lehre. Die Universität für Bodenkultur (BOKU) erweiterte sich vor einigen Jahren um einen unauffälligen, aber sachlich eleganten Holzwürfel mit Bibliothek, Vortragssälen und Institutsräumen. Der Bau von SWAP Architekten und Delta Projektconsult folgt zwar einem stringenten Holzraster von 3,2 mal 3,2 Metern, erinnert in seiner optischen und akustischen Behaglichkeit jedoch mehr an einen gemütlichen Kindergarten denn an eine Hochschule. Das Projekt wurde mit dem Zertifikat »klimaaktiv Gold« ausgezeichnet. Das größte und wichtigste Einsatzgebiet von urbanem Holz ist ohne jeden Zweifel der Wohnbau. In der Tivoligasse in Wien-Meidling bauten Freimüller Söllinger Architekten den »Woody-M« mit insgesamt 85 Wohnungen, Supermarkt und Gemeinschaftsterrasse. Das Projekt im Auftrag von Palmers Immobilien ist durch und durch in Holz errichtet und macht die harzige Massivbauweise auch im Straßenraum ersichtlich. Und im Village im Dritten, dem größten innerstädtischen Entwicklungsgebiet Wiens, entstehen gleich mehrere Objekte in Holzbauweise – so auch das hölzerne Hochhäuschen am südlichen Ende des elf Hektar großen Areals, das der gewerbliche Bauträger ARE in Zusammenarbeit mit nonconform errichtet. Demnächst soll das Projekt an eine 150-köpfige Baugruppe übergeben werden.
Um den nachhaltigen Baustoff weiter zu pushen, startete die Stadt Wien 2021 das sogenannte »WohnBAUMprogramm« mit Fokus auf Holz im geförderten Wohnbau. An mehreren Standorten in Wien sollen nun Wohnhausanlagen in Holzbauweise entstehen. Den Anfang machen drei Projekte des gemeinnützigen Bauträgers ARWAG am Orasteig (Floridsdorf) sowie am Naufahrtweg und in der Aspernstraße (Donaustadt). Die Häuser von Gerner Gerner Plus und AllesWirdGut Architektur erinnern einmal mehr an Matador für Erwachsene.