Altbau als Anlage: Die Renaissance der Zinshäuser und unsanierten Immobilien
Während das Luxussegment in Wien preislich unverändert ist, sind vor allem zwei Assetklassen günstiger zu haben denn je: gründerzeitliche Zinshäuser und
unsanierte, in die Jahre gekommene Sekundärimmobilien. Davon profitieren Privatkäufer:innen wie auch gewerbliche Developer:innen.
Ein kleines, aber feines Zinshaus im neunten Bezirk mit prachtvollem Stuck an der Fassade und 13 exklusiven Eigentumswohnungen dahinter. Die Zeit sei gut für solche Projekte, meint Michael Schmidt, Geschäftsführer von 3SI, denn die Marge zwischen Zinshauskauf und Wohnungsverkauf pro Quadratmeter sei so groß und so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Nicht nur hier in der Hahngasse mitten im Servitenviertel, dem kleinen Paris Wiens, daher auch der Projekttitel »Le Petit Paris«, »vraiment très sympathique«, sondern auch in vielen anderen Lagen Wiens, die in den Genuss kommen, infrastrukturell und verkehrstechnisch gut angebunden zu sein. »Ein paar wenige, ausgewählte Zinshäuser in superexklusiven Lagen in der Innenstadt haben den Wert über die Krise ganz gut halten können«, sagt Alexander Grigkar, Geschäftsführer von Grigkar Immobilien. »Doch in den meisten Lagen Wiens ist der Zinshausmarkt eingebrochen. Vor allem außerhalb des Gürtels sind Objekte, die jahrelang über dem Marktwert gehandelt wurden, nun wieder zu einem fairen Preis zu haben. Ich gehe daher davon aus, dass das Angebot an schönen, hochwertig sanierten Altbauwohnungen am Wiener Immobilienmarkt in den kommenden Jahren noch spürbar zunehmen wird.«
Prestigeprojekte
Bei Grigkar ist das Angebot jetzt schon da. In der Gebhardtgasse in Döbling wurde ein historisches Zinshaus mit Erker und schmuckem Blendgiebel über dem Gesims vom Keller bis zum Dach saniert. In den Innenräumen des Prestigeprojekts dominieren Kastenfenster, Kassettentüren und Fischgrätparkettböden, dazu gibt es in manchen Wohnungen große, schlichte Glastüren im schwarz umrandeten Industrial Look. Von den insgesamt acht Wohnungen, heißt es auf Anfrage bei Grigkar, warten noch sechs auf Käufer:innen.
Einen Trend hin zum Zinshaus erkennt man auch bei ÖRAG Immobilien. »Die Objekte in guten Lagen sind schon größtenteils verwertet und befinden sich bereits in Entwicklung«, meint Jelena Pirker, Leiterin Eigentum Wohnen bei ÖRAG, »wiewohl ich die Hoffnung nicht aufgeben würde, denn die eine oder andere Preziose findet man immer noch. Vor allem aber empfehle ich Käufer:innen und Investor:innen, sich auf jene Lagen zu konzentrieren, die in den kommenden Jahren verkehrstechnisch aufgewertet werden.« Die Rede ist vor allem vom fünften Gemeindebezirk entlang von Reinprechtsdorfer Straße, Siebenbrunnenplatz und Matzleinsdorfer Platz, die ab 2030 eine neue U2-Anbindung erhalten, sowie vom 17. Bezirk rund um den Elterleinplatz, der mit der neuen U5 in Zukunft einen regelrechten Boost erleben wird. Ein Blick auf die Websites der wichtigsten Anbieter:innen verrät: Während der westliche Teil von Margareten bislang im immobilienwirtschaftlichen Dornröschenschlaf lag, entsteht hier nun eine Branding-Immobilie nach der anderen – zum Beispiel auch die verjüngte »Vivienne« mit insgesamt 23 Wohnungen, eine klassische Altbausanierung mit verwinkelten, aber charmanten Grundrissen, Fertigstellung noch in diesem Quartal.
Und wie sieht der Markt jenseits ganzer Zinshäuser aus? »Wir sehen, dass die ESG-Kriterien und die EU-Taxonomie nun langsam zu greifen beginnen«, erklärt Jelena Pirker. »Sekundärimmobilien, die haustechnisch nicht am neuesten Stand sind und die immer noch mit fossilen Energieträgern gespeist werden, haben es am Markt schwer und werden in Zukunft, wenn sie nicht ertüchtigt werden, noch mehr an Wert verlieren.« Abhilfe schafft hier, so die Expertin, eine umfassende energetische Sanierung mit Wärmepumpe und zentralen Niedrigtemperaturlösungen. Auf Landesebene können dafür entsprechende Förderungen angezapft werden.

Schimmelgasse, Landstraße: Mitten in Erdberg errichtet die ÖRAG dieses Wohnhaus mit insgesamt 46 Wohneinheiten zwischen 47 und 165 Quadratmetern. Das sind – zumindest von dieser Dachterrasse aus betrachtet – allerbeste Aussichten. Bezugsfertig im ersten Quartal 2026. oerag.at

»Vivienne«, Margareten: Sanierungen und Aufstockungen von Gründerzeithäusern wie hier im fünften Bezirk werden den Wiener Immobilienmarkt in Zukunft verstärkt prägen. Das Projekt in der Siebenbrunnengasse 65 umfasst 23 Wohnungen zwischen 30 und 119 Quadratmetern. Preise ab 245.000 Euro. vivienne-living.at, 3si.at
Noch schärfer formuliert es Thomas Malloth, Geschäftsführer von Malloth & Partner, der unter anderem auf die Erstellung von ESG-Gutachten spezialisiert ist: »Immobilien, die heute immer noch an Öl und Gas angeschlossen sind und bei denen keine technische und energetische Ertüchtigung geplant ist, werden bis 2035 massiv an Wert verlieren. Je nach Lage werden manche davon schon bald zum Stranded Asset.« Und die Zeit eilt, denn viele Banken und Kreditinstitute, so Malloth, seien gerade dabei, die Finanzierungskonditionen für nicht ESG-taugliche Objekte zu überarbeiten.
Den Interessensrückgang bei unattraktiven Sekundärimmobilien sieht man auch schon in der Praxis: »Unsanierte Altbauwohnungen mit einer in die Jahre gekommenen Ausstattung und einer veralteten technischen Versorgung sind zwar noch am Markt, und das zum Teil zu den gleichen preislichen Konditionen wie bisher, aber diese Assetklasse ist inzwischen tot«, sagt Christina Hardegg, Hausverwalterin bei Hardegg Immobilien. Und setzt eines nach: »Toplagen und gute Grundrisse allein reichen heute nicht mehr aus, um einen guten Preis zu erzielen.« Gerade in diesem Bereich, darin sind sich die Expert:innen einig, gebe es nun gute Okkasionen mit entsprechend großen Verhandlungsspielräumen. Manche sprechen von bis zu 20 Prozent.