Der Eden Tower als Pionierprojekt für nachhaltige Stadtökosysteme
Der Turm soll aktiv zur Förderung von Biodiversität und Ökosystemleistungen beitragen. Geplant wurde mit künstlicher Intelligenz und ökologischer
Programmierung – ein völlig neuartiger Ansatz.
Die Welt der Architektur erlebt derzeit eine technologische Revolution und die Architektin Neri Oxman spielt dabei mit ihrem Eden Tower eine Schlüsselrolle. Das Projekt als Ganzes ist eine Zukunftsvision, in der Architektur nicht länger im Widerspruch zur Natur steht, sondern aktiv zu ihrer Regeneration beiträgt. Es zeigt, wie menschengemachte räumliche Umgebungen natürliche Ökosysteme nicht nur erhalten, sondern sogar verbessern können. Ökologische Programmierung nennt Oxman das.
Vertikaler Wald inklusive
Das Herzstück des Projekts ist der Eden Tower, ein Hochhaus, das als vertikales Ökosystem konzipiert ist. Anders als herkömmliche Wolkenkratzer maximiert dieser Turm die ökologische Oberfläche bei minimiertem urbanem Fußabdruck. Die Struktur integriert Grasland- und Waldökosysteme an der Außenfassade, die wichtige regulierende Dienste wie Wärmeregulierung und Kohlenstoffbindung übernehmen. Die Struktur des Eden Tower besteht aus einer Reihe von kreisförmigen Plattformen, die durch einen zentralen Kern verbunden sind. Einige Ebenen werden von dünnen Säulen getragen, während andere frei schweben. Jede Plattform hat eine andere Topografie und Landschaft mit einigen offenen Bereichen und anderen, die mit Glas überdacht sind, um menschliche Behausungen zu schaffen.
Viele Varianten – die besten kommen weiter
Neu bei dem Turm, dessen genauer Standort noch nicht festgelegt wurde, ist ein Teammitarbeiter namens KI – die momentan viel gehypte künstliche Intelligenz. Durch ihren Einsatz und durch sogenannte generative Designprozesse wird der Tower so gestaltet, dass er sowohl die Bedürfnisse der menschlichen Bewohner:innen erfüllt als auch Biodiversität und die Resilienz des Ökosystems fördert. Generative Designprozesse nennen sich Methoden im Design, bei denen computergestützte Algorithmen genutzt werden, um zahlreiche, verschiedene Designvarianten zu erzeugen. Man gibt ein, welche Kriterien unbedingt erfüllt werden müssen (etwa Materialeinsparung, strukturelle Festigkeit oder ästhetische Anforderungen), die gescheiten Maschinen spucken dann die verschiedenen Entwürfe aus, ein paar werden dann ausgewählt und weiter optimiert. Solche Ansätze kamen schon oft bei der Gestaltung von Fassadenstrukturen zur Anwendung, die Sonnenlicht optimal nutzen oder eine hohe Energieeffizienz erreichen, indem das System automatisch Entwürfe generiert, bewertet und verbessert. Das Eden-Projekt passt perfekt in die Karriere der in Haifa, Israel, geborenen und in den USA lebenden Architektin und Designerin Neri Oxman. Sie hat immer schon versucht, Mensch und Technik in Einklang zu bringen. Die Architektin, Designerin und Professorin ist für ihre Arbeit an der Schnittstelle von Architektur, Design und Biologie bekannt und ist Gründerin der Mediated Matter Group am MIT (Massachusetts Institute of Technology), wo sie immer schon digitale Fertigungstechniken und natürliche Materialien kombinierte.
Ethische Fragen
Das nunmehr vorgestellte Eden ist vielleicht der Höhepunkt ihres Schaffens und mehr als nur ein Gebäude. Es ist ein Symbol für den Wandel, den wir derzeit erleben. Es gab bis jetzt schon erste Projekte, bei denen KI eingesetzt wurde (der Hy-Fi Tower in New York oder die Battersea Roof Gardens), keines ging aber so weit wie der Eden Tower. Neben den technischen Schwierigkeiten gilt es auch, ethische Fragen zu klären. Inwieweit darf die KI in den kreativen Prozess eingreifen? Welche Verantwortung trägt die Architektin für die Entscheidungen, die von der KI getroffen werden? Der Garten Eden war das biblische Paradies. Bleibt abzuwarten, ob die künstliche Intelligenz nicht zum Sündenfall in diesem Paradies wird.