»Health-span« statt »Lifespan«: Die neue Sicht aufs Altern
Longevity ist längst mehr als ein Hype. Warum das Thema gesunde Lebensverlängerung in Forschung, Medien und Alltag immer wichtiger wird und was Well-Aging damit zu tun hat lesen Sie hier.
Es scheint, als wäre der Stein der Weisen gefunden. Das Schlagwort der Stunde, Longevity, ist in aller Munde und nebst Fachkreisen nun auch im Mainstream angekommen. So sehr, dass Netflix dem Thema sogar eine ganze Mockumentary widmet. Warum auch nicht? Immerhin proklamiert die Longevity- Forschung ein Heilsversprechen an die gesamte Menschheit. Tatsächlich beschreibt es einen Paradigmenwechsel in der Medizin, der uns alle angeht: Es gilt, nicht nur die allgemeine Lebensspanne zu verlängern, sondern vor allem jene Zeit, in der wir fit, gesund und glücklich sind. Die »Health-span« im Gegensatz zur »Lifespan« beschreibt also jene Lebenszeit, die wir mit hoher Lebensqualität verbringen. Die Realität heute erzählt aber leider noch was anderes. Meist ist die letzte Lebensphase mit kleinen und großen Wehwehchen verbunden, die unsere Lebensqualität mindern und unsere Lebensfreude einschränken. Beides benötigen wir aber für ein gesundes Sein. Ein Teufelskreis, dem man proaktiv entgegenwirken kann und tunlichst sollte.
Longevity als Medizin der Zukunft
Einer, der es besonders ernst nimmt, ist der Tech-Milliardär Bryan Johnson, der Posterboy des Trends ist Hauptdarsteller der eingangs erwähnten Mockumentary. Er kurbelte das Thema in den letzten Monaten medial stark an und sorgte dafür, dass auch die (teilweise absurdesten) Bio-Hacks in der Masse angekommen sind. Biohacking, wie er es betreibt, ist allerdings nur ein Teil von Longevity, das so viel mehr bedeutet und die hellsten Köpfe der Wissenschaft im gemeinsamen Bestreben eint. Der Wiener Longevity-Experte und Arzt Dr. Patrick Bantsich drückt es so aus: »Was mich besonders an der Longevity-Forschung fasziniert, ist, dass viele Erkenntnisse aus der Präventionsmedizin, der Molekularbiologie bis hin zur Verhaltenswissenschaft zusammengeführt werden. Sie zeigt uns, dass Altern kein rein passiver Prozess ist, sondern dass wir aktiv Einfluss darauf nehmen können, wie gut wir altern. Und genau das ist für mich der zentrale Punkt: Es geht um Aktion statt Reaktion. In der klassischen Medizin handeln wir oft erst, wenn ein Problem auftritt – Bluthoch- druck, Diabetes, Herzinfarkt. Die Longevity- Perspektive kehrt dieses Prinzip um: Wir wollen verstehen, was wir heute tun können, um solchen Erkrankungen vorzubeugen – bevor sie entstehen.«
Aktuelle Forschung und greifbare Zukunft
Technische Innovationen und modernste Kenntnisse machen also heute gemeinsam möglich, was vor ein paar Jahren unmöglich schien. Aktuell häufen sich die atemberaubendsten Durchbrüche in der Wissenschaft frappant. Dr. Bernd Kleine-Gunk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti- Aging-Medizin, forschte als einer der ersten bereits in den 1990er-Jahren zum Thema und betont: »Im Moment passiert gerade sehr viel, es geht Schlag auf Schlag. Modernste Erkenntnisse im Bereich Stammzellentherapie, Telomere-Forschung und epigenetische Programme versprechen Erfolge in greifbarer Zukunft.« Mit vielen dieser Begriffen können Laiinnen und Laien nichts anfangen, aber dabei geht es um essenzielle Basics. Nun gut, Telomere (die Schutzkappen unserer Chromosomen) und Stammzellentherapie mag man vielleicht vernachlässigen können. Nicht so die Epigenetik. Hierbei geht es um essenzielle Basics, die uns alle was angehen.